Getrennt durch Grenzen
Mit der Corona-Krise wurde Europa zeitweise zum Kontinent geschlossener Grenzen. Drei Frauen erzählen, wie sich ihre Beziehungen verändert haben und was ihnen Hoffnung gibt
„Boden unter den Füßen weggezogen“: Sabrina Fries, 29, pendelt zwischen München und Oberösterreich.
Corona hat mein Leben letztes Jahr im März auf eine harte Probe gestellt. Mein Freund und meine Eltern wohnen in München, ich lebe und arbeite in Österreich. Ich pendelte jedes Wochenende hin und her. Die geschlossenen Grenzen haben mir letztes Jahr sehr schwer zu schaffen gemacht, ich rutschte fast in eine Art Depression, denn durch das Grenztheater konnte ich sieben Wochen lang nicht nach München. Ich heulte mir oft stundenlang die Augen aus, vor allem am Wochenende, wenn ich nicht in der Arbeit war. Ich war auch zu Ostern ganz alleine in der Wohnung, ohne irgendjemanden. Das hat mich psychisch kaputtgemacht. Es hat sich damals angefühlt, als wenn mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird.
Ich freute mich damals wie ein kleines Kind darauf, zum Muttertag endlich wieder nach München zu dürfen – wenn auch nur mit negativem Coronatest. Da sich die Grenzsituation ab diesem Zeitpunkt besserte, erkämpfte ich mir mein altes Leben zurück und bekam auch mein Lächeln zurück. Die Angst, dass die Grenzen wieder geschlossen werden und ich nicht mehr nach Deutschland darf, verfolgte mich nachts aber oft in den Träumen.
Ich schaffte es tatsächlich, einen tollen Sommer zu haben und jedes Wochenende nach München zu fahren. In dieser Zeit war ich endlich mal wieder glücklich und lernte es zu schätzen, wie wertvoll Zeit mit den Liebsten ist, vor allem auch mit der Familie.
Dass die Grenzen nun wieder geschlossen werden könnten, macht mir sehr große Sorgen. Ich hoffe, dass dieser Albtraum nicht von vorne beginnt.
Seit einem Jahr nicht mehr gesehen: Gesa Rosebrock, 29, lebt in Spanien, ihr Partner in Argentinien.
Wir haben uns vor fünf Jahren in Argentinien kennengelernt, als ich mit meinen Freunden auf Südamerikareise war. Im September und Oktober 2019 hat Gustavo dann eine Europareise unternommen und kam mich in Vitoria-Gasteiz in Spanien besuchen, wohin ich nach meinem Studium ausgewandert bin. Als wir uns wiedergesehen haben, war es für uns beide vom ersten Moment an besonders. Seitdem Gustavo dann die Rückreise nach Argentinien angetreten ist, haben wir täglich geschrieben. Es wurden immer mehr Videoanrufe und dann auch eine feste Beziehung zwischen uns.
Wir haben uns im Februar 2020 wiedergesehen, leider musste er wegen der Pandemie früher als geplant zurückreisen. Am 13. März 2020 wurde in Spanien der Lockdown verhängt. Zu dem Zeitpunkt haben wir gedacht, dass wir uns sicherlich in vier bis fünf Monaten wiedersehen würden. Doch durch die internationalen Reisebeschränkungen haben wir uns jetzt seit fast zwölf Monaten nicht sehen können.
Im August haben wir zum ersten Mal von der „Love Is Not Tourism“-Bewegung gehört. Mittlerweile gibt es ja Ausnahmeregelungen für binationale Paare in einigen Ländern – in Argentinien hat sich dahingehend allerdings noch nicht viel getan und die Grenzen sind weiterhin geschlossen. Aber im Gegensatz zu Deutschland hat man das Gefühl,
in Spanien vor unüberwindbaren bürokratischen Hürden zu stehen.
Das Schlimmste an der Situation ist dieses Gefühl der Ohnmacht und Ungewissheit. Es ist sehr frustrierend, denn ob deine Beziehung stabil und dauerhaft ist, entscheidet ein Verwaltungsfachangestellter der Botschaft, der dich nicht einmal kennt.
„Das reibt einen so sehr auf“: Brigitte Meßner, 55, wohnt im Unterallgäu, ihr Partner in Italien.
Mein Partner und ich lebten 14 Jahre zusammen in Deutschland. Dann bekam Franco ein tolles Jobangebot von der Firma, in der er arbeitete, als er noch in Italien wohnte, in seiner Heimatstadt. Warum nicht, haben wir uns gedacht. Das schaffen wir auf jeden Fall. Das war 2016 und es war tatsächlich kein Problem. Dann kam Corona und wir stellten zum ersten Mal fest, dass es doch noch Grenzen gibt – und die waren geschlossen.
Am schlimmsten an dieser Situation war die Ungewissheit: Wann werden die Grenzen wieder geöffnet? Wie geht es danach weiter? Eine Fernbeziehung in Deutschland wäre einfach so weitergelaufen, aber eine Grenze zu überwinden, war unmöglich. Wir haben uns nach drei Monaten wiedergesehen. Es war unbeschreiblich.
Danach haben Franco und ich uns sehr viel gesehen. Was das Ganze trotzdem sehr belastend macht, ist die Tatsache, einfach nicht mehr frei zu sein. Frei in unseren Entscheidungen, wann wir zum Beispiel losfahren, wie lange wir uns sehen können und so weiter. Täglich recherchiert man im Internet, wie die aktuellen Regeln sind, was sich ändert. Das reibt einen so sehr auf. Ich dachte, dass es jetzt langsam besser wird. Aber mit der neuen Virusmutation bleibt die Ungewissheit.
Es wäre einfach schön, wenn für uns Paare oder Familien in jedem Land Ausnahmen gelten würden. Es wäre so einfach, aber irgendwie werden wir immer vergessen.
Trotzdem denke ich: „Irgendwann wird wieder alles gut.“Und dann werden wir unsere Freiheit mit anderen Augen sehen und auch wieder schätzen.
Protokolle: Axel Hechelmann
OVier weitere Geschichten von Be troffenen lesen Sie auf unserer Inter netseite unter azol.de/grenzpaare.