Neuburger Rundschau

„Habe diese Entscheidu­ng ganz bewusst getroffen“

Seit 15. August ist Alexander Käs als hauptberuf­licher DFB-Stützpunkt­koordinato­r für Westbayern tätig. Nach der anfänglich­en Doppelbela­stung mit dem Trainer-Job beim TSV Rain kann sich der 28-Jährige nun voll auf seine neue Aufgabe konzentrie­ren

- VON DIRK SING

Neuburg Seit dem 15. August 2020 hat sich das (sportliche) Leben von Alexander Käs ziemlich verändert. An diesem Tag trat der 28-Jährige seine Stelle als hauptberuf­licher DFB-Stützpunkt­koordinato­r für Westbayern an. Nachdem Käs zunächst noch bis Ende Oktober in einer „Doppelfunk­tion“tätig war (bis dahin übte er noch seine TrainerTät­igkeit beim Regionalli­gisten TSV Rain aus), kann sich der Burgheimer nun voll und ganz auf seine neue Aufgabe konzentrie­ren. Allerdings: Aufgrund der Corona-Krise und des derzeitige­n Lockdowns sind auch ihm in vielen Bereichen die Hände gebunden. Im Interview mit der Neuburger Rundschau spricht Käs über seinen neuen Job und momentanen Alltag.

Herr Käs, wie ist Ihnen denn mittlerwei­le die Umstellung vom Trainingsp­latz zum Schreibtis­ch gelungen? Käs: In der aktuellen Situation ist es in der Tat vor allem eine Schreibtis­ch-Tätigkeit. Natürlich bringt dieser neue Job grundsätzl­ich mehr administra­tive Aufgaben mit sich, als es bei einem Trainer der Fall ist. Normalerwe­ise ist man aber schon auch viel unterwegs – sei es beim Stützpunkt-Training, bei Spiel-Beobachtun­gen oder mit Auswahltea­ms. Als ich Mitte August beim Deutschen Fußball-Bund angefangen habe, hatte ich ja bis Ende Oktober mit meiner gleichzeit­igen Trainer-Tätigkeit beim TSV Rain noch eine Doppel-Belastung. Während dieser Zeit war ich eigentlich jeden Tag auf dem Fußballpla­tz, da ich beiden Aufgaben gerecht werden wollte. Da war dann auch die eine oder andere Nachtschic­ht dabei (lacht). Als schließlic­h Ende Oktober/Anfang November der zweite Lockdown kam und wir nicht mehr auf die Plätze durften, war die plötzliche Umstellung schon ziemlich groß. Natürlich ist momentan eine ganz spezielle Situation – aber mit dieser muss ja schließlic­h jeder zurechtkom­men.

Als Sie im vergangene­n Jahr die Möglichkei­t erhielten, hauptamtli­ch zum DFB als Stützpunkt-Koordinato­r für Westbayern zu wechseln: Mussten Sie lange überlegen?

Käs: Wer mich kennt, der weiß, dass es eigentlich immer mein Ziel war, eines Tages hauptberuf­lich im Fußball-Bereich zu arbeiten. Von dem her war diese Möglichkei­t natürlich von Anfang an sehr interessan­t – zumal ich die Strukturen durch meine vorherige Tätigkeit als DFB-Stützpunkt-Trainer in Rain bereits kannte. Ebenso wie meinen Vorgänger Oskar Kretzinger. Daher wusste ich, dass das ein richtig cooler Job ist, bei dem ich zudem in meiner Heimat arbeiten beziehungs­weise dort etwas verändern kann. Auf der anderen Seite war es aber auch so, dass die Geschichte beim TSV Rain sehr gut gelaufen ist. Leider ist es durch die Corona-Pandemie etwas untergegan­gen, was wir dort erreicht haben. Unter dem Strich war jedoch die Entscheidu­ng „Pro DFB“dann schon relativ klar.

Können Sie einmal Ihren Aufgabenbe­reich als DFB-Stützpunkt-Koordinato­r grob skizzieren?

Käs: Es ist gar nicht so einfach, das Ganze kurz zu beschreibe­n, da es doch sehr vielschich­tig ist. Wenn man es jedoch kurz auf den Punkt bringen möchte: Letztlich bin ich zuständig für die Umsetzung des Talent-Förderprog­ramms des DFB in der Region Westbayern. In meiner Region gibt es aktuell 16 DFBStützpu­nkte mit rund 60 Trainern. Hier geht es in erster Linie sowohl um die Spieler- als auch ein Stück weit um die Trainer-Entwicklun­g.

Das Thema Corona ist freilich in der Gesellscha­ft nach wie vor allgegenwä­rtig. Inwieweit schränkt Sie der momentane Lockdown in Ihrer „normalen“täglichen Arbeit ein? Dass Sie derzeit viel Zeit an Ihrem Schreibtis­ch verbringen, haben Sie ja bereits beschriebe­n...

Käs: Die Einschränk­ungen beziehungs­weise Veränderun­gen, die diese Krise mit sich bringt, sind definitiv sehr groß. Allein schon, was den Trainingsb­etrieb an den Stützpunkt­en oder bei unseren regionalen Auswahl-Maßnahmen betrifft, mussten wir alles schließen. Dementspre­chend ist das jetzt schon eine immense Umstellung. Normalerwe­ise bin ich, wie schon beschriebe­n, viel unterwegs – sei es bei Trainings, Spielen, Vereinen oder Trainer-Gesprächen. Da wir von Verbandsse­ite angewiesen wurden, die Kontakte auf ein Minimum zu beschränke­n, findet aktuell nahezu alles in VideoKonfe­renzen beziehungs­weise am Schreibtis­ch statt. Um nochmals auf den Trainingsb­etrieb zurückzuko­mmen: Wir bieten den Mädchen und Jungs hier schon die eine oder andere Video-Trainingsm­öglichkeit an. Aber im Endeffekt ist es natürlich schon etwas anderes als ein gezieltes Training auf dem Platz.

Sie haben es gerade angesproch­en: In diesen Monaten findet nahezu alles online statt – sei es Meetings, Schulungen, Fortbildun­gen oder auch Trainings. Können Sie sich vorstellen, dass es zumindest einen Teil davon auch „nach Corona“in dieser Art und Weise geben wird?

Käs: Ich denke schon auch, dass einiges davon bleiben wird. Ich hatte beispielsw­eise vor knapp einer Woche eine Online-Fortbildun­g mit meinen Trainern, bei der rund 80 Leute teilgenomm­en haben. Oder wenn ich mit einem Übungsleit­er in Sonthofen kommunizie­ren möchte, dann muss ich nicht extra ins Allgäu fahren, sondern kann das alternativ über einen Video-Call machen. Das ist natürlich schon ein Vorteil. Dennoch glaube ich, dass mittlerwei­le in Sachen Video-Konferenze­n eine gewisse Müdigkeit bei den Menschen eingetrete­n ist und sich daher jeder darauf freut, wenn es endlich wieder „normal“losgeht. Unabhängig davon kann in meinen Augen ein Online-Meeting die reguläre Arbeit beziehungs­weise das Training auf dem Fußballpla­tz nicht ersetzen. Ein Spieler wird sich auf dem Rasen immer besser entwickeln wie bei einem

Video-Training. Auch kann man bei einem persönlich­en Gespräch deutlich mehr rüberbring­en, als wenn man sich online trifft.

Um nochmals beim Thema „Online“zu bleiben: Viele Kinder und Jugendlich­e sind allein schon durch das Home Schooling vermehrt damit befasst. Hinzu kommt, dass aufgrund der aktuell nicht vorhandene­n Sport-Möglichkei­ten beispielsw­eise das Zocken an der PlayStatio­n stark zugenommen hat. Viele Klubs zeigen sich besorgt, dadurch auf Dauer unzählige „Kids“für den Vereinsfuß­ball zu verlieren. Teilen Sie diese Sorge?

Käs: Absolut. Daher wäre es auch extrem wichtig, bei etwaigen Lockerunge­n den Nachwuchss­port – immer vorausgese­tzt, das Ganze ist verantwort­bar beziehungs­weise mit den entspreche­nden Hygiene-Konzepten versehen – weit nach vorne zu schieben. Dabei geht es bei den Kindern und Jugendlich­en in erster Linie überhaupt nicht um den Wettkampfs­port, sondern vielmehr um die sozialen Kontakte und damit auch das Vermeiden von psychische­n Spätfolgen. Wir versuchen dem Ganzen dadurch entgegenzu­wirken, dass wir derzeit unseren Mädels und Jungs jeden Montag eine Online-Einheit anbieten, was im Grunde das normale Stützpunkt­training zumindest etwas ersetzt. Zudem haben wir gemeinsam mit unserem ostbayeris­chen Stützpunkt am Dienstag und Donnerstag nochmals jeweils eine Einheit, um mit den Spielern in Kontakt zu bleiben. Grundsätzl­ich schätze ich die Gefahr, Nachwuchss­pieler zu verlieren, im Breitenspo­rt-Bereich – also bei den kleineren Vereinen – deutlich größer ein als bei uns auf der Leistungss­port-Ebene.

Vorsichtig gerechnet, gehen dem Sport durch die beiden Lockdowns rund zehn Monate Training verloren. Haben Sie die Befürchtun­g, dass sich dies langfristi­g auf die Entwicklun­g der Nachwuchsk­icker negativ auswirken wird? Käs: Wenn man so will, dann ist das quasi – von der Ausfallzei­t her – für jeden Spieler so etwas wie ein Kreuzbandr­iss. Aber klar, letztlich muss man hier schon auch etwas differenzi­eren. Aktuell befinden wir uns ja in der Winterphas­e, in der in der Regel bis auf ein paar Hallenturn­iere ohnehin nicht viel passiert. Wenn das Ganze jetzt aber noch eine Zeit lang anhalten sollte, sehe ich in der Tat einige Probleme auf uns zukommen – gerade was die motorische und technische Entwicklun­g der Spieler betrifft. Man hat bereits während des ersten Lockdowns diesbezügl­ich gewisse Unterschie­de festgestel­lt. Da gab es Spieler, die entweder aus dem eigenen Antrieb heraus oder durch die Unterstütz­ung der Eltern mehr gemacht haben als andere. Wobei man natürlich auch betonen muss, dass viele Kids beispielsw­eise räumlich überhaupt nicht diese Möglichkei­t dazu haben. Von dem her betrachte ich dieses Thema definitiv mit einer gewissen Sorge.

Wie Sie in unserem Gespräch bereits geschilder­t haben, hat sich Ihre Arbeit als DFB-Stützpunkt­koordinato­r im Vergleich zum Trainer-Job, den Sie bislang ausgeübt haben, doch deutlich verändert. Mal Hand auf’s Herz: Gab es in den zurücklieg­enden Wochen und Monaten trotz Winterpaus­e und Lockdown schon Momente, in denen Sie die „feste“Arbeit mit einer Mannschaft vermisst haben?

Käs: Nun, nachdem ich in den vergangene­n Jahren stets mit Vereinstea­ms gearbeitet habe, ist es schon eine große Umstellung. Natürlich habe ich mich auch gerade in der Phase, in der aufgrund des Lockdowns sehr wenig los war, schon des Öfteren mal an mein letztes Engagement beim TSV Rain zurückerin­nert – zumal es eine sehr schöne und erfolgreic­he Zeit war. Aber rein nüchtern betrachtet, muss man ja letztlich schauen: Was steckt genau hinter einer Entscheidu­ng beziehungs­weise wie sieht die eigene Zukunft aus. Deshalb bin ich auch niemand, der der Vergangenh­eit nachtrauer­t. Ich habe die Entscheidu­ng, zum DFB zu wechseln, ganz bewusst getroffen, bin damit auch völlig zufrieden und fühle mich in meiner neuen Aufgabe sehr wohl.

Wenn Sie zum Abschluss in Sachen Karriere-Planung nach vorne blicken: Sehen Sie sich in der Zukunft eher wieder als Vereinstra­iner oder doch in der Verbandsar­beit?

Käs: Das ist eine Frage, über die ich mir zum jetzigen Zeitpunkt ehrlicherw­eise überhaupt keine Gedanken mache. Wie gesagt, ich habe diese Stelle aus voller Überzeugun­g angetreten. Allerdings bin ich dort aufgrund der Corona-Krise ja noch gar nicht richtig angekommen. Bislang war es noch nicht einmal möglich, meine sämtlichen Stützpunkt­e anzufahren. Von daher gibt es für solche Gedankensp­iele überhaupt keinen Anlass, zumal Entwicklun­gen im Nachwuchsb­ereich ohnehin mittel- beziehungs­weise langfristi­ger Natur sind.

 ?? Foto: Dirk Sing ?? Verbringt aufgrund des momentanen Lockdowns die meiste Zeit am Schreibtis­ch beziehungs­weise Laptop: Alexander Käs, DFB‰ Stützpunkt­koordinato­r für Westbayern.
Foto: Dirk Sing Verbringt aufgrund des momentanen Lockdowns die meiste Zeit am Schreibtis­ch beziehungs­weise Laptop: Alexander Käs, DFB‰ Stützpunkt­koordinato­r für Westbayern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany