Die „Boss Bitch“und der PornoFeminismus
Die Deutsch-Rapperin Katja Krasavice steht wieder an der Spitze der Charts. Ein zweischneidiges Phänomen
Ob die Album-Charts noch relevante Größen ermitteln, daran kann man nicht erst seit dieser Woche zweifeln, in der erstmals in ihrer Geschichte die gesamten Top Ten von Neueinsteigern besetzt sind. Dass die neue Nummer eins aber von einem Phänomen kündet, ist kaum zu bestreiten: Katja Krasavice.
Die nämlich sammelt millionenfach Klicks im Netz, war bei „Promi Big Brother“im TV, hatte mit der „Bitch Bibel“einen Sachbuch-Bestseller und stand auch mit ihrem Debüt an der Spitze: „Boss Bitch“.
Und jetzt, mit 24, „Eure Mami“. Wieso auch nicht, wo doch die Männer des Deutsch-Rap seit Jahren in Serie den Hitparaden-Thron besetzen und Typen wie Kollegah mit ihren Lebensweisheiten („Das ist Alpha“) mächtig Auflage machten. Wie die Gangsta, so die Bitch eben.
Dass es Frauen mit weit größerem Talent im Deutsch-Rap gibt, Ebow etwa oder Hayiti – geschenkt! Als wäre Erfolg je Abbild von Qualität. Interessant wird die Sache erst, weil diese Katja, die eigentlich Vogelová hieß, als sie im tschechischen Teplice geboren wurde und mit ihrer Mutter nach Leipzig zog, sich dann aber Krasavice nannte, weil das schöner klingt und so was wie „schöne Frau“bedeutet, nun als Feministin gehandelt wird. Weil sie einfach macht, was sie will, und damit Mädchen Selbstbewusstsein vermittelt. Entspricht es noch sehr den Rollenklischees des Genres. Zumeist der Barbiepuppen-Pornopose wie etwa im hochglanzproduzierten Video zur neuen Single „Million Dollar A$$“(mit Rapper Fler). Denn haben es zuletzt in den USA Cardi B und Megan Thee Stallion mit ihrem sexpositiven Tophit „WAP“nicht ebenso gemacht?
Die Methode Krasavice jedenfalls zeigte sich früh. Als sie sich mit 18 auf Youtube praktisch unbekleidet in Kätzchenposen präsentierte. Weil sie, die in der Schule schon für ihr Auftreten gemobbt wurde, wusste sie, dass sie so Häme und Hass auf sich ziehen würde – und bekannt! Hat funktioniert. Primär ein Star der Primärreize, so was bringt Respekt in der Szene. Und dann eine Figur, die öffentlich über Privates spricht. Feminismus, der doch von Aufgeklärtheit, nicht nur von Cleverness zeugt, wird daraus aber erst in zweiter Instanz: der Spiegelung der Markt- und Identifikationsmechanismen in ihrer Geschichte.