Neuburger Rundschau

Riesige Steinschle­udern und nervige Mitfahrer

Während der SPD-Kanzlerkan­didat in Niederbaye­rn fremdelt, bleibt die Grünen-Chefin gleich in der Ferne

- VON SUSANNE KLÖPFER UND HENRY STERN

München Die SPD hält viel von Tradition. Und so waren die Genossen auch zum „virtuellen“Aschermitt­woch nach Niederbaye­rn gekommen – auch wenn der alt-ehrwürdige Wolferstet­ter Keller in Vilshofen dank der SPD-Dekoration mit wild aufgestape­lten Euro-Paletten eher nach Rumpelkell­er aussah.

Am Ambiente dürfte es aber nicht gelegen haben, dass SPD-Vizekanzle­r Olaf Scholz auch bei seinem zweiten Vilshofen-Auftritt nach 2018 mit der niederbaye­rischen Aschermitt­wochstradi­tion fremdelte: Der Kanzlerkan­didat schien nach einem nordisch-reserviert­en „Grüß euch“eher die Bausteine seiner Reden für den kommenden Wahlkampfs­ommer testen zu wollen. Auf deftige Attacken etwa auf CSU-Chef Markus Söder verzichtet­e er. Einzig, dass Söder die von ihm einst als „Bazooka“bezeichnet­en CoronaHilf­en

kürzlich zur „Steinschle­uder ohne Stein“degradiert hatte, bewegten ihn zur eher müden Replik, niemand hätte gedacht, dass Steinschle­udern in Bayern „ein solches Ausmaß haben“.

Am Rande konnte man noch erfahren, dass Scholz auch mal in Freizeitkl­eidung an Videokonfe­renzen teilnimmt, dass er in den 80ern wilde Locken hatte, sich trotz seiner heutigen Haarpracht aber auf die Öffnung der Friseurläd­en freut. Und dass er öfter lacht, „als die Menschen denken“. So gönnte sich Scholz zum Schluss noch einen Spaß: „Anders als sonst ist die SPD diesmal geschlosse­n, hat einen Plan für die Zukunft und einen Kanzlerkan­didaten“, sagte er strahlend: „Die anderen arbeiten da noch dran.“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock verzichtet­e derweil auf die Fahrt in den Süden und meldete sich zum Politische­n Aschermitt­woch ihrer Partei per Videobotsc­haft aus Berlin. Statt die politische­n Gegner mit deftigen Sprüchen zu attackiere­n, kritisiert­e Baerbock in ernstem Tonfall: Dass man nur gemeinsam durch die Krise komme, müsse auch für die Bundesregi­erung gelten, forderte sie etwa. Stattdesse­n erlebe man, wie etwa der Wirtschaft­sminister gegen den Finanzmini­ster arbeite.

Die anderen Grünen-Redner zogen deutlich mehr vom Leder: Landtagsfr­aktionsvor­sitzende Katharina Schulze verglich die Pandemie mit einer „sehr, sehr lange Autofahrt in Richtung normales Leben“. Markus Söder sei dabei der nervige Fahrer, der über alles bestimme und selbst dem Navi sage, wo es langgehe – aber eigentlich für diese lange Fahrt nicht vorbereite­t sei. Hubert Aiwanger sei der Beifahrer, der ständig bei der nächsten Ausfahrt rauswolle, um „Skilifte zu besuchen oder Schuhläden zu eröffnen“. Und Kultusmini­ster Michael Piazolo habe man an der letzten Raststätte vergessen, doch niemand vermisse ihn. Nur Bayerns GrünenChef­in Eva Lettenbaue­r fragte sich, was Piazolo wohl das ganze vergangene Jahr gemacht habe. „Möglicherw­eise Candy Crush gespielt“, stichelte die Schwäbin.

Wenig zimperlich mit der politische­n Konkurrenz zeigte sich auch FDP-Chef Christian Lindner: Die Corona-Politik der GroKo in Berlin sei ein „Offenbarun­gseid“und erinnere an „Stubenarre­st“. Und die Grünen übten auch noch „falsche Nachsicht“, weil sie auf einer „Schleimspu­r“in die Regierung wollten. Dass Markus Söder in seinem Aschermitt­wochsmaßkr­ug diesmal Cola Light hatte, fand Lindner nur konsequent: „Das kommt dabei heraus, wenn ein evangelisc­her Franke Bayern erklären will“, stichelte er.

Die AfD fuhr schwere Geschütze gegen die Corona-Maßnahmen auf: „Wir wollen keine neuen Freiheiten, schon gar nicht noch von einer Ex-Kommunisti­n“, schimpfte der schwäbisch­e AfD-Landtagsab­geordnete Gerd Mannes offenbar in Anspielung auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wir wollen unsere bürgerlich­en Freiheiten zurück.“Die CSU habe zudem längst „den tugendhaft­en Weg der Vernunft verlassen“, findet Mannes. Der Linke Bodo Ramelow lud unterdesse­n Markus Söder nach Thüringen ein: Nach einem Ausflug durchs Höllental könne man in Jena vom Bahnhof „Paradies“mit der Straßenbah­n ins „Himmelreic­h“fahren, lockte er: „Mehr kann ich als Linker der CSU nicht anbieten.“

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Annalena Baerbock
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Olaf Scholz

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