„Altenheime gehören ins Zentrum“
Die Arbeiterwohlfahrt Schwaben hat vieles erkämpft, was heute selbstverständlich ist. Wo der scheidende AWO-Vorsitzende Heinz Münzenrieder künftige Aufgaben sieht
Herr Münzenrieder, Sie sind Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Schwaben. In diesen Corona-Zeiten will man als Erstes wissen: Wie ist die Lage in den 25 AWO-Altenheimen?
Heinz Münzenrieder: Nach jetzigem Stand sind 38 Menschen in Zusammenhang mit Corona gestorben. Am schlimmsten war der Ausbruch im Frühjahr vergangenen Jahres, als in unserem Haus in Aichach 17 Menschen gestorben sind. Seitdem gibt es Gott sei Dank keinen so großen Ausbruch mehr, es sind Einzelfälle. Das stimmt uns etwas zuversichtlicher, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen. Es gibt nun aber gerade vor dem Hintergrund dieser Ausbrüche in Altenheimen auch Überlegungen grundsätzlicher Art.
Was meinen Sie?
Münzenrieder: Es gibt Überlegungen, künftig einen festen Arzt für vielleicht drei Altenheime einzustellen. Dies würde die medizinische Versorgung verbessern, schließlich sind unsere Heime immer mehr zu Kliniken geworden, in denen hochbetagte, nicht selten schwer kranke Menschen leben, die eine intensive ärztliche Betreuung brauchen. Bisher muss viel zu oft der Notarzt kommen. Das ist auch volks- und betriebswirtschaftlich gesehen viel kostspieliger, als wenn ein Arzt vor Ort zuständig ist, der die Bewohner kennt und für sie da ist.
Sie sind jetzt seit 35 Jahren Vorsitzender der AWO Schwaben und geben diese Position am Samstag ab. Viele Menschen verbinden mit der AWO vor allem Altenheime …
Münzenrieder: Zunächst waren wir auch mit die Ersten, die Altenheime gebaut haben – das erste schwäbische AWO-Heim entstand in den 50er Jahren in Gersthofen. Viele unserer Häuser sind inzwischen schon wieder komplett neu gebaut oder saniert worden. Was ich in diesem Zusammenhang für sehr wichtig halte: Altenheime gehören ins Zentrum und nicht an den Rand von Städten und Ortschaften. Architektonisch gesehen haben sie zum Glück längst eher Hotelcharakter angenommen. Noch werden sie aber zu oft versteckt. Alle sozialen Einrichtungen gehören in die Hauptstraße und nicht in den Hinterhof. Auch als Wohlfahrtsverband müssen wir gut sichtbar in der Mitte einer Stadt, einer Ortschaft sein.
Wo sehen Sie denn die künftigen Aufgaben der AWO?
Münzenrieder: Die Zahl der Älteren wird in unserer Gesellschaft rasant weiterwachsen. Und vor diesem Hintergrund muss die Pflegeversicherung auf neue finanzielle Beine gestellt werden. Dazu gibt es keine Alternative. Dafür müssen wir uns als AWO auch zusammen mit den anderen Wohlfahrtsverbänden starkmachen. Denn das Älterwerden ist ja an sich eine sehr gute Sache. Aber es steigen eben auch die Kosten für eine gute Versorgung immens und es kann nicht sein, dass man hier stillschweigend davon ausgeht, dass ein Heer von Ehrenamtlichen im Grunde staatliche Aufgaben übernimmt. Das ist im Übrigen typisch für unsere Gesellschaft: Alles, was läuft, wird abgehakt und keinen interessiert es mehr, dass so vieles, was heute als selbstverständlich angenommen wird, hart erkämpft wurde – vor allem auch von uns Wohlfahrtsverbänden.
Wo sehen Sie denn die größten Erfolge der AWO Schwaben? Münzenrieder: Das beginnt bei den Kinderkrippen und Horten: Die AWO hat in den 50er Jahren die ersten sogenannten Fabrikkindergärten, also Krippen und Horte, gegründet. Sie entstanden meist in der Nähe von Fabriken wie beispielsweise bei Hoechst oder Ackermann, damit die Kinder der Arbeiter gut betreut waren und auch ein Mittagessen bekamen. Auch die Betriebsräte und die SPD haben damals dafür kräftig Dampf gemacht. Das fanden aber bei weitem nicht alle gut damals: Ich habe den Brief heute noch, in dem mir geschrieben wurde, ich solle doch in die „Ostzone“gehen, wenn ich Horte befürworte. Hart umkämpft war aber im Übrigen auch das erste Frauenhaus, das wir in den 80er Jahren aufgebaut haben.
Auch so ein Reizthema?
Münzenrieder: Das kann man wohl sagen, selbst im Augsburger Stadtrat gab es damals heftige Diskussionen, ob man so etwas wirklich braucht. Es war damals ein Kreis von engagierten Frauen, die sich für ein Frauenhaus einsetzten, die allerdings jemanden suchten, der dies auf den Weg brachte. Dass wir das übernahmen, hat selbst in den Reihen der AWO nicht alle begeistert. Auch die erste Aids-Beratungsstelle in Schwaben hat die AWO initiiert. Zu einer Zeit wohlgemerkt, als Aids viele noch als „Schwulenseuche“einfach abtaten.
Wann fühlt sich die AWO zuständig? Münzenrieder: Wir haben immer gerne ein Projekt aufgegriffen, wenn wir gesehen haben: Hier fehlt etwas. Das war ja bei den Krippen und Horten damals auch schon so. Die AWO hat ihr Ohr ganz nah bei den Menschen. Das war immer so und das muss auch künftig so bleiben. Die AWO gibt Menschen überdies auch eine politische Stimme, die dazu allein nicht in der Lage wären. Das sehe ich im Übrigen auch als künftige Aufgabe: Die AWO ist als Wohlfahrtsverband bei der Entwicklung der Sozialpolitik gefragt. Hier kommt uns zugute, dass wir Wohlfahrtsverbände heute viel enger zusammenarbeiten, um Entwicklungen gemeinsam zu verbessern, früher sah man sich oft zu stark als Konkurrenten.
Was machen Sie denn selbst, wenn Sie nicht mehr Vorsitzender sind? Münzenrieder: Ich bleibe Vorsitzender des Bildungswerks der AWO. Bildung muss in unserem sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsverband ein zentrales Anliegen sein. Vor allem müssen wir uns noch stärker mit den rechtsextremen Auswüchsen in unserer Gesellschaft auseinandersetzen und hier verstärkt aufklären. Denn ich sage immer: Hitler ist nicht an die Macht gekommen, weil er so stark war, sondern weil die Demokraten so schwach waren.
Dann bleiben Sie der AWO ja verbunden. Fällt Ihnen die Abgabe Ihres Chefpostens schwer?
Münzenrieder: Leicht ist so ein Schritt nicht, es waren für mich sehr erfüllende, ja identitätsbestimmende Jahre. Ich bin ja mit der AWO praktisch aufgewachsen, mein Vater war schon Kassier bei der AWO Göggingen und ich schon als Bub oft im Einsatz. Außerdem ist die Arbeit bei der AWO genau das, was mir immer das größte Herzensanliegen war: Ich wollte nie in die große Politik, sondern vor Ort, in der Region, wo mich auch immer die Geschichte sehr interessiert hat, etwas Positives bewegen. Etwas zu gestalten, das ist es, was mir Spaß macht.
Sie wollten schon als Kind zur AWO? Münzenrieder: Ich habe schon in jungen Jahren gesehen, dass man in der AWO viel bewegen kann. Nehmen Sie als Beispiel nur das damals wohl größte Kindersozialwerk Schwabens, die AWO-Sommerferien-Kindererholung. In den 70er Jahren konnten bis zu 3000 Kinder aus Schwaben einen meist dreiwöchigen Urlaub auf Bauernhöfen im Pustertal in Südtirol verbringen. Das Örtchen Spinges bei Mühlbach wurde sogar als „Schwabenkinderdorf“bezeichnet. Die AWO Schwaben hatte dort damals ein eigenes Büro.
Ein Urlaub für ärmere Kinder? Münzenrieder: Ja, es waren Kinder aus Familien, in denen man sich Urlaub nicht leisten konnte. Bis in die 90er Jahre hinein gab es diese Ferienmöglichkeit. Einmal war ich sogar selbst bei der Kindererholung dabei – allerdings unter Aufsicht meines Vaters, der ja zu den Organisatoren dieser Urlaube zählte. Das wurde meine schlimmste Kindererholung – aber die eigenen Väter waren ansonsten ja nie dabei. Trotz allem habe ich schon damals gespürt: Das hier ist eine tolle Sache.
● Heinz Münzenrieder, 77, ist ge lernter Fernmeldehandwerker. Der Augsburger holte das Abitur nach, studierte Jura und promovierte. Der zweifache Vater war lange im hö heren Verwaltungsdienst der Stadt Augsburg, zuletzt als Stadtdirektor, und steht seit 35 Jahren an der Spitze der AWO in Schwaben.
Augsburg Es lief nicht gut die vergangenen Jahre im Leben von Peter Z.: Bandscheibenvorfall, chronische Erkrankungen und Nervenschädigungen hatten bei ihm Dauerschmerzen zur Folge. Deswegen kann er seit zehn Jahren nicht mehr arbeiten. Der 52-Jährige lebt äußerst sparsam von einer Minirente. Vor Corona hat er sich noch mit einem Minijob ein paar Euro dazuverdienen können. Das fällt seit Monaten weg.
Vor drei Jahren verlor er seine Wohnung, weil er die Miete nicht mehr aufbringen konnte. Er musste in eine Notunterkunft umziehen.
Sein Zustand hat sich unterdessen immer mehr verschlechtert. Ohne Rollator kann er sich nicht mehr fortbewegen.
Kürzlich hat es dann aber doch mit einer kleinen eigenen Wohnung geklappt. Allerdings war der Herd defekt. Die Kartei der Not hat Peter Z. geholfen. Jetzt kann er wieder selbst kochen und backen.
OMöchten auch Sie Menschen aus der Region unterstützen? Das sind die Spendenkonten der Kartei der Not:
● Kreissparkasse Augsburg
IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AUG
● Stadtsparkasse Augsburg
IBAN: DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XXX
● Sparkasse Allgäu
IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1ALG
● SpardaBank Augsburg
IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S03
»www.karteidernot.de