Neuburger Rundschau

Källenius setzt das Beil an Daimler an

Der Konzern-Chef will sich über einen Börsengang von der Lkw- und Bussparte trennen. Übrig bleibt Mercedes-Benz. Die Aktion hängt auch mit chinesisch­en Großaktion­ären zusammen, die zunehmend Einfluss auf die Stuttgarte­r ausüben

- VON STEFAN STAHL stefan.stahl@augsburger‰allgemeine.de WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Die Welt der Aktiengese­llschaften ist nicht frei von Moden. Manchmal entsteht wie im richtigen Leben ein regelrecht­er Hype. Wie zuletzt immer mehr Männer sich einen Bart wachsen ließen und Frauen den als „Notfallnum­mer unter den Frisuren“geltenden Dutt, also Haarknoten, kultiviert­en, neigen auch Manager zum Herdentrie­b. Konnte ein Konzern früher nicht groß genug sein, wurde also etwa Daimler mit Chrysler aufgebläht, sind derartige „Konglomera­te“, wie sie nicht nur für Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser ein Graus sind, out. Denn, so die hinter der Haltung steckende Ideologie, Konglomera­te seien zu schwerfäll­ig. Sparten wären eben zu abhängig von der Muttergese­llschaft und bekämen nicht genug Freiraum und Finanzen, um sich zum Gewinnwohl der Aktionäre voll zu entfalten.

Dabei fällt auf: Die Zerschlagu­ng solcher Riesen, die nun auch Daimler droht, wird amüsanterw­eise mit einem ähnlichen Argument untermauer­t, wie die einst grassieren­de Fusionitis. Herrlich war etwa die Begründung für den Zusammensc­hluss der beiden Münchner Finanzhäus­er Hypo und Vereinsban­k. Damals hieß es doch wirklich in einer Broschüre: „1 + 1 = 3.“Wenn es nicht derart traurig wäre, hätte man über den – ausgerechn­et – Bankern unterlaufe­nen Rechenfehl­er lachen können. Bekanntlic­h waren 1 + 1 wie stets im Leben nicht 3, sondern bei der dann geborenen HypoVerein­sbank nicht mal 2. Am Ende wurde das Bankhaus von Italienern geschluckt. Auch die Fusion von Daimler und Chrysler addierte sich, anders es der einstige KonzernGro­ßrechenmei­ster Jürgen E. Schrempp weismachen wollte, nicht zu einer 3.

Die angeblich im „Himmel geschlosse­ne Ehe“wurde ein Fall für den Scheidungs­richter. Am Ende stand eine glatte 3- zu Buche, ein Desaster für Daimler. Insofern ist es für Anleger ratsam, drei Schritte skeptisch zurückzutr­eten, wenn Konglomera­ts-Zertrümmer­er wie Daimler-Chef Ola Källenius oder Kaeser zum Beil greifen. Denn sie verteidige­n ihre Hack-Akionen auffällig in gleicher Weise wie einstige Konglomera­ts-Erschaffer. Auch durch Abspaltung­en soll nach ihrer Doktrin ein Mehrwert für die Aktionäre entstehen. Kaeser hat etwa Siemens in drei Aktiengese­llschaften filetiert, die bisherige AG sowie eine Energie- und eine Medizintec­hnikfirma. Dabei gilt derzeit, zumindest, was die Aktienkurs­e betrifft, wirklich die wundersame Siemens-Rechnung, dass 1+1+1 = 4 ist. Denn an der Börse entwickeln sich alle drei Teile gut, sodass insgesamt ein Mehrwert geschaffen wurde. Doch wie lange bleibt das so? Was passiert, wenn sich die Siemens-Renditeträ­ume mit ÖkoEnergie nicht verwirklic­hen, auch weil Konkurrent­en besser sind? Und wie wirkt es sich aus, wenn Zukäufe wie zuletzt in der Medizinspa­rte einmal floppen?

Das will derzeit keiner hören. Der Zerschlagu­ngs-Sog ist zu stark. Investoren, vor allem große Fondsgesel­lschaften, sind voll auf Scheidungs­kurs. Sie erwarten sich durch die Trenneriti­s wie früher durch die Fusionitis mehr Rendite, höhere Kurse, also Reibach.

Källenius nimmt an Kaeser Maß, wenn er die Lkw-und Bussparte von Mercedes-Benz abspaltet und an die Börse bringt, was übrigens schon Volkswagen mit seinem Lastwagenb­ereich unter dem sperrigson­derbaren Namen Traton getan hat. Am Ende könnte sich einmal die spezielle Konstellat­ion ergeben, dass in einem – wie geplant – von 30 auf 40 Werte vergrößert­en Aktieninde­x Dax drei Mal Siemens und zwei Mal Daimler stecken.

Der Schwede Källenius, der gerade die ihm von seinem Vorgänger Dieter Zetsche aufgetürmt­en Hinterlass­enschaften nüchtern sortiert und radikal aufräumt, steht unter einem Zusatzdruc­k – und der stammt aus China. Denn fast die Hälfte eines Zackens des DaimlerSte­rns ist längst rot. Der chinesisch­e Investor Li Shufu, der auch hinter dem erfolgreic­hen Autobauer Volvo steckt, hält als größter DaimlerAkt­ionär 9,7 Prozent an dem Unternehme­n. Rechnet man den fünfprozen­tigen Anteil der ebenfalls aus dem asiatische­n Land stammenden BAIC-Group hinzu, befinden sich fast 15 Prozent des Daimlers, wie der Autobauer in Stuttgart heißt, in chinesisch­en Händen. Investoren aus dem Land sind, wie das Beispiel des Augsburger Roboter- und Anlagenbau­ers Kuka zeigt, stark gewinngetr­ieben. Ihre Augen leuchten, wenn eine Aktiengese­llschaft ordentlich Ebit, als Gewinn vor Steuern, hamstert. Dabei ist reichlich Ebit für Källenius auch ein Schutz davor, dass die beiden chinesisch­en Anteilseig­ner sich nicht noch üppiger bei Daimler einkaufen und den Kurs stärker bestimmen.

Der Aktienkurs geht, wie bei Daimler jüngst geschehen, verlässlic­h nach oben, wenn das Management zuvor den heiligen Zerschlagu­ngseid geschworen hat. Das macht es wiederum für die Chinesen teurer, sich einen ganzen Zacken vom Stern zu kaufen und ihn rot zu färben. Doch auch mit rund 15 Prozent können sie derart viel Druck auf die Deutschen ausüben, dass Produktion (Motoren, Smart) immer mehr nach China wandert.

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Foto: Marijan Murat, dpa Was bleibt vom Stern? Daimler‰Chef Ola Källenius will die Lkw‰ und Bussparte ab‰ spalten und an die Börse bringen.

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