Neuburger Rundschau

Filmreife Flucht aus Stadelheim

Ein Häftling entkommt aus Bayerns bekanntest­em Gefängnis. Sein Ausbruch ist krimitaugl­ich – so wie das Verbrechen, für das der mutmaßlich­e „Porsche-Mörder“sitzt

- VON MICHAEL BÖHM

München Könnten die dicken Wände der Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim sprechen, sie hätten viel zu erzählen. Allein die Auflistung der Namen der Prominente­n, die in Bayerns berühmtest­em Knast schon einsaßen, liest sich wie so manche Klatschspa­lte. Von Liedermach­er Konstantin Wecker über Audi-Chef Rupert Stadler bis hin zum einstigen Präsidente­n des TSV 1860 München Karl-Heinz Wildmoser oder den Mördern von Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer. Spätestens hier wird deutlich: Anders als in den Klatschspa­lten geht es hinter den Mauern von Stadelheim nicht um das luftig-leichte Leben der Promis, sondern in erster Linie um Kriminelle, die hier untergebra­cht sind.

Und trotzdem: Klatsch, Tratsch und die ein oder andere Kuriosität gibt es auch aus dem Knast zu erzählen. Dass zum 125. Geburtstag der JVA Stadelheim beispielsw­eise ein Frauenmörd­er für die musikalisc­he Umrahmung zuständig war. Oder dass sich ein einsitzend­er Bordellkön­ig schon mal das Essen von Sterne-Koch Alfons Schuhbeck in die Zelle liefern ließ. Am Dienstag wurde nun ein weiteres Kapitel der „Stadelheim­er G’schichtn“geschriebe­n. Der „Autor“ist ein Verdächtig­er in einem Münchner Mordfall, in den Gazetten auch der „Porsche-Mörder“genannt. Wegen Kokaingesc­häften und Schulden in vierstelli­ger Höhe soll er im März des vergangene­n Jahres einen 25-Jährigen in dessen Sportwagen erschossen haben – eine Passantin fand die Leiche später auf dem Fahrersitz des in der Nähe der Versöhnung­skirche abgestellt­en Autos.

Der Barkeeper sitzt deswegen seit Juni in Stadelheim in Untersuchu­ngshaft. Das sollte er jedenfalls tun – genehmigte sich am Dienstag aber eine Auszeit vom Alltag hinter den Gefängnism­auern und legte eine filmreife Flucht hin. Wie das Justizmini­sterium bestätigte, gelang es dem 24-Jährigen, „in einem Lieferwage­n versteckt aus der Anstalt zu entweichen“. Die genaueren Umstände würden „mit Hochdruck aufgearbei­tet“.

Fest steht, dass der mutmaßlich­e Mörder seine durch Entweichen erlangte Freiheit nicht lange genießen konnte. Schon kurz nach seinem Ausbruch und einer Großfahndu­ng der Polizei sei er wieder festgenomm­en worden, sagte ein Sprecher des Polizeiprä­sidiums. „In welcher JVA der Untersuchu­ngsgefange­ne künftig einsitzen wird, steht derzeit noch nicht fest“, hieß es daraufhin aus dem Justizmini­sterium. Vor seiner Zeit in Stadelheim hatte der 24-Jährige bereits die Justizvoll­zugsanstal­t Augsburg-Gablingen von innen kennengele­rnt. Dem Mann droht bei einem Nachweis seiner Schuld eine lebenslang­e Freiheitss­trafe.

Ausbrüche aus Gefängniss­en in Bayern sind nach Angaben des Justizmini­steriums „die absolute Ausnahme“– und seit vielen Jahren trotz gestiegene­r Gefangenen­zahlen rückläufig. Im Jahr 2018 und 2020 kam es den Angaben zufolge zu keinem Ausbruch, im Jahr 2019 zu zweien. Ausbruchve­rsuche werden zwar nicht statistisc­h erfasst. In der JVA Stadelheim gab es laut Ministeriu­m den letzten Ausbruchsv­ersuch am 16. Oktober 2017.

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Foto: Balk, dpa Da half auch der Wachturm nichts: Der Häftling floh in einem Lieferwage­n aus der JVA Stadelheim.

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