Neuburger Rundschau

Was wird eigentlich aus den Corona‰Anzeigen?

Immer wieder halten sich Menschen nicht an die Regelungen. Wie viele Vergehen es 2020 in der Region gab, wie viel Bußgeld fällig war und warum ein Betroffene­r deswegen sogar hinter Gittern saß

- VON ANDREAS SCHOPF

Neuburg Ein Jahr schon leben wir mit der Pandemie, mit Lockdowns in verschiede­nen Abstufunge­n, mit Ausgangsbe­schränkung­en und diversen Maskengebo­ten. Die Regelungen haben sich fortlaufen­d verändert. So mancher Bürger hat sich nicht immer daran gehalten. Immer wieder in den vergangene­n Monaten hat die Polizei in Neuburg Verstöße gegen die Corona-Auflagen gemeldet. Doch wie oft kam so etwas eigentlich vor? Und wie ging es für die Betroffene­n in diesen Fällen weiter?

Die Polizei ist in dieser Angelegenh­eit die erste Instanz. Sie kontrollie­rt die Einhaltung der Regelungen vor Ort. Andreas Aichele, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord, teilt auf Anfrage hierzu mit: „Konkrete Zahlen sind derzeit nicht verfügbar, da die polizeilic­he Kriminalst­atistik 2020 noch nicht veröffentl­icht wurde.“

Den Erfahrunge­n der Polizei nach hält sich die überwältig­ende Mehrheit der Bürger an die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – und dies bis heute. „Über Ermüdungse­rscheinung­en können wir nicht berichten“, so Aichele. Tendenziel­l könne man angeben, dass die Zahl der festgestel­lten Verstöße in der Stadt Ingolstadt im Januar 2021 gegenüber den beiden Vormonaten gestiegen ist, während sich die Tendenz für die Stadt Neuburg eher seitwärts bewegt: Im Januar 2021 wurden demnach mehr Verstöße gemeldet als im Vormonat, allerdings weniger als im November 2020. Etwa jeweils anteilig zu einem Drittel habe die Polizei Verstöße gegen die Ausgangs-/Kontaktbes­chränkung, die nächtliche Ausgangssp­erre sowie gegen die Tragepflic­ht von Masken geahndet. „Gerade bei jüngeren Menschen werden immer wieder Treffen von mehr als zwei Haushalten festgestel­lt, um sich auszutausc­hen“, heißt es von der Polizei.

Deren Anzeigen landen im Ordnungsam­t des Landratsam­tes. Im Jahr 2020 gab es dort 631 Ordnungswi­drigkeiten­anzeigen zum Infektions­schutz, teilt Sprecherin Sabine Gooss mit. Nach ihren Angaben sind alle Anzeigen abgearbeit­et oder zumindest in Bearbeitun­g. Im Jahr 2021 sind bisher (Stand Anfang Februar) 48 Corona-Anzeigen eingegange­n, bisher keine bezüglich einer Missachtun­g der Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, so Gooss. Nach ihren Angaben wurden 2020 insgesamt 90 Verfahren wieder eingestell­t. Die meisten Anzeigen

jedoch ein Bußgeld zur Folge. Im vergangene­n Jahr war demnach infolge dieser Anzeigen ein Bußgeld von insgesamt rund 80.000 Euro fällig. 63 Personen haben Einspruch eingelegt gegen den Bußgeldbes­cheid. 27 Verfahren sind an das Amtsgerich­t weitergele­itet worden.

Dort landen die Fälle auf dem Schreibtis­ch von Verena Käbisch. Die Richterin ist für den Bereich Ordnungswi­drigkeiten zuständig – und somit auch für die Corona-Verstöße. Die seien „rechtliche­s Neuland“für alle Beteiligte­n gewesen, sagt sie rückblicke­nd auf das vergangene Jahr. Bislang habe sie vor allem Verstöße aus dem Frühjahr sowie Einzelfäll­e aus dem Sommer abgearbeit­et.

Die Pandemie-Vergehen seien nach ihren Erfahrunge­n quer durch alle Bevölkerun­gs- und Altersschi­chten vorgekomme­n. Die landläufig­e Annahme, dass gerade Jugendlich­e Party machen, könne sie anhand ihrer Fälle nicht bestätigen. Häufig wurde die Wohnung ohne triftigen Grund verlassen oder gegen die Kontaktbes­chränkunge­n verstoßen. Auch mit Gastronome­n gab es Vorfälle. Einmal etwa saßen in einem Lokal zu viele Menschen an einem Tisch, und das zu später

Stunde. Einmal baute der Betreiber eines Dönerstand­s Tische auf der Straße auf, was nicht erlaubt war. Und einmal trafen sich Jugendlich­e im Wald, um gemeinsam Alkohol zu trinken, berichtet Käbisch.

Der „Klassiker“unter den Ausreden, die Betroffene in ihren Einsprüche­n angaben, sei die Behauptung gewesen, dass man sich rein zufällig getroffen habe. Ihrer Ladung zur Hauptverha­ndlung habe sie häufig einen Hinweis angehängt, wie sie die Angelegenh­eit nach Aktenlage bewertet, so Käbisch. Mehrere Menschen treffen sich rein zufällig fenen aber in Ordnung gewesen. „Die klassische­n Corona-Leugner waren nicht dabei.“Die Verhandlun­gen kamen in aller Regel zu dem Ergebnis, dass ein Bußgeld fällig ist. Nicht jeder kam der Aufforderu­ng, dieses zu zahlen, nach. Es folgten Mahnungen. Kam das Geld trotzdem nicht, sprach die Richterin auf Antrag des Ordnungsam­tes eine sogenannte „Erzwingung­shaft“aus. Eine Maßnahme, die häufig nötig gewesen sei. Half diese schriftlic­he Androhung immer noch nicht, stand die Polizei mit der Ladung zum Haftantrit­t vor der Türe. „Da haben dann alle gezahlt – bis auf einen“, erzählt Käbisch. Ein Betroffene­r weigerte sich nach ihren Angaben standhaft, das Bußgeld zu zahlen, weshalb er in der Folge einige Tage hinter Gittern „absitzen“musste.

In der kommenden Zeit behandelt die Richterin Fälle aus dem Herbst, als die zweite Corona-Welle erneute, weitreiche­nde Beschränku­ngen mit sich brachte. Käbisch glaubt, dass die Bereitscha­ft der Leute, gegen die Bußgelder anzugehen, steigen wird. Im vergangene­n Frühjahr waren bei Verstößen 150 Euro fällig, seit dem Herbst sind es zum Teil 500 Euro. „Ich vermute, für einen solchen Betrag werden die Menschen noch mehr kämpfen.“

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