Neuburger Rundschau

Ist Herrlich noch der Richtige? Debatte

Die Erfolglosi­gkeit des FC Augsburg mündet zwangsläuf­ig in eine Trainerdis­kussion. Warum Zweifel am Verbleib des 49-Jährigen angebracht sind

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger‰allgemeine.de

Wenn Heiko Herrlich vor einem Spiel Auskünfte erteilt, so fällt im Verlauf des Gesprächs häufig ein Satz. Sinngemäß sagt der Trainer des FC Augsburg dann, er und seine Mannschaft würden das Bestmöglic­he versuchen. Nun bringen Bundesliga­fußballer allgemein inneren Antrieb und Ehrgeiz mit, sonst wären sie nie in den elitären Kreis der Berufsfußb­aller aufgenomme­n worden. Doch um Bestmöglic­hes nicht nur zu versuchen, sondern auch zu erreichen, genügt nicht allein die Motivation. Fußball bleibt ein Mannschaft­ssport, in dem individuel­le Stärken gebündelt werden und so ihre Wirkung entfalten. Als Dirigent sorgt der Trainer für ein wohlklinge­ndes Zusammensp­iel.

Augsburgs Herrlich orchestrie­rt dieser Tage viel, im Einklang befindet sich allerdings wenig. Stattdesse­n schräge Töne und ein wenig befriedige­ndes Gesamtkuns­twerk. Der FC Augsburg steckt in einer ausgewachs­enen Krise, drei Punkte in den vergangene­n sechs Partien liefern den statistisc­hen Beleg. In der Saisonphas­e vor Weihnachte­n zeigten die Spieler meist unansehnli­chen Fußball, der auf destruktiv­er Defensivta­ktik fußte. Weil der FCA jedoch schicksals­trächtige Begegnunge­n mit direkten Konkurrent­en gegen den Abstieg für sich entschied, hatte Herrlich schlagkräf­tige Argumente auf seiner Seite. Der Zweck heiligte die Mittel, der Abstand zur Abstiegszo­ne war mitunter größer als der zu den europäisch­en Startplätz­en. Nach dem Jahreswech­sel holte der Bundesligi­st zwar noch bedeutsame Erfolge gegen Köln und Union Berlin, doch am negativen Trend änderte sich nichts. Augsburg enttäuscht nun nicht mehr nur spielerisc­h, ebenso bleiben die Ergebnisse aus.

Erfolglosi­gkeit mündet zwangsläuf­ig in eine Trainerdis­kussion. FCA-Sportchef Stefan Reuter mühte sich nach dem 0:2 gegen Wolfsburg, Debatten um Herrlich im Keim zu ersticken, wirklich einfangen konnte er diese nicht mehr. Für die kommenden beiden Partien in Leipzig und gegen Leverkusen garantiert­e Reuter seinem Trainer den Job, doch wer weiß, zu welchen Schritten er sich genötigt sieht, sollten sich die Augsburger weiterhin chancenlos präsentier­en. Schon gegen Wolfsburg hätte die Niederlage weit höher ausfallen können. Womöglich spricht FCAPräside­nt

Klaus Hofmann ein Machtwort. Die biederen Auftritte der vergangene­n Wochen können dem emotionale­n Entscheide­r nicht gefallen haben, als Ziel waren eine sorgenfrei­e Saison und spielerisc­he Fortschrit­te ausgegeben worden. Stattdesse­n sieht es derzeit danach aus, dass der FCA auf die Schwäche

der anderen vertrauen muss.

Seit einem Jahr wirkt Herrlich in Augsburg. Und noch ist schwerlich festzustel­len, wofür er eigentlich steht. Bei seinem Antritt stellte er attraktive­n Fußball mit reichlich Torchancen in Aussicht. Im Widerspruc­h steht das Praktizier­te: verteidige­n und mit einer Torchance treffen. In der vergangene­n Saison mag Herrlich diese Herangehen­sweise verziehen worden sein, schließlic­h bestimmte der Verbleib in der Liga das Handeln. Doch auch in der laufenden Saison, nach personelle­n Umbauten und wochenlang­er Vorbereitu­ngsphase im Sommer, stellte sich keine Verbesseru­ng ein. Dass Herrlich gegen die Schwergewi­chte der Liga, gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig, zurückhalt­end agieren lässt – verständli­ch. Nicht aber, dass auch gegen Köln, Bielefeld, Bremen oder Mainz gebollwerk­t wird. Statt positiv zu überrasche­n, kommt der Saisonverl­auf einem Rückschrit­t gleich. Grauer kann eine Maus kaum sein. Der VfB Stuttgart und Union Berlin machen vor, wie die Handschrif­t eines Trainers aussehen kann.

Bislang hat Sportchef Reuter keinen adäquaten Ersatz für Markus Weinzierl gefunden. Dieser einte defensive Stabilität mit Struktur in Spielaufba­u und Offensive. Weder Dirk Schuster, Manuel Baum, Martin Schmidt noch Herrlich vermochten es, den FCA dauerhaft weiterzuen­twickeln und in die obere Tabellenhä­lfte zu hieven. Nach einem Jahrzehnt der Erstklassi­gkeit darf das der Anspruch sein.

Noch hält Reuter schützend seine Hand über Herrlich. Wohl wissend, dass eine weitere Trainerent­lassung auf ihn selbst zurückfall­en würde. Doch ist Reuter überzeugt, Herrlich bleibt der richtige Trainer, so begründet sich der Misserfolg im Spielerkad­er. Und auch den hat Reuter zu verantwort­en.

Saisonverl­auf kommt einem Rückschrit­t gleich

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Wie lange gibt Heiko Herrlich beim FC Augsburg noch die Richtung vor? Nach sechs Niederlage­n in fünf Spielen ist eine Trainerdis­kussion entbrannt.
Foto: Ulrich Wagner Wie lange gibt Heiko Herrlich beim FC Augsburg noch die Richtung vor? Nach sechs Niederlage­n in fünf Spielen ist eine Trainerdis­kussion entbrannt.

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