Friseure dürfen wieder arbeiten – ein Interview mit der Innung
Friseure dürfen ab 1. März wieder öffnen. Manuela Wittek, Innungs-Obermeisterin aus Neuburg, über die dramatische Lage, Schwarzarbeit und ein Privileg, das bei anderen für Unmut sorgen könnte
Frau Wittek, Sie sind selbstständige Friseurmeisterin aus Neuburg und Obermeisterin der Friseurinnung Neuburg-Schrobenhausen. Darf man fragen, wie Sie derzeit frisiert sind? Manuela Wittek: Normalerweise trage ich einen sehr kurzen Haarschnitt und föhne die Haare glatt. Derzeit sind meine Haare aber so lang, dass die Naturlocken und ein grauer Ansatz durchkommen. Mein Mann sagt, das schaut süß aus. Ich finde es wild und gruselig.
Friseure dürfen ab dem 1. März unter strengen Auflagen wieder öffnen. Wie sehr freut Sie und Ihre Branche diese Nachricht?
Wittek: Wir sind total glücklich und können es nicht mehr erwarten, dass wir wieder arbeiten können. Das ist sehr wichtig für uns.
Wie dramatisch ist die Lage für Friseure?
Wittek: Die Lage ist extrem dramatisch. Nicht jeder hat das Glück, einen Partner zu haben, der aktuell weiter Geld verdient. Man hat feste Ausgaben, wie Miete oder Versicherungen, die weiter gezahlt werden müssen. Ist man hierbei auf sich alleine gestellt, steht einem das Wasser bis zum Hals. Die Soforthilfe konnte man bisher nicht einmal beantragen. Erst seit wenigen Tagen ist das System dafür freigeschaltet. Man hört von vielen Schicksalen, dass Kolleginnen und Kollegen die Situation nicht überleben und ihren Salon zusperren müssen.
Auch in der Region?
Wittek: Bei uns in der Innung gibt es einige Kollegen, die sich große Sorgen machen. Meines Wissens musste sich aber noch keiner verabschieden – Gott sei Dank.
Durch die vorzeitige Öffnung erhalten Friseure, im Vergleich zu anderen Branchen, eine besondere Aufmerksamkeit. Warum ist Ihre Arbeit so wichtig?
Wittek: Nach einem Besuch beim Friseur fühlt man sich besser, gepflegter und aufgerichtet. Es geht zum einen natürlich um das Haareschneiden. Niemand will hässlich durch die Gegend laufen, erst recht, wenn wichtige Termine anstehen, zum Beispiel ein Bewerbungsgespräch. Aber es geht auch um menschliche Bindungen. Ich habe Kunden, die waren schon als Kind bei mir, und kommen jetzt als Erwachsene immer noch. Man tauscht sich aus, über das Leben und die Familie. Gerade in Zeiten, in denen man so wenige Kontakte hat, ist das noch wichtiger.
Hand aufs Herz: Wie sehr war Schwarzarbeit zuletzt ein Thema in Ihrer Branche?
Wittek: Es haben mit Sicherheit alle Friseure Anfragen bekommen, ob sie nicht jemandem zu Hause die
schneiden können. Die Umstände verleiten massiv zur Schwarzarbeit. Den Friseuren steht das Wasser bis zum Hals. Dass sich der eine oder andere möglicherweise hinreißen hat lassen, schwarzzuarbeiten, kann ich verstehen. Das ist in meinen Augen ein grundsätzliches Problem. In irgendeinem privaten Keller werden die Corona-Regeln mit Sicherheit nicht derart eingehalten wie in professionellen Salons, wo wir ein gutes Hygienekonzept haben.
Auch andere Branchen haben ein solches Konzept, dürfen aber – im Gegensatz zu Friseuren – weiterhin nicht öffnen. Können Sie verstehen, dass ein solches Privileg möglicherweise Unmut verursacht?
Wittek: Das kann ich vollkommen nachvollziehen. Kosmetiker oder Fußpfleger zum Beispiel haben ein ebenso gutes Hygienekonzept. Auch Gastronomen haben viel investiert, um den Anforderungen gerecht zu werden. Natürlich sind wir froh, wieder öffnen zu dürfen. Aber manche Entscheidung der Politik kann ich auch nicht nachvollziehen.
In den vergangenen Wochen und Monaten waren die Menschen beim Haareschneiden auf sich selbst angewiesen. Befürchten Sie, dass sich einige daran gewöhnt haben und gar nicht mehr zum Friseur gehen?
Wittek: Klar. Das haben wir schon nach dem ersten Lockdown gemerkt. Gerade Männer mit kurzen Haaren haben sich eine SchneidemaHaare schine gekauft und lassen die Frau über den Kopf rasieren. Da wird so mancher nicht mehr kommen. Solche einfachen Frisuren sind zwar nicht teuer. Trotzdem werden uns in der Summe diese Einnahmen fehlen.
Haareschneiden kann man nicht über Videokonferenzen beibringen. Was haben eigentlich Ihre Azubis gemacht? Wittek: Ich selbst habe eine Auszubildende. Für sie habe ich zehn Übungsköpfe angeschafft, die sie mit nach Hause bekommen hat und im Laufe der Wochen immer wieder gefärbt und kürzer geschnitten hat. Einmal in der Woche haben wir uns – mit Abstand, Maske und Handschuhen – im Geschäft getroffen und gemeinsam geübt.