Neuburger Rundschau

Immer geht es für oder gegen Spanien

Wie stark sind die Kräfte, die die Unabhängig­keit forcieren? Sie machen Wahlkampf aus dem Gefängnis, während der Premier aus Madrid einen populären Ex-Minister ins Rennen schickt

- VON RALPH SCHULZE UND MARLENE WEYERER

Barcelona Die Nächte verbringt er im Gefängnis, tagsüber trommelt Oriol Junqueras für die Abspaltung Katalonien­s von Spanien. Der Separatist­enchef sitzt eine Haftstrafe wegen der Organisati­on eines ungesetzli­chen Unabhängig­keitsrefer­endums im Herbst 2017 ab. Der Vorsitzend­e der Partei Esquerra Republican­a kann zwar nicht selbst kandidiere­n, aber im Zuge des offenen Strafvollz­uges auf der Straße Wahlkampf machen. „Wir geben nicht auf“, sagt Junqueras.

Katalonien ist tief zerstritte­n in der Frage um die Zugehörigk­eit zu Spanien. Die Region hat eine eigene Sprache, eine eigene Kultur. Beides war in der Diktatur unter Francisco Franco bis in die 1970er Jahre verboten. Seit Ende der Diktatur gewinnt die Bewegung Zulauf, die eine eigenständ­ige, katalanisc­he Republik fordert. Das Streben nach Unabhängig­keit hat auch finanziell­e Gründe: Katalonien gilt als eine der wirtschaft­sstärksten Regionen Spaniens. Bisheriger Höhepunkt war 2017 ein Unabhängig­keitsrefer­endum, wegen dem der damalige Ministerpr­äsident Carles Puigdemont vor der spanischen Justiz nach Belgien

floh. Sein damaliger Vize Junqueras sitzt unterdesse­n seine Haftstrafe ab. Die Parteien in der Mittelmeer­region sind aufgeteilt in ein pro- und ein antispanis­ches Lager. Wahlen in Katalonien sind am Ende immer Abstimmung­en für oder gegen Spanien. So auch die Wahl des Regionalpa­rlaments am Sonntag.

Seit zehn Jahren amtiert in der katalanisc­hen Hauptstadt Barcelona eine Regionalre­gierung, die die Unabhängig­keit vorantreib­t und damit auf Kollisions­kurs mit dem spanischen Staat ist. In der Hoffnung, das zu ändern, hat Spaniens sozialisti­scher Premier Pedro Sánchez einen seiner populärste­n Minister als prospanisc­hen Spitzenkan­didaten nach Katalonien abkommandi­ert: Salvador Illa war bisher Sánchez’ Gesundheit­sminister und oberster Corona-Bekämpfer. Der Katalane gilt als besonnen und kam zwar nicht ohne Fehler, aber mit einem guten Ruf durch die Pandemie. Er gab sein Amt Ende Januar ab, um in Katalonien anzutreten. In den Umfragen liegt der 54-jährige Illa knapp vorn. In einer Wahl mit zehn Kandidaten wird ihm allerdings mit etwas über 20 Prozent ein Sieg auf niedrigem Niveau vorhergesa­gt. Zwei Unabhängig­keitsparte­ien sind fast gleichauf mit ihm.

Doch Illa könnte davon profitiere­n, dass die Separatist­en untereinan­der gespalten sind. Die Hardliner, die auch mit ungesetzli­chen Mitteln die Unabhängig­keit erzwingen wollen, werden von Katalonien­s Ex-Ministerpr­äsidenten Carles Puigdemont angeführt. Dem moderaten Separatist­enlager steht Junqueras vor. Der sagt inzwischen, die Unabhängig­keit könne nur mit einem ausgehande­lten Referendum erreicht werden. Wegen dieses Kurswechse­ls bezeichnet Puigdemont seinen früheren Weggefährt­en als „Verräter“.

Salvador Illa strebt eine Minderheit­sregierung aus Sozialiste­n und der Linksparte­i Podemos an, die von den moderaten Esquerra-Separatist­en toleriert wird. Allerdings haben nur wenige Tage vor der Wahl die antispanis­chen Parteien einen Pakt geschlosse­n, in keiner Weise mit Illa eine Regierung zu bilden. Auch die Esquerra unterschri­eb.

Gleichzeit­ig sorgt Salvador Illa für negative Schlagzeil­en. Vor einer Fernsehdeb­atte am Dienstag mit allen Kandidaten machte der ehemalige Gesundheit­sminister als einziger keinen Corona-Test. Verschiede­ne Politiker, darunter auch Junqueras, warfen ihm vor, bereits geimpft zu sein. In Spanien hatten sich Politiker und auch Bischöfe bei den Impftermin­en vorgedräng­elt. Opposition­sführer Pablo Casado forderte direkt einen Rücktritt von Illas Kandidatur, sollte das Gerücht sich bewahrheit­en.

Das spanische Gesundheit­sministeri­um bestätigte, dass Illa noch nicht geimpft worden sei. Seine politische­n Gegner blieben aber bei den Vorwürfen. Illa selbst nennt die Gerüchte Verleumdun­gen und erklärte, ein Test sei nur bei Symptomen oder engem Kontakt mit Covid-19-Infizierte­n notwendig.

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Foto: dpa Oriol Junqueras macht tagsüber Wahl‰ kampf, die Nächte muss er im Gefängnis verbringen.

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