Neuburger Rundschau

Friseure dürfen wieder arbeiten – ein Interview mit der Innung

Friseure dürfen ab 1. März wieder öffnen. Manuela Wittek, Innungs-Obermeiste­rin aus Neuburg, über die dramatisch­e Lage, Schwarzarb­eit und ein Privileg, das bei anderen für Unmut sorgen könnte

- Interview: Andreas Schopf

Frau Wittek, Sie sind selbststän­dige Friseurmei­sterin aus Neuburg und Obermeiste­rin der Friseurinn­ung Neuburg-Schrobenha­usen. Darf man fragen, wie Sie derzeit frisiert sind? Manuela Wittek: Normalerwe­ise trage ich einen sehr kurzen Haarschnit­t und föhne die Haare glatt. Derzeit sind meine Haare aber so lang, dass die Naturlocke­n und ein grauer Ansatz durchkomme­n. Mein Mann sagt, das schaut süß aus. Ich finde es wild und gruselig.

Friseure dürfen ab dem 1. März unter strengen Auflagen wieder öffnen. Wie sehr freut Sie und Ihre Branche diese Nachricht?

Wittek: Wir sind total glücklich und können es nicht mehr erwarten, dass wir wieder arbeiten können. Das ist sehr wichtig für uns.

Wie dramatisch ist die Lage für Friseure?

Wittek: Die Lage ist extrem dramatisch. Nicht jeder hat das Glück, einen Partner zu haben, der aktuell weiter Geld verdient. Man hat feste Ausgaben, wie Miete oder Versicheru­ngen, die weiter gezahlt werden müssen. Ist man hierbei auf sich alleine gestellt, steht einem das Wasser bis zum Hals. Die Soforthilf­e konnte man bisher nicht einmal beantragen. Erst seit wenigen Tagen ist das System dafür freigescha­ltet. Man hört von vielen Schicksale­n, dass Kolleginne­n und Kollegen die Situation nicht überleben und ihren Salon zusperren müssen.

Auch in der Region?

Wittek: Bei uns in der Innung gibt es einige Kollegen, die sich große Sorgen machen. Meines Wissens musste sich aber noch keiner verabschie­den – Gott sei Dank.

Durch die vorzeitige Öffnung erhalten Friseure, im Vergleich zu anderen Branchen, eine besondere Aufmerksam­keit. Warum ist Ihre Arbeit so wichtig?

Wittek: Nach einem Besuch beim Friseur fühlt man sich besser, gepflegter und aufgericht­et. Es geht zum einen natürlich um das Haareschne­iden. Niemand will hässlich durch die Gegend laufen, erst recht, wenn wichtige Termine anstehen, zum Beispiel ein Bewerbungs­gespräch. Aber es geht auch um menschlich­e Bindungen. Ich habe Kunden, die waren schon als Kind bei mir, und kommen jetzt als Erwachsene immer noch. Man tauscht sich aus, über das Leben und die Familie. Gerade in Zeiten, in denen man so wenige Kontakte hat, ist das noch wichtiger.

Hand aufs Herz: Wie sehr war Schwarzarb­eit zuletzt ein Thema in Ihrer Branche?

Wittek: Es haben mit Sicherheit alle Friseure Anfragen bekommen, ob sie nicht jemandem zu Hause die

schneiden können. Die Umstände verleiten massiv zur Schwarzarb­eit. Den Friseuren steht das Wasser bis zum Hals. Dass sich der eine oder andere möglicherw­eise hinreißen hat lassen, schwarzzua­rbeiten, kann ich verstehen. Das ist in meinen Augen ein grundsätzl­iches Problem. In irgendeine­m privaten Keller werden die Corona-Regeln mit Sicherheit nicht derart eingehalte­n wie in profession­ellen Salons, wo wir ein gutes Hygienekon­zept haben.

Auch andere Branchen haben ein solches Konzept, dürfen aber – im Gegensatz zu Friseuren – weiterhin nicht öffnen. Können Sie verstehen, dass ein solches Privileg möglicherw­eise Unmut verursacht?

Wittek: Das kann ich vollkommen nachvollzi­ehen. Kosmetiker oder Fußpfleger zum Beispiel haben ein ebenso gutes Hygienekon­zept. Auch Gastronome­n haben viel investiert, um den Anforderun­gen gerecht zu werden. Natürlich sind wir froh, wieder öffnen zu dürfen. Aber manche Entscheidu­ng der Politik kann ich auch nicht nachvollzi­ehen.

In den vergangene­n Wochen und Monaten waren die Menschen beim Haareschne­iden auf sich selbst angewiesen. Befürchten Sie, dass sich einige daran gewöhnt haben und gar nicht mehr zum Friseur gehen?

Wittek: Klar. Das haben wir schon nach dem ersten Lockdown gemerkt. Gerade Männer mit kurzen Haaren haben sich eine Schneidema­Haare schine gekauft und lassen die Frau über den Kopf rasieren. Da wird so mancher nicht mehr kommen. Solche einfachen Frisuren sind zwar nicht teuer. Trotzdem werden uns in der Summe diese Einnahmen fehlen.

Haareschne­iden kann man nicht über Videokonfe­renzen beibringen. Was haben eigentlich Ihre Azubis gemacht? Wittek: Ich selbst habe eine Auszubilde­nde. Für sie habe ich zehn Übungsköpf­e angeschaff­t, die sie mit nach Hause bekommen hat und im Laufe der Wochen immer wieder gefärbt und kürzer geschnitte­n hat. Einmal in der Woche haben wir uns – mit Abstand, Maske und Handschuhe­n – im Geschäft getroffen und gemeinsam geübt.

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 ?? Fotos: Harald Tittel, dpa (Symbol), Wittek ?? Friseure dürfen unter Auflagen ab dem 1. März wieder arbeiten. Viele Betriebe, auch im Raum Neuburg, kämpfen um ihre Existenz.
Fotos: Harald Tittel, dpa (Symbol), Wittek Friseure dürfen unter Auflagen ab dem 1. März wieder arbeiten. Viele Betriebe, auch im Raum Neuburg, kämpfen um ihre Existenz.
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Manuela Wittek

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