Neuburger Rundschau

Deutschlan­d ist nur Mittelmaß

Andere Länder testen mehr, sie impfen zügiger und fassen auch wirtschaft­lich schneller wieder Tritt. Was Statistike­n über den Kampf gegen die Pandemie und das deutsche Krisenmana­gement verraten

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin „Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgela­ufen ist.“Als Angela Merkel vor wenigen Tagen in einem ihrer seltenen Interviews die Corona-Politik von Bund und Ländern verteidigt­e, staunten auch viele ihrer Parteifreu­nde über diesen Satz. So gut, wie es in diesem Moment scheinen sollte, ist das Krisenmana­gement von Bund und Ländern im internatio­nalen Vergleich nämlich nicht. Bei einer ganzen Reihe von Studien und Datenreihe­n liegt Deutschlan­d, wenn überhaupt, nur im Mittelfeld.

● Impfungen In der Bundesrepu­blik haben bis Ende dieser Woche 3,1 Prozent der Menschen eine erste Impfung gegen Corona erhalten, lediglich 1,5 Prozent wurden bereits zweimal geimpft. Damit hinkt Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich weit hinterher. In Israel zum Beispiel sind knapp 43 Prozent der Bevölkerun­g schon mindestens einmal geimpft, auf den Seychellen 39 Prozent und in Großbritan­nien fast 20 Prozent. Besonders schnell impfen auch die Vereinigte­n Arabischen Emirate, die USA, Bahrain und Serbien. Auch etliche Mitgliedsl­änder der EU, die im Verhältnis zu ihrer Einwohnerz­ahl genauso viele Impfdosen bekommen haben wie die Bundesrepu­blik, haben mehr Menschen geimpft – etwa Dänemark, Malta, Rumänien, Litauen, Irland, Spanien oder Polen.

● Tests Auch hier ist der Rückstand auf andere Länder groß. Umgerechne­t auf eine Million Einwohner hat Dänemark seit Ausbruch der Pandemie gut 2,5 Millionen Tests durchgefüh­rt. Luxemburg und die Arabischen Emirate kommen auf ähnliche Werte. In Großbritan­nien sind es knapp 1,2 Millionen Tests, in den USA mehr als 990 000. Deutschlan­d kommt mit seinen rund 497 000 Tests je Einwohnerm­illion nicht annähernd auf diese Werte und damit auch nicht unter die 30 Nationen, die am häufigsten testen.

● Todesfälle Verglichen mit Ländern wie Belgien, Großbritan­nien, Slowenien oder Tschechien, wo umgerechne­t auf eine Million Einwohner zwischen 1600 und 1900 Menschen an oder mit Corona gestorben sind, steht Deutschlan­d mit 768 Toten pro Einwohnerm­illion noch relativ gut da. Interessan­t ist hier allerdings der Vergleich mit Südafrika, das ein deutlich schlechter­es Gesundheit­ssystem hat und trotz der neuen, nach Einschätzu­ng zahlreiche­r Virologen auch deutlich gefährlich­eren „Südafrika-Mutation“nur unwesentli­ch mehr Corona-Tote zu beklagen hat – nämlich etwa 799 pro Einwohnerm­illion.

● Lockdown In einem aufwendige­n

Verfahren hat die Universitä­t Oxford einen Lockdown-Index ermittelt, der die Schärfe einzelner Maßnahmen von Schulschli­eßungen über Kontaktspe­rren bis zum Schließen von Geschäften in Zahlen zu fassen versucht. Hier ist Deutschlan­d soeben in die Top Ten der strengsten Länder der Welt aufgerückt. Es führen die Niederland­e vor Kuba, Eritrea und Honduras. Die wenigsten Einschränk­ungen gibt es im Moment in Taiwan, Nicaragua, Macau und Neuseeland.

● Wirtschaft Die einzige große Volkswirts­chaft, die auch im Pandemieja­hr 2020 gewachsen ist, war die chinesisch­e – nach eigenen Angaben um 2,3 Prozent. Für das laufende Jahr liegen die Konjunktur­prognosen für China zwischen sieben und acht Prozent. Der deutschen Wirtschaft sagen die meisten Ökonomen nach dem Einbruch um fünf Prozent im vergangene­n Jahr zwar für das laufende Jahr eine Erholung voraus. Die dürfte angesichts des nun noch einmal verlängert­en Lockdowns aber weniger stark ausfallen als erhofft. Die Bundesregi­erung hat ihre Wachstumsp­rognose bereits deutlich herunterge­schraubt – von 4,4 auf drei Prozent. Zum Vergleich: Für die USA liegen die Vorhersage­n von Banken und Konjunktur­forschern bei vier bis fünf Prozent, für Großbritan­nien teilweise sogar noch deutlich darüber. In der ersten Februarwoc­he lag die deutsche Wirtschaft­sleistung nach Berechnung­en der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g noch um acht Prozent unter dem Vergleichs­wert des Vorjahres.

● Krisenmana­gement Infektions­zahlen, Todesfälle, Testquoten: Das australisc­he Lowy Institute, eine 2003 gegründete Denkfabrik, hat mehrere solcher Parameter zu einem Gesamtbild verdichtet und daraus eine Art Index für das beste Krisenmana­gement in der CoronaKris­e ermittelt. Unter den knapp 100 überprüfte­n Staaten liegt Deutschlan­d nur im Mittelfeld, nämlich auf Platz 55 – hinter Kroatien und vor El Salvador. Am besten schnitten Neuseeland, Vietnam, Taiwan und Thailand ab, am schlechtes­ten der Iran, Kolumbien, Mexiko und Brasilien.

Quellen: Statistisc­hes Bundesamt, Johns-Hopkins-Universitä­t, WHO, Robert-Koch-Institut, Our World in Data

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Foto: Ilia Yefimovich, dpa Der Nächste, bitte! Kein Land impft seine Bürger schneller als Israel – so wie hier in Tel Aviv.

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