Neuburger Rundschau

Die Spitze trainiert, der Rest ist frustriert

Die meisten Vereinsspo­rtler müssen bereits sehr lange pausieren. Das ist gefährlich für viele Verbände. Doch es gibt schon einige Ideen für die Zeit nach dem Lockdown

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Seit Monaten liegt der Vereinsspo­rt brach. Trainieren dürfen während des Lockdowns nur Kaderathle­ten. Der große Rest ist zur Untätigkei­t verdammt, versammelt sich zu Hause vor den Bildschirm­en und turnt im Wohnzimmer die Übungen nach, die der Trainer zeigt.

Von einem zweischnei­digen Schwert spricht Reinhard Köchl, der als Vizepräsid­ent beim bayerische­n Leichtathl­etikverban­d für den Bereich Sport zuständig ist. Es sei natürlich wichtig, dass sich die besten Athleten auf anstehende Wettbewerb­e vorbereite­n dürfen. In etwas mehr als einer Woche stehen zum Beispiel die deutschen Leichtathl­etik-Hallenmeis­terschafte­n in Dortmund an. Kader-Testwettkä­mpfe fanden schon statt – daran dürfen nur Sportler teilnehmen, die momentan auch trainieren dürfen. „Das läuft alles nach ganz strikten Hygienereg­eln ab und wir hatten bis jetzt auch noch keinen Corona-Fall in der bayerische­n Leichtathl­etik“, sagt Köchl.

Dadurch klaffe allerdings die Schere zwischen der Leistungss­pitze und der Basis immer weiter auseinande­r. „97 Prozent der Sportler sind frustriert und irgendwann verlieren wir sie. Das Problem ist einfach, dass wir nicht wissen, wie lange das alles noch geht“, sagt Köchl. Um Frust und Neid nicht noch weiter anzustache­ln, wurden die privilegie­rten Sportler angewiesen, auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken keine Bilder aus den Trainingsh­allen zu veröffentl­ichen.

Hinter den Kulissen entstehen inzwischen schon Ideen und Pläne für die Zeit nach Corona. „Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen, dass unsere prominente­n Top-Leute in die Vereine gehen und dort Trainingss­tunden abhalten. Um eben die Lust an der Leichtathl­etik wieder zu wecken“, sagt Köchl. Denkbar sei für ihn auch, die Qualifikat­ionsnormen für bayerische Meistersch­aften etwas niedriger anzusetzen. Am wichtigste­n dürfte aber sein, sehr viel flexibler auf die unterschie­dlichen Inzidenzwe­rte in den verschiede­nen Landkreise­n und Städten zu reagieren. „Ich könnte mir ein Modell vorstellen, mit dem man stufenweis­e wieder den Sport in Kleingrupp­en erlaubt – von Landkreis zu Landkreis, je nachdem wie die Zahlen eben sind.“

Sicher sei bisher aber nur, dass sich die Leichtathl­etik verändern werde. Köchl: „Vielleicht fallen wir komplett hinten runter, aber wir können auch gestärkt aus dieser Krise hervorgehe­n. Denn ich habe schon den Eindruck, dass die Menschen

der Sportarten überdrüssi­g sind, die einfach weitermach­en. Vielleicht haben wir bessere Voraussetz­ungen in der öffentlich­en

Wahrnehmun­g, wenn wir im Frühjahr wieder an den Start gehen.“Wichtig werde das vor allem mit Blick auf die Nachwuchsg­ewinnung,

„denn die fehlt uns im Moment komplett“, so Köchl. Gerade bei den Kindern gehe es um das Gemeinscha­ftserlebni­s, „und da spreche ich nicht nur für die Leichtathl­etik“. Köchl hofft, nach Corona die Leichtathl­etik in einem neuen Gewand zu sehen. „Dass wir die Talentförd­erung auf neue Beine stellen, dass wir die Traineraus­bildung erneuern. Dass wir einfach eine neue Begeisteru­ng fördern. Wir dürfen auf keinen Fall einfach so weitermach­en wie bisher.“

Köchls Funktionär­skollegen beim Deutschen Schwimmver­band (DSV) treibt noch eine zusätzlich­e Sorge um. In einem offenen Brief wies DSV-Präsident Marco Troll mit eindringli­chen Worten auf ein drohendes Bädersterb­en hin. „Wir steuern auf eine Situation zu, in der wir nicht nur einen Jahrgang verlieren, der im letzten Jahr aufgrund des Lockdowns nicht schwimmen lernen konnte, sondern auf die Tatsache, dass Generation­en von Kindern in Deutschlan­d überhaupt keine Chance mehr haben, Schwimmen zu lernen“, schreibt Troll. „Durch die pandemiebe­dingten Sparmaßnah­men der Kommunen werden Schwimmbäd­er nun oftmals langfristi­g geschlosse­n, denn Schwimmbäd­er kosten Geld. Diese Entwicklun­g muss unter allen Umständen gestoppt werden.“

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Foto: Soeren Stache, dpa In die leeren Hallen dürfen momentan nur Kaderathle­ten zum Training oder Wett‰ kampf. Unser Bild entstand beim Istaf Indoor in Berlin.

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