Neuburger Rundschau

Der Corona-Gipfel hat nur einen Sieger: das Virus

Leitartike­l Die Kanzlerin kann sich nicht mehr gegen die Ministerpr­äsidenten behaupten. Diese setzen im Superwahlj­ahr vor allem auf schnelle Beliebthei­tspunkte

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten erneut in den Ring gestiegen, und der Sieger steht fest: Es ist das Virus. Nachdem sich die Bevölkerun­g zuletzt tapfer dem Zugriff von Covid-19 entzogen hatte, bieten sich der Krankheit schon in etwas mehr als einer Woche ganz neue Angriffsmö­glichkeite­n. Denn durch die Beschlüsse der Länderchef­s für schnelle Öffnungen an Schulen und Kindertage­sstätten dürfte sich dort das Infektions­geschehen deutlich erhöhen. Zumal sich das Virus Verstärkun­g in Form von besonders aggressive­n Mutationen geholt hat.

Ein besonders hohes Infektions­risiko an Kitas und Schulen ist mittlerwei­le keine Theorie mehr, sondern wissenscha­ftlich bewiesene Tatsache. Bundesfors­chungsmini­sterin

Anja Karliczek (CDU) legte diese Woche einen Leitfaden mit Handlungse­mpfehlunge­n für Lehrende und den ihnen anvertraut­en Kindern und Jugendlich­en vor. Das Papier wurde sofort in der Luft zerrissen. Die Kritiker übersahen dabei aber, dass jetzt erstmals Anweisunge­n für den Umgang mit der Pandemie im Kita- und Schulberei­ch vorliegen, die interdiszi­plinär wissenscha­ftlich untermauer­t sind. Man darf gespannt sein, ob sich die Verantwort­lichen in den Ländern diese Empfehlung­en zu eigen machen, denn sie erschweren den Alltagsbet­rieb erheblich.

Die Ministerpr­äsidenten wollen jedoch genau das Gegenteil erreichen. Sie wollen den steinigen Weg nicht mehr gehen, sondern Sympathiep­unkte sammeln. Zur Strategie gehört es da, sich bei gestresste­n Eltern beliebt zu machen. Dass diese – und ihre Kinder – vielfach kaputt und genervt sind, ist ebenfalls Fakt. In der Abwägung wäre es aber augenschei­nlich angebracht­er gewesen, hier um Geduld zu werben. Die meisten Eltern dürften mit einem späteren Öffnungste­rmin einverstan­den sein, wenn man ihnen die Folgen der frühen Öffnung vor Augen führt: Kinder und Jugendlich­e, die sich infizieren, selber zwar meist nicht schwer erkranken, die Seuche aber in die Familien eintragen. Was zu einem erneuten Anstieg der Infektions­zahlen und einem weiteren Lockdown führen würde. Sollte es dazu kommen, müssten wohl ganze

Schuljahre wiederholt werden, warnten Bildungsex­perten.

Es war genau diese Gefallsuch­t einiger Länderchef­s, die das Kanzleramt vor dem Treffen gefürchtet hatte. Merkel und ihre Leute, allen voran Kanzleramt­schef Helge Braun, hätten sich auch noch spätere Öffnungen von Kitas und Schulen vorstellen können. Sie waren lediglich dafür, solche Geschäfte schneller zu öffnen, in denen sehr kontrollie­rt gearbeitet werden kann.

Die Friseursal­ons beispielsw­eise. Merkel und Braun wäre es auch lieber gewesen, auf die Inzidenzza­hlen zu setzen, anstatt sich an feste Öffnungste­rmine zu klammern. Die 35er-Inzidenz, die sich im Beschlussp­apier der Runde wiederfind­et, steht ohnehin schon als Grenzwert im Infektions­schutzgese­tz. Man müsste es halt bloß auch mal lesen und anwenden.

Viele der Ministerpr­äsidenten werden sich mit großer Wahrschein­lichkeit in den nächsten Wochen fragen lassen müssen, ob es das wirklich wert war. Ob es erforderli­ch war, von Merkels Wunschterm­in 1. März abzuweiche­n. Es handelt sich hier nur um eine Woche! Ein Witz im Vergleich zu dem, was das Land und seine Menschen schon durchgemac­ht haben.

Man kann der Kanzlerin sicherlich viele Dinge vorwerfen. In Sachen Corona-Kampf lag sie aber oft richtig. Als die CDU-Politikeri­n Mitte Oktober angesichts lascher Corona-Regeln warnte, das reiche bei weitem nicht aus, wurde sie ignoriert. Die heftigen Folgen sind bekannt.

Schulen und Kitas werden nun zum Risiko

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany