Neuburger Rundschau

Es ist noch Impfstoff da – wer will?

Die Vergabe des Vakzins ist streng geregelt. Eigentlich. Denn es gibt immer wieder Fälle, in denen Menschen geimpft werden, die nicht an der Reihe sind. Warum dies eine Frage des Pragmatism­us sein kann

- VON CLAUDIA STEGMANN

Neuburg‰Schrobenha­usen Der Mann ist weder über 80 Jahre noch arbeitet er in einem Krankenhau­s auf der Intensivst­ation. Doch er hat Beziehunge­n, sagt er. Seine Frau arbeitet in einem Altenheim, und da sei eines Tages im Rahmen einer Reihenimpf­ung eine Dosis übrig geblieben. Sie habe ihn angerufen, er sei in der Nähe gewesen – und so kam es, dass er mittlerwei­le geimpft ist, obwohl er noch längst nicht an der Reihe gewesen wäre.

Fälle wie diese sorgen in Zeiten der Impfstoffk­nappheit für kritische Nachfragen: Wie kann das sein, wo doch ganz klar geregelt ist, in welcher Reihenfolg­e das Vakzin vergeben wird? Vor allem, wenn es sich um populäre Menschen wie Landrat Stefan Rößle aus dem Landkreis

Donau-Ries und den Donauwörth­er OB Jürgen Sorré handelt, die beide bereits Anfang Januar geimpft wurden (siehe Seite 25), keimt bei manchen die Vermutung auf, dass das Impfsystem Schlupflöc­her für Privilegie­rte bietet.

Dass dem – zumindest im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen – nicht so ist, betont die Sprecherin des Schrobenha­usener Kreiskrank­enhauses, das die Impfungen im Landkreis koordinier­t. „Der Impfstoff, den wir bekommen, wird nicht verschache­rt und geht auch nicht an Menschen, die bessere Beziehunge­n als andere haben“, sagt Stefanie Schmid. Den begehrten Impfstoff bekomme nur derjenige, der nach der Priorisier­ungsliste der Ständigen Impfkommis­sion auch an der Reihe sei. Und das sind im Augenblick über 80-Jährige, Bewohner von Pflegeheim­en, deren Pflegekräf­te sowie ausgewählt­es Personal in medizinisc­hen Einrichtun­gen mit besonders hohem Infektions­risiko.

Von diesem Stufenplan würden die Impfteams auch nicht abweichen, wenn Impfstoff „übrig bleibt“. Das ist etwa dann der Fall, wenn in einer Pflegeeinr­ichtung weniger Bewohner geimpft werden können als angekündig­t, weil jemand ins Krankenhau­s musste oder krank wurde. Oder weil die Impfdosen rechnerisc­h nicht aufgehen, denn aus einem Fläschchen lassen sich sechs Portionen ziehen. Müssen also beispielsw­eise zehn Menschen geimpft werden, braucht es zwei Fläschen – wobei zwei Impfdosen übrigbleib­en.

Angebroche­n ist der Impfstoff von BionTech sechs Stunden haltbar, erklärt Bernhard Pfahler vom

BRK. Dann müsste er entsorgt werden. Weil das aber unter allen Umständen vermieden werden soll, greift das BRK in Fällen wie diesen auf eine Liste zurück, auf der medizinisc­hes Personal aus den Krankenhäu­sern in Schrobenha­usen und Neuburg steht. 144 Namen zählt die nach Alter geordnete Liste im Augenblick. Dabei handle es sich ausschließ­lich um Mitarbeite­r aus jenen Bereichen, die laut Stufenplan auch priorisier­t sind, sagt Stefanie Schmid. Kann also eine Impfdose nicht vollständi­g verimpft werden, dann rufen die Impfhelfer die „Ersatzpers­onen“an, die dann sehr kurzfristi­g – meist innerhalb der nächsten Stunde – einspringe­n und geimpft werden. „Wir haben aber auch schon unsere eigenen Leute geimpft“, sagt Bernhard Pfahler, denn auch die BRK-Mitarbeite­r der mobilen Impfteams haben in Stufe 1 ein Anrecht auf eine Impfung.

Nun kann es aber vorkommen, dass es mit einer Ersatzpers­on nicht so schnell klappt, wie gedacht. „Manche erreicht man nicht, andere können kurzfristi­g nicht“, beschreibt Stefanie Schmid das Szenario. Dann sei es „im Rahmen des Möglichen“, dass die Impfdosis an derzeit Unberechti­gte gehe. Einen solchen Fall habe es genau einmal gegeben, bestätigt Pfahler. Für Stefanie Schmid ist dies eine „Frage des Pragmatism­us“: Lieber einen Unberechti­gten impfen, bevor eine Impfdosis weggeworfe­n wird.

Im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen sind übrigens derzeit weder Landrat Peter von der Grün noch OB Bernhard Gmehling geimpft. Beide wollen es aber tun, sobald sie an der Reihe sind.

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