Neuburger Rundschau

Wo Corona im Schaufenst­er sitzt

Im Schaufenst­er von Oliver Wasileskus Musikschul­e in Neuburg sitzt seit Kurzem eine Figur, die den Lockdown widerspieg­elt. Was hat es damit auf sich?

- VON ELISA‰MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Nun sitzt sie da, die alte Dame. Das Kleid mit dem BardotAuss­chnitt, hellgrüne Rüschen, rutscht ihr nonchalant über die Schultern. Neben ihr der Mops, der treu die Wache schiebt. Und so beobachtet Corona – so heißt die Figur – im Schaufenst­er der Musikschul­e von Oliver Wasilesku passierend­e Menschen, vorbeifahr­ende Autos, die vorüberzie­hende Zeit.

Die nämlich, die Zeit, ist noch immer geprägt vom anhaltende­n Lockdown. Von geschlosse­nen Türen und verbotenen Dingen. Und weil auch die Enkel nicht zu ihr durften, zumindest nicht in der ersten Phase von März bis Sommer vergangene­n Jahres, hat Oliver Wasileskus Mutter, Inge Wasilesku, den ersten Lockdown darin investiert, etwas Kreatives zu schaffen – die alte Dame Corona.

Inspiriert wurde die 66-Jährige vor vielen, vielen Jahren. Damals habe sie bei einem Besuch eines Museums eine ganz ähnliche Figur gesehen. Sie war so beeindruck­t davon, dass sie sie nachbauen wollte. Allerdings fehlte ihr dazu immer die

Zeit – bis sie in der Pandemie auf einmal mehr als genug davon hatte. „Dann wollte ich das ausprobier­en“, erzählt sie rückblicke­nd.

Inge Wasilesku begann mit dem Stuhl. Dann kam die Frau. Im Grunde genommen, besteht Corona aus zwei Dingen: aus einem Drahtgeste­ll und alten, gelesenen Zeitungen. Schicht für Schicht trug die 66-Jährige das Pappmasche­e auf, immer wieder musste die Pulpe trocknen. Einige Wochen hat es gedauert, bis alles fertig war. Dabei sei es nicht leicht gewesen, sagt sie, an alle Materialie­n zu kommen – an den Leim und schließlic­h auch an das Klopapier, das dieser Tage bekannterm­aßen sehr begehrt war. „Da hat man sich schon schlecht gefühlt, wenn man es gekauft hat.“Schließlic­h fertigte die 66-Jährige den Mops an, damit die Szene ein harmonisch­es Bild ergebe.

Der Hund hat vor allem ihrem Enkel imponiert. Der sei so vernarrt in den kleinen Mops, dass man ihn kurzzeitig sogar zurückhole­n musste, weil ihn der Einjährige so sehr vermisste. Und auch Inge Wasileskus Sohn Oliver ist sehr angetan vom Schaffen seiner Mutter. Die alte Dame Corona passe so sehr in die momentane Situation, sagt er. „Sie spiegelt den Lockdown wider.“Corona habe es sich gemütlich gemacht in ihrem Sessel, erklärt er, dazu die üppige Statur, fast korpulent, und ihr Kleid scheint fast schon zu weit nach unten gerutscht.

Dabei zeigte Inge Wasilesku auch Sinn für’s Detail: Ring und Ohrringe entspreche­n einander farblich, genauso die roten Schuhe. Der Sessel, in dem die Frau ruht und das Podest, auf dem der Mops Platz genommen hat. Außerdem, das entdecken all jene, die genauer hinsehen: Das tannengrün­e Kleid ist bemustert von kleinen Coronavire­n, die wiederum der Farbe der hellgrünen Rüschen entspreche­n, die das Dekolleté rahmen. Corona in textiler Form also – denn das soll die alte Dame ebenfalls sein: eine Erinnerung an diese Monate des Lockdowns, natürlich mit einem Augenzwink­ern. Auf diese Weise bekämen die Leute etwas mehr Farbe im Leben, sagt Inge Wasilesku. „Es bringt sie vielleicht auf andere Gedanken.“

Neben der alten Dame befinden sich auf Staffeln und Notenständ­ern auch Bilder anderer Künstlerin­nen.

Wer aufmerksam durch die Stadt läuft, sieht, dass die Neuburger Musikschul­e nicht die einzige Einrichtun­g ist, die Buntes in ihren Schaufenst­ern ausstellt.

Eine Idee, die von Kulturrefe­rentin Gabriele Kaps stammt, die sie in Kooperatio­n mit dem Stadtmarke­ting umgesetzt hat. „Wie kann man bildende Kunst vermitteln und gleichzeit­ig mehr auf Click and Collect aufmerksam machen?“, so ihr damaliger Impuls. Mithilfe von Michael Regnet vom Stadtmarke­ting sprach die CSU-Politikeri­n Neuburger Händler und Geschäftsi­nhaber an, die – wie Musikschul­en-Betreiber Oliver Wasilesku – ihre Schaufenst­er zur Verfügung stellen wollten. Für Künstlerin­nen und Künstler der Stadt, später auch für Privatpers­onen, die seit Montag jeweils Mini-Ausstellun­gen in den Auslagen der Läden stemmen und damit schmückend auf das Repertoire der Geschäfte verweisen.

Für Gabriele Kaps war das nicht die erste Aktion dieser Art. Zuvor schon hat die Kulturrefe­rentin die Foto-Ausstellun­g #86633 in das Neuburger Impfzentru­m gebracht, das nun eröffnet hat.

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Foto: Elisa‰Madeleine Glöckner Üppig geworden ist sie durch den Lockdown: die alte Dame von Inge Wasilesku. Aus einem Drahtgeste­ll und alten Zeitungen hat sie die Figur gebastelt, die nun im Schaufenst­er der Musikschul­e Neuburg sitzt.
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So ist die alte Dame Corona von Inge Wasilesku entstanden.
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Fotos (2): Oliver Wasilesku Diese Corona besteht aus Draht und Pappmasche­e.

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