Warum sind die Deutschen bisher so gut?
Die Mannschaft des DSV ist die große Überraschung dieser WM. „Sensationell“findet die ehemalige Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch den Auftakt von Weidle & Co. Sie hat auch Erklärungen dafür
Cortina d’ Ampezzo Wer ein Haar in der Suppe finden wollte, der könnte sich an der einen Hundertstel stören, die Andreas Sander zu WMGold fehlte. Aber vielleicht wäre es dann doch des Guten zu viel gewesen, hätte es in Cortina d’Ampezzo plötzlich auch noch einen deutschen Abfahrtsweltmeister gegeben. Denn schon jetzt ist die deutsche Mannschaft die große Überraschung dieser WM. Dreimal Silber in den Speed-Wettbewerben der ersten Woche - damit hatte niemand gerechnet.
Auch die zweifache Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch hat aufmerksam beobachtet, was ihre ehemaligen Teamkollegen in den Dolomiten zeigen. „Wetterbedingt war der Start ja etwas schwierig. Diese Warterei der ersten Tage ist immer ungut für die Athleten. Aber seit Donnerstag herrschen die allerbesten Bedingungen und aus deutscher Sicht ist es schon sensationell, wie es bisher läuft“, sagt die 36-Jährige unserer Redaktion. Am meisten habe sie überrascht, dass Kira Weidle in der Abfahrt der Frauen Silber gewann. Die bis dahin letzte Medaille in der alpinen Königsdisziplin hatte Höfl-Riesch 2013 in Schladming geholt. Sie war damals Dritte geworden. „Dass Kira schnell fahren kann, hat sie zwar schon bewiesen. Aber in der Saison hat die Konstanz gefehlt“, sagt Höfl-Riesch. Auch bei den letzten Rennen vor der WM habe Weidle nicht den allerbesten Eindruck gemacht. „Aber im Training hat man dann gesehen, dass sie mit der Strecke gut zurecht kommt. Sie ist in Cortina schon öfter stark gefahren. Und ich weiß das aus eigener Erfahrung: Wenn einem eine Strecke liegt, dann ist es mental ein gewisser Vorteil.“
Während Weidle als Einzelkämpferin für den DSV in den Speed-Disziplinen unterwegs ist, haben sich die Männer inzwischen in Mannschaftsstärke in der Weltspitze eingenistet. Entscheidend für diesen Aufschwung sei laut Höfl-Riesch der Wechsel des ehemaligen Frauen-Trainers Christian Schwaiger zu den Männern gewesen. 2014 war das. Das deutsche Speedteam fuhr damals derart hinterher, dass mancher im DSV schon darüber nachdachte, sich die teure Sparte ganz zu sparen. Zu viel Aufwand für nahezu keinen Ertrag. Der damalige Cheftrainer Matthias Berthold sah das anders. Er holte lieber seinen österreichischen Landsmann Schwaiger zu den Männern. Der stieg seinerseits 2019 zum DSV-Cheftrainer der Männer auf und erntet nun die Früchte seiner siebenjährigen Arbeit. „Natürlich konnte Christian auch nicht alles von heute auf morgen ändern. Aber man hat in den letzten Jahren eine Entwicklung beobachten können. Von Jahr zu Jahr waren das Schritte nach vorne“, lobt Höfl-Riesch. Als Thomas Dreßen 2018 in Kitzbühel gewann, mussten das auch die größten Skeptiker anerkennen. „Sie haben ein HerrenTeam aufgestellt, dass auch eine gewisse Breite hat. Und in diesem Jahr haben sie es geschafft, die Formkurve so hinzubekommen, dass es bei der WM auf den Punkt genau funktioniert. Das ist schon eine Sensation, unfassbar.“
Momentan belegt Deutschland im Medaillenspiegel Rang drei. Hinter den Top-Nationen Schweiz und Österreich. Höfl-Riesch: „Bisher ist das Schweizer Team natürlich sensationell stark. Auch die Österreicher mit dem Doppel-Weltmeister Vincent Kriechmayr sind gut unterwegs. Und dann kommen ja schon die Deutschen.“
Lange Zeit waren es eher die technischen Disziplinen, die den DSV mit Medaillen versorgten. Felix Neureuther beispielsweise hat aber längst die Seiten gewechselt und arbeitet als Experte für die ARD. Seine Nachfolger gehen nicht als Medaillenkandidaten in die Rennen der zweiten Woche. „Alles, was jetzt was noch kommt, ist eine Zugabe“, urteilt Höfl-Riesch. „Das ist für die Techniker schon eine Entlastung, dass die Speed-Leute so vorgelegt haben. Es ist jetzt schon eine erfolgreiche WM, das nimmt den Druck. Eine Medaille ist jetzt nicht mehr unbedingt zu erwarten.“Am ehesten ist Slalomfahrer Linus Straßer der Sprung aufs Podest zuzutrauen. „Dass er Rennen gewinnen kann, hat er schon gezeigt. Er war in den letzten Wochen vielleicht ein bisschen aus der Spur, aber auch für ihn könnte es ein mentaler Vorteil sein, dass er nicht den ganz großen Erwartungsdruck hat.“