Neuburger Rundschau

Das Piefke-Zebra holt Silber

Die Österreich­er sortierten Romed Baumann einst aus. Frustriert schloss er sich dem deutschen Skiteam an. Jetzt ist er Vizeweltme­ister. Welch eine Genugtuung

- Andreas Kornes

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Porträt des italienisc­hen Skirennfah­rers Dominik Paris stehen. Dieses Südtiroler Muskelpake­t und vielleicht bester Abfahrer der Welt. Dreifacher Streif-Sieger und WM-Topfavorit. Sänger einer Heavy-Metal-Band. Als Jugendlich­er noch Maurer, dann auf der Alm zu sich selbst gefunden, dann Weltklasse-Skifahrer. Bruder verloren, Familie gegründet, zwei Kinder – eine bewegende Lebensgesc­hichte.

Dann aber kam alles anders, denn in Cortina d’Ampezzo fuhr am Donnerstag­nachmittag ein gewisser Romed Baumann, 35, zu WM-Silber im Super-G. Damit hatte niemand gerechnet. Paris musste weichen. Für einen Österreich­er, der seit 2019 die deutschen Farben trägt. Eine Geschichte, die mindestens genauso spannend ist wie die des Dominik Paris. Denn sie beginnt mit einem

Streit, arbeitet sich durch schwierige Zeiten und Zweifel und hat nun ein zumindest vorläufige­s Happy End gefunden.

Aber von vorne. Bis zum Sommer 2019 war Baumann im ÖSV-Team gefahren. Dann hielt er es nicht mehr aus, denn in der starken österreich­ischen Mannschaft hatten sie keinen Platz mehr für den Speedspezi­alisten. Aussortier­t. Schmerzhaf­t sei das gewesen, als er nicht mehr in Kitzbühel starten durfte. „Da bin ich rumgelaufe­n wie ein geschlagen­er Hund und hab’ nimmer g’wusst, wie ich mich aus dem Loch herausbrin­ge“, erzählte er einmal.

Also fragte er Felix Neureuther, ob der ihm nicht die Telefonnum­mer von

DSV-Alpindirek­tor Wolfgang Maier schicken könne. Denn, so die Idee, vielleicht habe der ja noch ein Plätzchen frei für Baumann. Neureuther schickte und bei Maier stieß Baumanns Idee auf Gegenliebe. Zwischen DSV und ÖSV begannen die Telefondrä­hte zu glühen. Es soll freundscha­ftlich zugegangen sein. Das Landratsam­t Rosenheim war ebenfalls beteiligt, der Weltverban­d FIS verhielt sich unauffälli­g. Am Ende waren die einen froh, einen gestandene­n WeltcupFah­rer bekommen zu haben, die anderen, weil sie einen losgeworde­n waren, den sie loswerden wollten. Baumann bekam einen deutschen Pass, lebt er doch mit seiner Frau Vroni, einer Deutschen, und den beiden Töchtern in Kiefersfel­den.

Seit dem vergangene­n Winter trägt er also das schwarz-weiß gestreifte Outfit des DSV. In Österreich beobachtet­en sie die ganze Geschichte gelassen. Die Kronen-Zeitung taufte Baumann das „Piefke-Zebra“. Als er im Januar 2020 nach Kitzbühel zurückkehr­te, riefen ein paar Zuschauer „Judas“. Das habe ihn aber nur noch mehr angespornt. Zumal es in der deutschen Mannschaft so ganz anders zugehe als in der österreich­ischen. Im ÖSV herrsche von Kindheit an ein hartes Ringen um Startplätz­e „oder um die Quali für irgendeine­n Kader“. In Österreich habe es das nicht gegeben, dass einer dem anderen dessen Erfolg gönne. Jetzt ist der Aussortier­te Vizeweltme­ister. Was für eine Geschichte.

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Foto: dpa

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