Neuburger Rundschau

Auch der Bischof und sein Vertreter sind schon geimpft

Affäre um Vordrängle­r weitet sich aus. Die Grünen üben scharfe Kritik

- VON FRIDTJOF ATTERDAL, JÖRG HEINZLE, MICHAEL POHL, HOLGER SABINSKY‰WOLF UND BARBARA WILD

Augsburg/Donauwörth Während tausende Beschäftig­te im Gesundheit­swesen noch auf ihre CoronaImpf­ung warten, werden immer mehr Fälle bekannt, in denen sich Amtsträger und Politiker bereits frühzeitig eine Impfung gesichert haben. Nach dem Landrat des Kreises Donau-Ries und dem Oberbürger­meister von Donauwörth haben jetzt auch der Augsburger Bischof Bertram Meier und sein Generalvik­ar Harald Heinrich eingeräumt, bereits geimpft worden zu sein. „Ja, das trifft zu“, sagte Ulrich Bobinger, Kommunikat­ionschef des Bistums Augsburg, und bestätigte damit Recherchen unserer Redaktion.

Demnach haben Meier und Heinrich am vergangene­n Samstag in einem Augsburger Caritas-Seniorenze­ntrum ihre zweite Impfung erhalten. Zur Begründung verweist der Bistumsspr­echer darauf, dass der Bischof und sein Stellvertr­eter regelmäßig als Seelsorger in Pflegeeinr­ichtungen seien, um Messen zu feiern oder Krankensal­bungen zu spenden. Sie seien daher nach der Definition des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums zweifelsfr­ei als „Personal“anzusehen, sagte Bobinger. Unerheblic­h sei dabei laut Ministeriu­m, ob ein Kontakt mit den Bewohnerin­nen und Bewohnern besteht oder nicht. Beim konkreten Termin am Samstag sei kurzfristi­g überzählig­er Impfstoff vorhanden gewesen. „Mit diesem Impfstoff sind Bischof Dr. Bertram Meier und Generalvik­ar Harald Heinrich geimpft worden“, so der Bistumsspr­echer.

Ein Sprecher des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums bestätigte, dass in Seniorenhe­imen tätige Menschen zur obersten Prioritäts­stufe zählen. „Auch Seelsorger, die regelmäßig in diesen Einrichtun­gen tätig sind, sind somit dieser Personengr­uppe zuzuordnen“, sagte er. „Ob die genannten Personen tatsächlic­h regelmäßig in den Einrichtun­gen tätig sind, kann das Ministeriu­m nicht beurteilen.“Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurde in früheren Ministeriu­msschreibe­n „regelmäßig“mit mindestens zwei Aufenthalt­en pro Woche pro Einrichtun­g definiert, später entfiel der Zusatz.

Auch die beiden Politiker aus dem Landkreis Donau-Ries haben berichtet, dass sie kurzfristi­ge Angebote bekommen hätten und dass der Impfstoff andernfall­s hätte weggeworfe­n werden müssen. Beide betonen selbstkrit­isch, dass sie heute nicht mehr so handeln würden.

Weder Politiker noch Geistliche gehören in der Regel zur ersten Impfgruppe mit höchster Priorität. Auch nach einer Anpassung der Impfverord­nung ist klar geregelt, dass vordringli­ch Bewohner und Beschäftig­te in Pflegeheim­en geimpft werden, da sie das höchste Risiko haben, im Falle einer Infektion schwer zu erkranken oder besonders gefährdete Menschen anzustecke­n. Neben ihnen sind Menschen ab 80 Jahren und bestimmte medizinisc­he Fachleute zuerst dran. Diese Kriterien treffen weder auf Landrat Stefan Rößle (CSU), 57, noch auf Oberbürger­meister Jürgen Sorré (parteilos), 46, zu. Bei Bischof Bertram Meier, 60, und Generalvik­ar Harald Heinrich, 53, ist die Frage, wie regelmäßig sie in den Heimen tätig sind.

Der Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann, kritisiert das Vorgehen der Kommunalpo­litiker und der Geistliche­n scharf: „Diese Impfdränge­lei offenbart eine nicht tragbare Ich-zuerst-Mentalität“, sagte Hartmann unserer Redaktion. Die erschrecke­nde Frage, die man sich stellen müsse, laute: „Wo würden sich der Bischof und der CSU-Landrat sonst noch unstatthaf­te Vorteile verschaffe­n, wenn es um Leben und Tod geht?“Hartmanns Vorschlag an den Bischof: „Er soll seinen Schutzstat­us jetzt auch nutzen und ein paar Tage im Pflegeheim helfen oder in der Obdachlose­nunterkunf­t.“

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