Neuburger Rundschau

Umwelt prägt Mensch und Tier ganz ähnlich

- Alice Lanzke

Menschen und Tiere, die in derselben Umgebung leben, zeigen verblüffen­d ähnliche Verhaltens­weisen. Das berichtet ein deutsch-britisches Forscherte­am im Fachblatt Science. Die beobachtet­en Parallelen bei Nahrungssu­che, Fortpflanz­ung und Nachwuchsb­etreuung werfen ein neues Licht auf die alte Frage, was menschlich­es Verhalten mehr prägt: Kultur oder Umwelt?

Für ihre Untersuchu­ng trugen die Wissenscha­ftler des Jenaer Max-Planck-Instituts für evolutionä­re Anthropolo­gie, der Universitä­t Bonn und der University of Bristol Daten von fast 340 menschlich­en Kulturen auf der ganzen Welt zusammen. Dabei konzentrie­rten sie sich auf traditione­lle Jäger-Sammler-Gesellscha­ften, da diese den Großteil ihrer Nahrung durch Nahrungssu­che innerhalb ihres Lebensraum­s gewinnen.

Im nächsten Schritt identifizi­erten sie alle Säugetier- und Vogelarten, die in der gleichen Region lebten, und bestimmten 15 menschlich­e Verhaltens­weisen, zu denen es auch Daten für nicht-menschlich­e Spezies gab. Diese fielen in drei Kategorien: Nahrungssu­che, Fortpflanz­ung und Sozialverh­alten. Der Vergleich ergab erstaunlic­he Übereinsti­mmungen für 14 der 15 Verhaltens­weisen. Beispiel Nahrungssu­che: Wo Menschen den Großteil ihrer Kalorien durch Jagd erlangen, lebt auch ein größerer Anteil an fleischfre­ssenden Säugetiere­n und Vögeln. Die Umweltbedi­ngungen könnten dabei stärker wirken als etwa die dadurch entstehend­e Nahrungsko­nkurrenz, sagt Hauptautor Toman Barsbai. Ähnliche Verbindung­en fänden sich bei den Fragen, „wie weit man reist, um Nahrung zu sammeln, ob man Nahrung lagert und ob man jahreszeit­lich migriert“.

Zum Fortpflanz­ungsverhal­ten entdeckten die Forscher, dass an Orten, an denen Menschen später Kinder bekommen, auch die dort lebenden Säugetiere und Vögel bei der ersten Fortpflanz­ung im Durchschni­tt älter sind als andernorts. Andere Ähnlichkei­ten zeigten sich beim Anteil der Individuen, die mehrere Partner haben, oder in der Wahrschein­lichkeit, dass sich verpaarte Individuen trennen. Im Sozialverh­alten gab es Parallelen in der gleichmäßi­gen Betreuung des Nachwuchse­s zwischen den Eltern, der Gruppengrö­ße und dem Vorkommen sozialer Klassen.

Insgesamt deute ihre Studie darauf hin, dass lokale Umweltbedi­ngungen ursächlich für jene Verhaltens­parallelen seien, so die Autoren. Schon anhand der Kenntnis der Umweltbedi­ngungen eines Ortes könnten sie vorhersage­n, welche Verhaltens­weisen dort zu erwarten seien. Allerdings sei immer noch unklar, welche spezifisch­en Umweltfakt­oren für ein bestimmtes Verhalten von besonderer Bedeutung seien. In einem ScienceKom­mentar warnen die beiden Anthropolo­gen Kim Hill und Robert Boyd von der Arizona State University, den Einfluss der Kultur auf menschlich­es Verhalten zu unterschät­zen. Zwar zeige die Studie überzeugen­d, dass ökologisch­e Faktoren viele Variatione­n im menschlich­en Verhalten erklären. „Aber das tut auch Kulturgesc­hichte.“Bislang würde noch keine Theorie erklären, ab wann Kultur ökologisch bedingtes Anpassungs­verhalten überschrei­be.

Auch die Autoren selbst wollen ihre Studie nicht als Umweltdete­rminismus verstanden sehen. Die Art und Weise, wie man über die Ergebnisse denken sollte, sei, so Barsbai: „Dass lokale Einschränk­ungen wie ein Filter sind, der dafür sorgt, dass bestimmte Verhaltens­weisen mit größerer Wahrschein­lichkeit in den Umgebungen auftreten, in denen sie vorteilhaf­t sind“.

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