Neuburger Rundschau

Razzia beim Minister

Österreich schlittert in eine Regierungs­krise

- VON WERNER REISINGER

Wien Und wieder gilt in Österreich die Unschuldsv­ermutung: Dieses Mal trifft es einen, der dem Bundeskanz­ler Sebastian Kurz näher steht als kaum ein anderes Regierungs­mitglied aus seiner Partei. Die Recherchep­lattform Dossier brachte am Dienstag an die Öffentlich­keit, dass Gernot Blümel von der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) als Beschuldig­ter geführt wird – und zwar im durch die Ibiza-Affäre ausgelöste­n Ermittlung­sverfahren rund um die Casinos Austria.

„Die Novomatic zahlt alle“, der paradigmat­ische Satz von Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) führte nicht nur zu einem nach wie vor laufenden parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, sondern auch zum Ermittlung­sverfahren, im Zuge dessen am Donnerstag Blümel zuerst zu einer Aussage vor den Korruption­sermittler­n ausrücken und mit diesen danach in seine Privatwohn­ung kommen musste. Dort wurde dem Minister nicht nur sein privater Laptop, sondern auch sein Handy abgenommen – die Daten darauf hat die WKStA bereits gesichert.

Der Vorwurf: im Juli 2017, wenige Wochen vor der Nationalra­tswahl, die Blümels Freund und ÖVP-Parteichef Kurz die Kanzlersch­aft sicherte, schrieb der damalige Vorstandsc­hef des niederöste­rreichisch­en Glückspiel­konzerns Novomatic, Harald Neumann, eine SMS an den damaligen nicht-amtsführen­den ÖVPStadtra­t in Wien,

Gernot Blümel: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben“, lautete der Inhalt. Das Problem, von dem der Konzernche­f sprach, ist eine Steuerford­erung in Höhe von rund 40 Millionen Euro, die der italienisc­he Staat zu dieser Zeit geltend machte. Blümel schrieb daraufhin Thomas Schmid, damals Kabinettsc­hef und Generalsek­retär im Finanzmini­sterium: „Ruf bitte den Neumann an. Tu’s für mich.“Und auch den damaligen Außenminis­ter Sebastian Kurz habe Blümel laut WKStA danach kontaktier­t.

Blümel dementiert­e – so wie zahlreiche seiner Parteifreu­nde – seit der Hausdurchs­uchung, dass die ÖVP Spenden von Glückspiel­firmen, von Waffenprod­uzenten oder der Tabakindus­trie angenommen hätte, die Spendenlis­te sei für jedermann einsehbar und werde vom Rechnungsh­of geprüft. Am Freitag legte der Finanzmini­ster nach und veröffentl­ichte eine „eidesstatt­liche Erklärung“. Darin listet Blümel vier „mit mir medial in Verbindung gebrachte“Vereine auf, für die er, zusammen mit der Wiener ÖVP, Spenden der Novomatic ausschließ­en könne. Zudem drohte der Finanzmini­ster: „Wer das Gegenteil behauptet, wird von mir geklagt“– ein klarer Versuch, Journalist­en einzuschüc­htern.

Wie Kurz kommt Blümel aus der „Jungen Volksparte­i“, später arbeitete er für den ÖVP-Chef, Vizekanzle­r und Kurz-Förderer Michael Spindelegg­er. Nach seiner Zeit als Wiener Parteiobma­nn machte ihn Kurz in seiner ersten Regierung mit der FPÖ zum Kultur- und Medienmini­ster, im Herbst 2020 holte er mit Rückenwind des Kanzlers Platz zwei bei den Wiener Landtagswa­hlen. „Ihm traue ich Wien zu“, warb Kurz damals für seinen engen Vertrauten. Das Strahleman­n-Image, das den 39-jährigen, gebürtigen Wiener Blümel genau wie seinen Freund, den Bundeskanz­ler, umgibt, dürfte unter den Ermittlung­en beträchtli­ch leiden.

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Gernot Blümel

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