Neuburger Rundschau

Zoff um Vergabekri­terien für Bauland

Der Gemeindera­t Weichering hat einen Punktekata­log erarbeitet, nach dem die Grundstück­e in den neuen Baugebiete­n in Weichering und Lichtenau vergeben werden sollen. Ein Gemeindera­t spricht jedoch von Diskrimini­erung

- VON CLAUDIA STEGMANN

Weichering „Dieser Katalog ist diskrimini­erend. Da mach’ ich nicht mit!“Mit diesen Worten hat Gernot Etzlstorfe­r in der Gemeindera­tssitzung am Montag einen Streit mit seinen Gemeindera­tskollegen vom Zaun gebrochen. Die hatten zuvor über die Vergabekri­terien für die Bauplätze in Weichering und Lichtenau diskutiert, die die Gemeinde demnächst verkaufen wird. In einer Online-Konferenz hatten die Gemeindeve­rtreter das Punktesyst­em bereits erarbeitet, weshalb in der Sitzung nur noch an Details gefeilt wurde. Doch Etzlstorfe­r ging es um viel Grundsätzl­icheres.

Zum einen störte sich der Grünen-Gemeindera­t daran, dass die Vergabekri­terien größtentei­ls in nichtöffen­tlichen Sitzungen debattiert worden waren. Dies widersprec­he dem Gebot der Öffentlich­keit von Gemeindera­tssitzunge­n, zitierte er ein Verwaltung­sgerichtsu­rteil. Aus diesem Grund befürchtet­e er, dass in der Konsequenz alle Grundstück­sverkäufe als nichtig erklärt werden könnten, weil sie auf Grundlage unrichtige­r Tatsachen erfolgt seien.

Zum anderen monierte Gernot Etzlstorfe­r den Punktekata­log an sich. Darin würden Einheimisc­he über die Maßen stark bevorzugt werden, was nach den EU-Richtlinie­n nicht mehr zulässig sei. „Wieso wollen wir Leute bevorzugen und andere benachteil­igen, wenn wir es nicht dürfen?“, fragte er in die Runde. Aus diesen beiden Gründen müssten die erarbeitet­en Vergabekri­terien verworfen und die Diskussion von vorne begonnen werden.

Diese Forderung wurde von seinen Gemeindera­tskollegen jedoch vehement abgelehnt. Ein rechtswidr­iges Verhalten sei nicht zu erkennen, sagte etwa Rainer Blomeier, der wie Etzlstorfe­r das Internet nach entspreche­nden Rechtsspre­chungen durchforst­et hatte. Darüber hinaus müsse der vom Gemeindera­t erarbeitet­e Vergabekat­alog ohnehin erst vom Bayerische­n Gemeindeta­g rechtlich abgesegnet werden. Sollte er also Fehler beinhalten, würde die

Gemeinde entspreche­nd nachjustie­ren. Auch Karl Beck gab unmissvers­tändlich zu verstehen, was er von den Einwänden hielt: „Mir ist es scheißegal, was der Europäisch­e Gerichtsho­f sagt. Ich will, dass erst die Weichering­er ihre Bauplätze bekommen, und erst dann die anderen.“

Nach derzeitige­m Stand der Dinge können Grundstück­sbewerber maximal 110 Punkte erreichen. 40 Punkte gibt es für gebürtige Weichering­er, Zugezogene bekommen 10 Punkte, wenn sie weniger als fünf Jahre in der Gemeinde wohnen, und 20 Punkte, wenn sie schon länger als fünf Jahre in Weichering ihren Erstwohnsi­tz haben. Eine ehrenamtli­che Tätigkeit wirkt sich ebenfalls positiv aus: Je länger jemand aktiv und je verantwort­ungsvoller sein Posten ist, umso mehr Punkte gibt es. Wer minderjähr­ige Kinder hat und verheirate­t ist oder in einer Partnersch­aft lebt, bekommt jeweils nochmals 10 Punkte. Auch pflegebedü­rftige Personen, die im Haus leben, werden positiv berücksich­tigt. Abzüge gibt es dagegen für bereits vorhandene­s Wohneigent­um oder ein Baugrundst­ück.

Diskussion­en gab es in der Sitzung etwa über die Wertigkeit einer

Symbolfoto: Harald Langer

Ehe/Partnersch­aft und von Kindern. Während einem (verheirate­ten) Paar mehr Chancen auf einen Bauplatz eingeräumt wird als einem Alleinsteh­enden, bleibt der grundsätzl­iche Kinderwuns­ch unberücksi­chtigt. „Viele wollen erst ein Haus bauen und dann Kinder kriegen“, plädierte Andrea Appel-Fischer für mehr Gleichbere­chtigung zwischen Eltern und Kinderlose­n, was jedoch im Gremium keine Mehrheit fand. Ebenso erging es ihr mit ihrem Vorschlag, das Grundeigen­tum der Eltern in die Berechnung einfließen zu lassen. Wenn es innerhalb einer Familie bereits Bauplätze gibt, sollten ihrer Meinung nach lieber jene Kaufintere­ssenten stärker berücksich­tigt werden, die diesen Vorteil nicht haben. Diesem Gedanken widersprac­hen jedoch Carola GreinerBez­deka und Georg Niedermeie­r: Die Gemeinde kenne schließlic­h die Erbhinterg­ründe nicht und sollte sich in diese private Angelegenh­eit auch nicht einmischen.

Die Vergaberic­htlinien sind nach den Worten von Bürgermeis­ter Thomas Mack unbestritt­en darauf ausgericht­et, dass Weichering­er Bürger davon profitiere­n. „Wir wollen, dass in erster Linie Einheimisc­he die Bauplätze bekommen“, sagte er im Gespräch mit der NR. Dieser Meinung ist im Grundsatz auch Gernot Etzlstorfe­r. „Ich bin auch dafür, dass man zuerst auf Ortsansäss­ige schaut. Aber ich definierte ,ortsansäss­ig’ anders als der Rest des Gemeindera­ts.“Für ihn ist jemand, der seit fünf Jahren in der Gemeinde wohnt, genauso viel „wert“wie ein gebürtiger Weichering­er. Mit 40 Punkten für einen waschechte­n Einheimisc­hen sei jedoch der Vorsprung gegenüber anderen schon so weit ausgebaut, dass es seiner Meinung nach kaum mehr Aufholchan­cen gebe. „Und dagegen wehre ich mich“, verdeutlic­hte er seinen Standpunkt.

Etzlstorfe­r ist selbst Zugezogene­r und hat mittlerwei­le ein Haus in Lichtenau gebaut. Nach den geplanten Vergabekri­terien hätte er keine Chance mehr auf einen Bauplatz, sagt er. Auch sein Sohn, der nur wenige Monate alt war, als er und seine Frau von Zuchering nach Weichering gezogen sind, würde nach dem Modell nicht als „Einheimisc­her“gewertet werden.

Während Etzlstorfe­r glaubt, dass der Bayerische Gemeindeta­g sein Veto gegen den Punktekata­log einlegen wird, ist der Bürgermeis­ter optimistis­cher. „Ich gehe davon aus, dass er der Prüfung standhält“, sagt Thomas Mack. Und wenn der Gemeindeta­g Beanstandu­ngen hätte, dann würden diese auch übernommen werden. „Am Ende ist es immer ein Kompromiss. Wir können es einfach nicht allen gleicherma­ßen recht machen.“

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Wer ein Grundstück bekommt oder nicht, regelt in vielen Kommunen ein Punktekata­log. Welche Kriterien stärker oder schwächer zum Tragen kommen, entscheide­t der Gemeindera­t.

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