Ein Platz an der Sonne
Warum die Briten auf einmal über die EU jubeln
Es ist ja viel von positivem Denken die Rede in diesen Zeiten. Die Krise als Chance. Das Gute im Schlechten sehen. Probleme als dornige Chancen. Sie wissen schon. Doch während wir über den diesmal auch noch besonders harten CoronaWinter fluchen, nehmen sich die Briten die Kalendersprüche zu Herzen – nicht alles ist schlecht an dieser Pandemie. Zumindest aus Sicht der Insulaner. „No German towels in sight“– keine deutschen Handtücher in Sicht, jubelt die Zeitung The Telegraph.
Der Hintergrund des ungewöhnlichen Freudenschreis: Während Deutschland beim Impffortschritt nur im Schneckentempo vorankommt, könnten in Großbritannien bis zum 15. Februar schon 16 Millionen Menschen ihre erste Impfdosis erhalten haben. Die logische Schlussfolgerung: Britische Touristen könnten die Strände im Sommer endlich für sich allein haben. Kein Kampf um die Pool-Position. Kein Aufstehen um halb fünf, um die besten Liegen zu besetzen. Kein Reviermarkieren. Bekam nicht das Wort „Morgengrauen“während des Mallorca-Urlaubs immer einen sehr doppeldeutigen Klang?
Selten haben die Engländer lautere Jubel-Arie auf die Europäische
Union gesungen, der sie diesen Vorsprung ja indirekt zu verdanken haben. Der Platz an der Sonne ist ihnen sicher – zumindest nach heutigem Stand. Denn wenn uns dieses Virus eines gelehrt hat, dann, dass es unberechenbar ist und sich niemand in Sicherheit wiegen sollte. Wer Sieger wird im Badetuch-Krieg der Briten gegen die Teutonen, das wird sich noch zeigen. Liebe Briten: So früh werden wir das Handtuch nicht werfen! Und überhaupt: Wäre es nicht schade um diese völkerübergreifende Tradition des Wahnsinns?