„Unter meiner Maske kamen mir die Tränen“
Seit dem Ausbruch der Pandemie fühle ich mich unvollständig.
Ich bin Tänzer, tanze, seit ich sechs Jahre alt bin. Jetzt bin ich 23 Jahre alt, arbeite seit fünf Jahren als professioneller Tänzer, bin seit drei Jahren ein Teil der Augsburger Ballett-Compagnie. Ich muss sagen: Mir fehlt das Publikum, mir fehlt der Applaus, mir fehlen die Auftritte, die Proben mit den Kollegen, das Theater. Es sind einige Produktionen wegen der Pandemie ausgefallen, dafür gab es aber auch Ersatz, im Sommer Open-Air. Als wir im November die „Winterreise“als Stream gezeigt haben, ich mich vor Kameras verbeugt habe, kamen mir unter meiner Maske die Tränen. Ohne Publikum ist es nicht dasselbe. Zuallererst tanze ich für mich, dann natürlich auch für die Zuschauer. Ich trainiere acht Stunden am Tag, auch weil ich weiß, dass es das Publikum gibt. Zwei Mal die Woche sind wir aufgetreten. In Augsburg hatten wir so einen großen Erfolg die letzten Jahre, fast alle unsere Vorstellungen waren ausverkauft. Jetzt ist da eine Trauer. Ich fühle mich allein, das Leben fühlt sich an, als ob es nicht mehr meines sei, sondern ein anderes. Selbstverständlich ist mir klar, dass das besondere, andere Zeiten sind. Wir können niemanden verantwortlich für die Pandemie machen, wir können nur hoffen, dass es danach wieder eine bessere Zukunft gibt. Als Tänzer ist es schmerzhaft, ein ganzes Jahr zu verlieren. Wie lang dauert eine Karriere? Bis Ende 30, wenn alles gut geht. Da wiegt ein Jahr schwer. Ich bin noch jung, ich habe noch viele Jahre als Tänzer vor mir, ich kann das verkraften. Mein Traum ist, wieder auf der Bühne zu stehen, die Hitze der Scheinwerfer zu spüren und die Energie des Publikums.