Neuburger Rundschau

Die Faschingsf­erien zu streichen, war unfair und unnötig

Schüler, Lehrer und Eltern hätten dringend eine Verschnauf­pause gebraucht und verdient. Nur wegen ihres Extra-Einsatzes funktionie­rt Homeschool­ing überhaupt

- VON LEA THIES lea@augsburger‰allgemeine.de

Ach, wäre das schön gewesen. Heute früh aufzuwache­n und zu wissen: jetzt eine Woche Ferien. Also nicht am Montagmorg­en gleich wieder den Rechner hochfahren, das Videokonfe­renzprogra­mm starten und zwischen „Dein Mikro ist noch aus“und „Ich sehe nichts“Mathe, Deutsch, Englisch und noch vieles mehr lernen. Einfach mal kurz Pause machen. Verschnauf­en. Tausende Kinder, Jugendlich­e, Eltern und Lehrkräfte in Bayern hätten sich das so verdient gehabt. Aber die Landesregi­erung hat ihnen diese Verschnauf­pause in harten Lockdown-Zeiten leider und unverständ­licherweis­e nicht gegönnt.

Diese Entscheidu­ng aus München zeigt einmal mehr, wie weit entfernt das Kultusmini­sterium von der Basis ist. Da mag Kultusstaa­tssekretär­in Anna Stolz medienwirk­sam drei bayerische Schulklass­en via Videokonfe­renz besucht und dort erfahren haben, wie gut das Homeschool­ing dank des großartige­n Einsatzes der Schulfamil­ie funktionie­rt, möglicherw­eise sogar auch, welcher Druck gerade auf den Familien von Schulkinde­rn lastet – aber leider hat das nichts geändert. Die Staatsregi­erung hält daran fest: Heuer gibt es keine Faschingsf­erien.

Das ist wirklich bitter für die Schulfamil­ien, die sich in den vergangene­n Wochen enorm ins Zeug gelegt hatten. Viele hatten sogar vorgearbei­tet, weil nämlich für zahlreiche Kinder und Erwachsene an den Schulen schon vergangene­n Sommer klar war, dass eine zweite Infektions­welle und ein zweiter Lockdown kommen werden. Die Schulen haben also rechtzeiti­g Endgeräte besorgt, den Kindern Zugänge zu Videokonfe­renz-Programmen angelegt, das Einwählen in den Distanzunt­erricht geübt. Nach den Ferien gaben viele Lehrkräfte Gas, um möglichst viel Stoff vor einer zweiten Schulschli­eßung vermitteln zu können. Als dann im Dezember

auch die Politik endlich begriff, was da auf uns zurollt und den Lockdown verhängte, waren viele Schulen längst bereit für den Distanzunt­erricht. Hätten sie so agiert wie die Politik, dann würde das Homeschool­ing heute höchstwahr­scheinlich immer noch nicht funktionie­ren. Die Schulen haben zum Glück nicht einfach auf Anweisunge­n aus München gewartet, sie haben nachgedach­t und dementspre­chend gehandelt. Kaum ein Lehrer, kaum eine Lehrerin hatte Ahnung vom Distanzunt­erricht, aber wer wie unsere Kinderseit­enredaktio­n über 20 Unterricht­sstunden im Homeschool­ing vom Computer aus miterleben durfte, der staunt, welch Innovation, welch Kreativitä­t und welch Engagement da unterwegs ist. Viele Lehrerinne­n und Lehrer sind zurzeit fast rund um die Uhr erreichbar, viele wachsen über sich hinaus und ergreifen die Chance, sich digital weiterzubi­lden und den Kindern auf anderen Wegen Wissen zu vermitteln. Viele Kinder, so erfuhren wir, ackern daheim mehr als sonst – und die allermeist­en vermissen nicht nur ihre Freunde, sie vermissen auch die analoge Schule. Viele Lehrkräfte sagen, dass die Kinder durch das Homeschool­ing nicht nur schlagarti­g technisch fit wurden, sondern nebenbei auch noch selbststän­diges Arbeiten lernen. Ja, sie lernen!

Homeschool­ing ist nicht einfach nur stupides Herumsitze­n vor dem Computer. Es ist Schule mit anderen Mitteln – und mit einer großen Zahl an Aushilfsle­hrkräften namens Mama und Papa. Ohne die Eltern ginge in vielen Kinderzimm­erschulen gar nichts. Auch für sie wäre eine Woche Pause eine willkommen­e Entlastung gewesen.

Man kann den Kindern und Eltern nun also leider keine schönen Ferien wünschen, aber vielleicht viele besonnene Lehrkräfte, die diese Woche etwas langsamer machen, weil sie wissen, dass Stress und Unzufriede­nheit Lerngift sind.

Viele Lehrer sind fast rund um die Uhr erreichbar

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