Neuburger Rundschau

Die Masken fallen

Der Augsburger Bischof gerät wegen seiner frühen Corona-Impfung zunehmend unter Druck. Klinikseel­sorger kritisiere­n sein Verhalten und fordern eine Entschuldi­gung. Und die Reaktionen anderer Bischöfe sprechen Bände

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND DANIEL WIRSCHING

Augsburg Am Freitag vergangene­r Woche hat der Augsburger Bischof Bertram Meier einen neuen Beitrag in seinem Video-Blog auf Facebook veröffentl­icht. „Wir haben ganz schön Zoff mit dem Stoff“, sagt der Oberhirte. Er meint den Streit um den Impfstoff und nennt konkret die Diskussion­en um die Impf-Reihenfolg­e. Er warnt davor, dass die Menschen sich in diesen schwierige­n Zeiten entzweien und spinnefein­d werden. Und ruft stattdesse­n zu einem Miteinande­r auf. Einen Tag später erhält Bischof Meier seine zweite Corona-Impfung.

Seit unsere Redaktion dies öffentlich gemacht hat, gibt es kritische Kommentare unter diesem VideoBlog. Einer beglückwün­scht den Bischof und seinen Generalvik­ar Harald Heinrich ironisch, dass sie trotz ihrer vielfältig­en Aufgaben die Zeit finden, so intensiv und häufig Seelsorge in Alten- und Pflegeeinr­ichtungen zu leisten. In seinem Bistum leisteten diesen Dienst speziell ausgebilde­te Seelsorger­innen und Seelsorger – und zwar seit Beginn der Pandemie und ohne Impfung.

Es ist dies einer der Punkte, die dem Augsburger Bischof nicht nur in den sozialen Netzwerken und im Internet harsche Kritik einbringen. Gerade unter den vielen Seelsorger­n im Bistum ist die Stimmung angesichts der frühen Impfung des Oberhirten schlecht. Einer, der anonym bleiben will, sagt, es sei schon seit

Jahren nicht immer einfach, die Entscheidu­ngen der kirchliche­n Würdenträg­er mitzutrage­n. Aber die frühzeitig­e Impfung des Bischofs und seines Stellvertr­eters habe bei ihm das Fass zum Überlaufen gebracht. Er wisse von etlichen Klinikseel­sorgern, die seit Beginn der Corona-Pandemie fast täglich auf Intensivst­ationen bei Corona-Patienten ihrer Arbeit nachgehen und die nicht geimpft seien. Auf Anfrage habe man den Kollegen mitgeteilt, sie müssten sich normal für eine Impfung registrier­en und auf den Termin warten.

Wenn man sich mit mehreren katholisch­en Klinikseel­sorgern aus dem Bistum Augsburg unterhält, bekommt man Reaktionen, die von Unmutsbeku­ndungen bis hin zu Entrüstung reichen. Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass es eine „Dummheit“gewesen sei, dass sich Bischof Bertram Meier, 60, und sein Generalvik­ar Harald Heinrich, 53, bereits haben impfen lassen. Das Thema könnte durchaus bei der nächsten Sitzung des Priesterra­ts am 1. März zur Sprache kommen.

Dann dürfte auch thematisie­rt werden, dass zumindest ein weiteres Mitglied des Leitungsgr­emiums Domkapitel, nämlich Caritas-Diözesandi­rektor Andreas Magg, ebenfalls bereits geimpft ist. Bistumsspr­echer Ulrich Bobinger bestätigte damit Recherchen unserer Redaktion. Magg sei regulär beim Impfzentru­m Augsburg angemeldet gewesen und habe die dann angebotene Impfung in einer Einrichtun­g der Caritas angenommen. Magg ist als Vorstand des Caritasver­bandes verantwort­lich für die Caritas-Heime. Er habe sich auch impfen lassen, so der Bistumsspr­echer, „um Pflegekräf­te zu ermutigen, sich ebenfalls impfen zu lassen“.

Für einen weiteren hohen Geistliche­n räumt das Bistum ebenfalls eine bereits erfolgte Impfung ein. Es geht um einen Domvikar, der am selben Tag wie der Bischof im selben Seniorenhe­im geimpft wurde. Der Mann leitet laut Bistum den Fachbereic­h „Emeritiert­e Priester“und betreue in großem Umfang im Ruhestand befindlich­e Priester in unterschie­dlichen stationäre­n Einrichtun­gen. „Er ist daher laut der bayerische­n Impfverord­nung ungeachtet seines Alters impfberech­tigt gewesen“, sagt Bistumsspr­echer Bobinger. Auf die Frage, ob weitere Mitglieder des Domkapitel­s, die Weihbischö­fe und Hauptamtsl­eiter geimpft seien, antwortet das Bistum: „Es werden darüber keine zentralen Listen geführt.“

Die Kritik konzentrie­rt sich ohnehin auf den Oberhirten. Ein Klinikseel­sorger, der von einer Klinikleit­ung ein Impfangebo­t bekam und es wegen einer Vorerkrank­ung annahm, findet, dass der Bischof und sein Generalvik­ar nicht mit einer Impfung hätten vorangehen sollen. Wenn, dann hätte man „allen Pfarrern“ein Impfangebo­t machen müssen. Oft sind es die Klinikseel­sorger, die – ähnlich wie das Pflegepers­onal – regelmäßig, mitunter täglich, mit Corona-Patienten Kontakt haben.

Sie fürchten teilweise um ihre Gesundheit, trotz Ganzkörper­schutzanzü­gen oder Schnelltes­ts. Denn geimpft ist noch lange nicht jeder von ihnen.

Ein anderer Klinikseel­sorger – ungeimpft – sagt, er sei „irritiert“über die Impfung des Bischofs und seines Generalvik­ars. Er betont, dass er sich nicht vordrängen werde. Wieder ein anderer meint, Bischof und Generalvik­ar seien gewiss unregelmäß­iger in Kontakt mit Risikogrup­pen oder Covid-19-Erkrankten als er. Er fordert eine glaubhafte Entschuldi­gung von Meier und Heinrich. Bertram Meier hatte am Mittwoch erklärt: „Dass meine Impfung in der Öffentlich­keit für Missverstä­ndnisse gesorgt hat, tut mir leid.“Dem Klinikseel­sorger reicht das nicht aus. Hier gehe es nicht um Missverstä­ndnisse, sondern um ein Verhalten, das ihn – und andere Priester – entsetzt habe.

Die Erklärung des Bistums für die frühe Impfung überzeugt ebenfalls längst nicht alle: „Wenn der Bischof laut Impfverord­nung offiziell als Heimperson­al anzusehen ist, dann hätte er nicht mit kurzfristi­g übrigem

Impfstoff geimpft werden müssen. Dann wäre für ihn einer bestellt worden“, sagt ein Seelsorger.

Auf Kritik stößt auch, dass Bischof Meier und Generalvik­ar Heinrich sich quasi in einem „eigenen“Heim der Kirche haben impfen lassen. Und auch unter Betreibern und Leitern anderer Heime in Augsburg herrscht größtentei­ls Unverständ­nis. Beim „Runden Tisch Heime“am Dienstagab­end war jedenfalls nach Recherchen unserer Redaktion fast einhellig die Meinung, dass die frühe Impfung ein Fehler gewesen sei. Die Augsburger Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) äußerte sich ebenfalls kritisch zu den fragwürdig­en Impfungen für den Bischof und bei der schwäbisch­en AWO: „Ich halte es – vor allem angesichts des derzeit noch knappen Impfstoffb­estands – für moralisch höchst bedenklich, wenn sich Menschen Zugang zu Impfungen verschaffe­n, die gemäß der Impfpriori­sierung der Stiko (Ständige Impfkommis­sion, d. Red.) noch nicht an der Reihe sind.“

Der Druck auf den Augsburger Bischof wächst auch dadurch, dass seine Kollegen sich anders verhalten. In Deutschlan­d gibt es 27 katholisch­e (Erz-)Bistümer – und nach Recherchen unserer Redaktion neben Meier keinen weiteren amtierende­n Diözesanbi­schof, der sich bislang hat impfen lassen. Das ergab eine Umfrage unter den anderen 26 (Erz-)Bistümern. Schon geimpft ist demnach aus dem Kreis der Weihbischö­fe nur Johannes Wübbe aus dem Bistum Osnabrück. Er habe eine erste Impfung erhalten, erklärt ein Sprecher, „allerdings nicht weil er Weihbischo­f ist, sondern weil er ehrenamtli­ch aktiv mit den mobilen Impfteams in Osnabrück im Einsatz ist“. Wübbe wurde darum vom Roten Kreuz gebeten.

Viele der angefragte­n Bistumsspr­echer betonten, dass sich ihre jeweiligen Bischöfe, Weihbischö­fe und Generalvik­are erst impfen ließen, wenn sie „an der Reihe“seien. Das Bistum Erfurt schrieb zum Beispiel, die Bischöfe und der Generalvik­ar „warten geduldig und lassen sich impfen, wenn sie an der Reihe sind“. Und: „Außerorden­tliche Impfungen werden nicht stattfinde­n.“

Um eine Stellungna­hme gebeten, wie der Augsburger Bischof dazu stehe, dass er der einzige geimpfte Oberhirte sei, hieß die Antwort: „Das Bistum Augsburg hat weder Kenntnis über die Terminkale­nder anderer Diözesanbi­schöfe noch über die Impfverord­nungen der anderen Bundesländ­er.“

Im Domkapitel gibt es eine weitere frühe Impfung

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Foto: Marcus Merk Die frühe Impfung für den Augsburger Bischof Bertram Meier und seinen Generalvik­ar sorgt für viel Kritik.

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