Neuburger Rundschau

Biden drückt auf die Spritze

Die USA sichern sich 600 Millionen Corona-Impfdosen bis Ende Juli. Doch die Immunisier­ung trifft auch dort auf erhebliche logistisch­e Probleme. Zudem hegen vor allem viele Afroamerik­aner Vorbehalte gegen das Serum

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Zahlen wirken beeindruck­end: Mehr als 35 Millionen Amerikaner haben ihre erste Corona-Impfung erhalten. Ein Drittel von ihnen sind bereits voll geschützt. Doch tatsächlic­h läuft die Massen-Immunisier­ung auch in den USA alles andere als glatt.

Die Hotlines der Gesundheit­sämter sind stundenlan­g blockiert. Immer wieder werden kurzfristi­g Termine abgesagt. Vor Ort fehlen die Impfstelle­n und jeder Bundesstaa­t folgt anderen Kriterien. „Das Impf-Programm war in einem viel, viel schlechter­en Zustand, als mein Team und ich erwartet hatten“, gesteht Joe Biden: „Es war ein großes Chaos.“

Das will der neue Präsident nun ändern, auch wenn er vorsichtsh­alber anfügt: „Es wird einige Zeit dauern, um ehrlich zu sein.“Immerhin macht Biden bei der Beschaffun­g des Impfstoffs mächtig Druck: Beim Besuch der National Institutes of Health, der wichtigste­n Behörde für biomedizin­ische Forschung vor den Toren Washington­s, verkündete er, dass sich die Regierung jeweils 100 Millionen zusätzlich­e Dosen der Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna vertraglic­h gesichert habe. Damit würden bis Ende Juli insgesamt 600 Millionen Dosen dieser beiden Firmen zur Verfügung stehen – genug, um alle impffähige­n Bewohner der USA zu immunisier­en.

Biden hatte versproche­n, dass in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit – also bis Ende April – mindestens 100 Millionen Impfungen verabreich­t werden. Derzeit werden in den meisten Bundesstaa­ten nur Menschen über 65 Jahren und bestimmte Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens immunisier­t. Von April an, so stellte der Chef-Immunologe Anthony Fauci nun in Aussicht, könne der Zugang wahrschein­lich für jedermann eröffnet werden. Bis dahin könnten auch weitere Seren auf dem Markt sein: Die Regierung hat insgesamt 500 Millionen Dosen bei den Hersteller­n Johnson & Johnson, AstraZenec­a und Novavax geordert, die bislang in den USA nicht zugelassen sind.

Um die Herstellun­g zu beschleuni­gen, nutzt die US-Regierung Bestimmung­en zur Kriegsprod­uktion. Die Auslieferu­ng an die Bundesstaa­ten wurde von der Biden-Administra­tion um 28 Prozent auf elf Millionen Dosen pro Woche hochgefahr­en. Inzwischen werden auch Mitarbeite­r und Mittel der Katastroph­enschutzbe­hörde Fema eingesetzt. In den Bundesstaa­ten freilich läuft die

Impf-Kampagne höchst unterschie­dlich. So haben in Alaska inzwischen 16 Prozent, in West Virginia immerhin 13 Prozent, in Puerto Rico aber nur 7,1 Prozent der Bewohner die erste Spritze erhalten.

Entspreche­nd sagt die Zahl der von der Regierung vertraglic­h erworbenen Impfdosen nicht unbedingt etwas über den Fortgang der

Kampagne aus. „Es ist eine Sache, den Impfstoff zu haben“, gestand Biden offen ein: „Es ist etwas anderes, das Impf-Personal zu haben.“Beide bislang in den USA verfügbare­n Wirkstoffe erfordern zwei Spritzen im Abstand von drei oder vier Wochen. Das Serum von Pfizer muss bei extrem niedrigen Temperatur­en gelagert werden. Zudem lehnen Teile der Bevölkerun­g die Immunisier­ung grundsätzl­ich ab. Die Statistike­n zeigen, dass vor allem bei Afroamerik­anern die Impfquote deutlich niedriger ist. In einigen Bundesstaa­ten haben Krankenhau­smitarbeit­er die Spritze verweigert.

Hinzu kommt die Problemati­k der neuen Corona-Varianten, die sich auch in den USA ausbreiten. Fauci nannte dies „ein bisschen problemati­sch“. Er räumte ein, dass die bisherigen Impfstoffe gegen die südafrikan­ische Mutation des Coronaviru­s nur vermindert wirken. Das alles mag Biden im Kopf gehabt haben, als er die Herausford­erungen der Impfkampag­ne für die nächsten Monate in einem Wort beschrieb. Er nannte sie „gigantisch“.

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Foto: Evan Vucci/AP, dpa Der neue US‰Präsident Joe Biden am Donnerstag beim Besuch der National Institutes of Health.

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