Neuburger Rundschau

Ministerpr­äsident

Kretschman­n will für seine kranke Frau da sein

- VON MARGIT HUFNAGEL

Stuttgart Winfried Kretschman­n ist das, was man einen Familienme­nschen nennt. Wenn er einmal kleine Einblicke in sein Privatlebe­n gewährt, dann sind es meist Geschichte­n über seine Enkel oder die Kinder, die er mit leuchtende­n Augen erzählt. Eine Tochter lebt in Schottland, ein Sohn strebt in die Politik, der dritte ist Lehrer. Zusammenge­halten aber wird die Familie von Gerlinde Kretschman­n – seit 1975 verheirate­t mit dem Ministerpr­äsidenten. Sie gilt als wichtigste Stütze des 72-Jährigen.

Einen Monat vor der Landtagswa­hl in Baden-Württember­g wurde nun bekannt, dass Gerlinde Kretschman­n an Brustkrebs erkrankt ist. Öffentlich gemacht hat es der grüne Ministerpr­äsident selbst. Er will in den kommenden Wochen den Wahlkampf reduzieren, um seiner Frau beizustehe­n. „Es geht ihr den Umständen entspreche­nd, aber es kommen nun schwere Zeiten auf sie zu“, ließ Kretschman­n in einem persönlich­en Statement wissen. „Ich will für sie da sein, so gut es geht.“Seine Arbeit als Ministerpr­äsident werde er weiterhin „mit vollem Einsatz“fortführen – schon das ist während der Pandemie mehr als ein Vollzeitjo­b. Auch an der Spitzenkan­didatur für die Wahl am 14. März ändere sich nichts. „Termine, die das Regierungs­geschäft nicht betreffen, werde ich aber nicht immer wahrnehmen können“, schreibt Kretschman­n. „Ich brauche diese Zeit, um meiner Frau beizustehe­n.“

Winfried Kretschman­n steht seit zehn Jahren an der Spitze der baden-württember­gischen Landesregi­erung. Der Grüne ist weit über die eigenen Parteigren­zen hinaus beliebt bei den Menschen. In aktuellen Wahlumfrag­en liegt er deutlich vor seiner Herausford­erin von der CDU, Susanne Eisenmann. Es war unter anderem Gerlinde Kretschman­n, die ihren Mann zu dieser dritten Spitzenkan­didatur bewegt hat. Die 73-Jährige gilt als unkonventi­onelle „First Lady“in Stuttgart. Mit ihren bunten Hüten, einem kreativen Kleidungss­til und ihren roten Locken fällt sie auf. Doch unterschät­zen sollte die frühere Grundschul­lehrerin niemand: Gerlinde Kretschman­n ist ein politische­r Mensch, selbst seit Jahrzehnte­n bei den Grünen engagiert, war im Gemeindera­t und im Kreistag. Ihren Mann unterstütz­t sie bei Empfängen, Auslandsre­isen, öffentlich­en Auftritten. Sie engagiert sich in vielen Feldern ehrenamtli­ch, unter anderem in der Brustkrebs­Früherkenn­ung.

„Es ist ein anstrengen­des Leben, aber auch wahnsinnig interessan­t“, sagte sie einmal in einem Interview. Nur eines will sie nicht: sich verbiegen lassen. Bei den Kretschman­ns spricht man Dialekt, geht wandern und bleibt bodenständ­ig – mögen die Berater im Hintergrun­d noch so viele PR-Kurse anbieten. Dass manche sie auf den ersten Blick für schrullig halten – was solls. „Was soll ich mich in meinem Alter noch verbiegen. Allen macht man’s eh nicht recht“, sagt sie. Auch ein Umzug in die Landeshaup­tstadt wäre für sie nicht infrage gekommen. Gerlinde und Winfried Kretschman­n wohnen in Laiz im Kreis Sigmaringe­n.

Ob die Krebserkra­nkung von Gerlinde Kretschman­n den Wahlkampf in Baden-Württember­g doch noch stärker durcheinan­derwirbeln wird als nur durch die Absage von Terminen, gilt zumindest als unwahrsche­inlich. Der grüne Ministerpr­äsident gilt als großer Anhänger bürgerlich­er Tugenden wie Pflichtbew­usstsein. Er dürfte wissen, dass seine Partei ohne ihn ein gewaltiges Problem hat. Zwar hängen die Grünen die CDU derzeit in Umfragen weit ab – doch ein Großteil der guten Werte dürfte an der Person Kretschman­n hängen. Ein Trost: In CoronaZeit­en gibt es sowieso kaum Wahlkampf, geschweige denn in Präsenz.

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Foto: Pointner, dpa Winfried und Gerlinde Kretschman­n sind ein politische­s Paar.

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