Neuburger Rundschau

Ein Schuss Misstrauen

Die Angst vor dem Missbrauch der Milliarden­hilfen aus Brüssel

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Abgesehen von der Frage um Impfstoffl­ieferungen beschäftig­t die EU-Regierunge­n derzeit noch ein zentrales Thema im Kampf gegen die Pandemie: Wann fließen die Gelder aus dem Aufbaufond­s? Ab Juli können die Mitgliedst­aaten über die gut 672 Milliarden Euro verfügen – 360 Milliarden werden als Darlehen vergeben, etwas mehr als 312 Milliarden Euro als nicht rückzahlba­re Zuwendunge­n. Die übrigen Gelder aus dem mit 750 Milliarden Euro gefüllten Fördertopf werden für Zusatzprog­ramme der Union genutzt. Bereits die Bonds im Rahmen des EU-Kurzarbeit­ergeldprog­ramms „Sure“über 100 Milliarden Euro seien um das 16-Fache überzeichn­et gewesen.

Das scheinen gute Nachrichte­n für die von der Krise schwer angeschlag­enen Mitgliedst­aaten. Aber nicht nur im Europäisch­en Parlament, sondern auch unter Brüsseler

Beobachter­n gibt es eine große Sorge: Kommt das Geld auch wirklich an? „Die Mitgliedst­aaten wollten von Anfang an ein Konto, von dem sie ungestört Geld abheben können, ohne dass sie sich an lästige Vorgaben aus Brüssel halten müssen“, beschreibt der CSU-Finanzpoli­tiker Markus Ferber die Situation. Bei den Vorarbeite­n wurden deshalb Bedingunge­n gesetzt: Kein Euro aus dem Aufbaufond­s darf in die Finanzieru­ng laufender Ausgaben fließen. Die den einzelnen Mitgliedst­aaten zustehende­n Anteile werden auch nicht auf einen Schlag überwiesen.

Angelika Niebler, Chefin der CSU-Gruppe im EU-Parlament, erklärt: „Die Mitgliedst­aaten stimmen ihre Reformplän­e mit der Kommission ab. Dabei werden Zwischenzi­ele

festgelegt. Die Finanzmitt­el werden in Raten ausgezahlt. Wurde ein Zwischenzi­el nicht erreicht, kann die nächste Tranche ausgesetzt werden.“Bis Ende April müssen die EU-Regierunge­n ihre Pläne vorlegen, mit welchen Projekten sie durch die Wirtschaft­skrise kommen wollen. Rund 37 Prozent der Gelder müssen nachhaltig eingesetzt werden. Doch obwohl die Zeit läuft, waren bisher erst vier Mitgliedst­aaten in der Lage, ihre Pläne einzureich­en – Deutschlan­d ist nicht dabei. In Italien stolperte die bisherige Regierung über die Frage, wie viel Geld man wofür ausgeben sollte. Italien stehen 209 Milliarden zu.

Wie gering das Vertrauen der EU-Institutio­nen in die Mitgliedst­aaten ist, zeigt ein anderer Fakt: Die EU-Kommission holte für den Start die Antibetrug­sbehörde Olaf mit ins Boot und die künftige Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft. Sogar die Polizeizen­trale Europol ist eingebunde­n.

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Markus Ferber

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