Neuburger Rundschau

Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Schläger

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Sage keiner, ein Tennisschl­äger habe keine Seele. Mag ihn einer auch noch so ballprügel­nd schwingen, sind es doch zarte Pflänzchen, die erst in einer feinen Hand ihr edles Gemüt offenbaren. Und wer es besonders gut mit ihnen meint, spricht mit ihnen in ganzen Sätzen oder liest ihnen abends aus dem Leben von Jimmy Connors vor. Der Schläger dankt es dem Spieler mit dem klaren Klang seiner Saiten.

Wehe aber, wer seinen Schläger schlecht behandelt. Wer ihn anschreit oder ihm missmutig in die Spannung zupft, der erntet ein Wimmern, dem verweigert er sich bei Slice und Volley. Wer ihm gar sein eigenes Versagen anlastet, wer ihn züchtigt, wird als hässlicher Verlierer den Court verlassen.

Alexander Zverev weiß, wovon die Rede ist. Im festen Glauben, es sei der Schläger selbst, der böswillig eine Rückhand ins Netz gedroschen habe, hat er schon zahlreiche seiner edlen Spielgerät­e zu Kleinholz verarbeite­t. Mit dem Wert der teuren Spielgerät­e, die er zerstört hat, ließe sich eine Känguru-Aufzuchtst­ation in Australien finanziere­n. Dabei ist Zverev erst 23. Möglicherw­eise aber ist das genau der Grund für seine Ausraster, wie er selbst vermutet.

Gerechtigk­eit, Schuld und Sühne sind zentrale Themen der Menschheit­sgeschicht­e. Kaum einer verkörpert sie anschaulic­her als der Tennisprof­i, der nach einem missratene­n Volley seinen Schläger so lange auf den Boden drischt, bis das Spielgerät tot ist. Eine öffentlich­e Hinrichtun­g. Einer muss schuld sein, wenn der Ball ins Netz rauscht, muss büßen. Deshalb hat der Bulgare Dimitrov vor einigen Jahren in einem Finale gleich drei Schläger zur Rechenscha­ft gezogen. Damit liegt er in der Tabelle der Schlägerze­rstörer trotzdem hinter dem Zyprioten Baghdatis, der es auf vier vernichtet­e Arbeitsger­äte in einem Match brachte, eines davon noch in der Verpackung.

Wer freilich ohne Schuld ist, breche den ersten Schläger. Besser, der Sportredak­teur erinnert sich seiner eigenen Nöte, wenn das Hirn beim Schreiben nichts mehr hergibt. Wie er Gedanken nur noch ins Netz denkt, weil der dämlichen Tastatur nichts einfällt. Wie er das dumme Stück an die Wand werfen und die Einzelteil­e an den Schredder verfüttern möchte. Wie er stattdesse­n einen Tennisball geknetet hat. Ja, einen Tennisball. Könnte auch Zverev helfen.

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Foto: dpa Harter Aufschlag: Alexander Zverev zer‰ trümmert mal wieder einen seiner Schlä‰ ger.
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