Das Piefke-Zebra holt Silber
Die Österreicher sortierten Romed Baumann einst aus. Frustriert schloss er sich dem deutschen Skiteam an. Jetzt ist er Vizeweltmeister. Welch eine Genugtuung
Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Porträt des italienischen Skirennfahrers Dominik Paris stehen. Dieses Südtiroler Muskelpaket und vielleicht bester Abfahrer der Welt. Dreifacher Streif-Sieger und WM-Topfavorit. Sänger einer Heavy-Metal-Band. Als Jugendlicher noch Maurer, dann auf der Alm zu sich selbst gefunden, dann Weltklasse-Skifahrer. Bruder verloren, Familie gegründet, zwei Kinder – eine bewegende Lebensgeschichte.
Dann aber kam alles anders, denn in Cortina d’Ampezzo fuhr am Donnerstagnachmittag ein gewisser Romed Baumann, 35, zu WM-Silber im Super-G. Damit hatte niemand gerechnet. Paris musste weichen. Für einen Österreicher, der seit 2019 die deutschen Farben trägt. Eine Geschichte, die mindestens genauso spannend ist wie die des Dominik Paris. Denn sie beginnt mit einem
Streit, arbeitet sich durch schwierige Zeiten und Zweifel und hat nun ein zumindest vorläufiges Happy End gefunden.
Aber von vorne. Bis zum Sommer 2019 war Baumann im ÖSV-Team gefahren. Dann hielt er es nicht mehr aus, denn in der starken österreichischen Mannschaft hatten sie keinen Platz mehr für den Speedspezialisten. Aussortiert. Schmerzhaft sei das gewesen, als er nicht mehr in Kitzbühel starten durfte. „Da bin ich rumgelaufen wie ein geschlagener Hund und hab’ nimmer g’wusst, wie ich mich aus dem Loch herausbringe“, erzählte er einmal.
Also fragte er Felix Neureuther, ob der ihm nicht die Telefonnummer von
DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier schicken könne. Denn, so die Idee, vielleicht habe der ja noch ein Plätzchen frei für Baumann. Neureuther schickte und bei Maier stieß Baumanns Idee auf Gegenliebe. Zwischen DSV und ÖSV begannen die Telefondrähte zu glühen. Es soll freundschaftlich zugegangen sein. Das Landratsamt Rosenheim war ebenfalls beteiligt, der Weltverband FIS verhielt sich unauffällig. Am Ende waren die einen froh, einen gestandenen WeltcupFahrer bekommen zu haben, die anderen, weil sie einen losgeworden waren, den sie loswerden wollten. Baumann bekam einen deutschen Pass, lebt er doch mit seiner Frau Vroni, einer Deutschen, und den beiden Töchtern in Kiefersfelden.
Seit dem vergangenen Winter trägt er also das schwarz-weiß gestreifte Outfit des DSV. In Österreich beobachteten sie die ganze Geschichte gelassen. Die Kronen-Zeitung taufte Baumann das „Piefke-Zebra“. Als er im Januar 2020 nach Kitzbühel zurückkehrte, riefen ein paar Zuschauer „Judas“. Das habe ihn aber nur noch mehr angespornt. Zumal es in der deutschen Mannschaft so ganz anders zugehe als in der österreichischen. Im ÖSV herrsche von Kindheit an ein hartes Ringen um Startplätze „oder um die Quali für irgendeinen Kader“. In Österreich habe es das nicht gegeben, dass einer dem anderen dessen Erfolg gönne. Jetzt ist der Aussortierte Vizeweltmeister. Was für eine Geschichte.