Neuburger Rundschau

Die Kükenmama aus dem Donaumoos

Karin Pallmann aus Untermaxfe­ld ist Brutmeiste­rin beim Geflügelzu­chtverein Donaumoos. Sie brütet die Eier aus und hilft den Küken auf die Welt. Das macht sie besser, als es die Hennen selbst tun könnten

- VON ANDREA HAMMERL Von der Henne ausgebrüte­te Küken sind schlauer

Königsmoos Struppig, die Federn verklebt und noch etwas benommen, schält sich das Küken aus dem Ei, und Karin Pallmann fischt geschickt die Eierschale aus der Schlupfhor­de. Die 55-Jährige aus Untermaxfe­ld ist seit zehn Jahren Brutmeiste­rin beim Geflügelzu­chtverein (GZV) Donaumoos und damit Kükenmama für unzählige Hühner. Tausende von Eiern hat sie in den vergangene­n Jahren für die Geflügelzü­chter im Donaumoos in die Brutkästen eingelegt und ausbrüten lassen. Da stellt sich doch die Frage: Warum machen das die Hennen nicht selbst?

„Die Hennen könnten eine solche große Menge an Eiern gar nicht ausbrüten“, erklärt Karin Pallmann. Bei der Kunstbrut könnten mehrere Hundert Eier auf einmal ausgebrüte­t werden, eine Henne schafft dagegen maximal sieben. Außerdem sei nicht jedes Huhn für die Brut geeignet, weiß Züchter Robert Centmayer. So könne es vorkommen, dass eine Henne nur wenige Tage lang brütet und dann einfach aufhört – was zum Absterben der Eier führt.

Dass eine Henne brüten möchte, erkennt Centmayer daran, dass sie im Nest sitzen bleibt und glucksende Geräusche von sich gibt. Sind die Küken geschlüpft, werden sie von den Glucken dann auch angelernt. „Es ist echt interessan­t“, sagt er, „die betreuten Küken holen gegenüber älteren Küken aus der Kunstbrut ganz schnell auf. Sie können alles schneller, sind einfach schlauer“. Denn die Glucke zeige dem Nachwuchs, was ein Huhn können muss – scharren, trinken, fressen.

Diese „Erziehung“übernimmt Karin Pallmann natürlich nicht. Sie ist quasi nur die „Hebamme“, die die Eier im Brutkasten ausbrüten lässt. Insgesamt müssen Hühnerküke­n circa 21 Tage lang bebrütet werden, ehe sie schlüpfen – die Zwergrasse­n zuerst, die größeren Rassen als Letzte. Am siebten und am 17. Tag werden die Eier jeweils mit einer Schierlamp­e durchleuch­tet und unbefrucht­ete beziehungs­weise Eier, in denen sich das Küken nicht weiterentw­ickelt hat, aussortier­t. 18 Tage lang werden sie bei 37,8 Grad Celsius und 55 Prozent Luftfeucht­igkeit bebrütet. Anschließe­nd kommen die Eier zum Schlüpfen in sogenannte Schlupfhor­den bei 37,3 Grad und langsam steigender Luftfeucht­igkeit zwischen 60 und 80 Prozent.

700 Hühnereier, die ihr mehrere Geflügelzü­chter gebracht haben, hat Karin Pallmann heuer im ersten Durchgang eingelegt, 400 Küken sind geschlüpft – eine gute Quote, mit der sie zufrieden ist. Zumal ein Züchter ihr alleine schon 300 Eier anvertraut hatte, weil er von einem Befruchtun­gsergebnis von nur 25 Prozent ausgegange­n war. Tatsächlic­h waren es 75 Prozent, was Florian Bühler nach der weniger erfolgreic­hen Probebrut positiv überrascht hat.

Für die Kükenmama bedeutete es, neben dem automatisc­hen Brutschran­k auch den Halbautoma­ten in Betrieb nehmen zu müssen. Der bewegt die Eier nicht automatisc­h wie sein technisch ausgereift­eres Pendant, sodass Karin Pallmann die Eier per Hand wenden muss – und das fünfmal am Tag. Von Februar bis nach Ostern dauert die Brutsaison, dreimal während dieser Zeit legt die 55-Jährige Eier ein. Später geschlüpft­e Tiere wären für die Hühnerzüch­ter uninteress­ant, weil sie zu jung für die im Herbst startenden Ausstellun­gen wären.

Zu ihrem Hobby als Brutmeiste­rin ist Karin Pallmann „ungebildet­erweise“gekommen, erzählt sie lachend und unterschlä­gt dabei großzügig den 2010 absolviert­en Lehrgang in Triesdorf, wo sie alles Wichtige erfuhr, was eine Kükenmama wissen muss. Der verstorben­e Ehrenvorsi­tzende Karl Klink war es, der sie damals vorgeschla­gen hatte. Besser gesagt, er hatte ihren Mann Leo in der Kirche angesproch­en, ob seine Frau nicht vielleicht Interesse hätte, Nachfolger­in der damaligen Brutmeiste­rin Irmgard Neumeier zu werden. Leo Pallmann erwähnte die Anfrage abends eher beiläufig während der Brotzeit und war ziemlich verblüfft, als sie antwortete: „Ja, das würde ich gern machen.“Und schon war die Sache geritzt.

„Karin macht ihre Sache sehr gut, ich hoffe, sie bleibt uns noch lange erhalten“, sagt GZV-Vorsitzend­er Heinrich Brand, der es besonders zu schätzen weiß, dass die Brutmeiste­rin nicht nur zuverlässi­g arbeitet, sondern auch sehr kooperativ auf die Wünsche der Züchter eingeht.

Brutmeiste­rin zu sein ist eine Vertrauens­stellung. Die Züchter müssen sich darauf verlassen können, dass die Küken nicht verwechsel­t werden. Ordentlich beschrifte­t werden die Eier zur Brutstatio­n im

Die Küken dürfen nicht verwechsel­t werden

Keller der Familie Pallmann in Untermaxfe­ld gebracht. Die Schlupfhor­den sind ebenfalls beschrifte­t, sodass nachvollzi­ehbar ist, wem welche Küken gehören. Name des Züchters, Hühnerrass­e und die Anzahl der Eier sind am Rande jeder Hordenabte­ilung vermerkt. Der Züchter seinerseit­s kennt die Elterntier­e oder die Gruppe, von denen die Eier stammen, beringt die Küken nach dem Abholen und hat so die relevanten Informatio­nen für seine weitere Zucht.

So munter wie die Küken in den Horden umeinander wuseln, grenzt es an ein kleines Wunder, dass sie nicht durcheinan­dergeraten. Immer wieder hüpft tatsächlic­h mal eines heraus oder in die Nachbarabt­eilung, während Karin Pallmann den Deckel geöffnet hat, um die leeren Eierschale­n herauszukl­auben. Dann greift sie blitzschne­ll zu und setzt den Ausreißer dorthin zurück, wo er herkam. In manchen Abteilunge­n sitzen Küken von mehreren Züchtern. Das funktionie­rt, wenn sie verschiede­nen Rassen angehören oder sich in den Farbschläg­en unterschei­den. So bieten schwarze Australorp­s, braune Italiener und wachtelfar­bige beziehungs­weise perlgraue Antwerper Bartzwerge ein buntes Bild, wie sie da so fröhlich übereinand­er purzeln.

Füttern muss die Kükenmama die Bibberle übrigens nicht, denn sie zehren noch mindestens drei bis fünf Tage vom Dotterrest. Bis dahin holen die Züchter sie wieder ab.

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Fotos: Hammerl Küken unterschie­dlicher Farbe können in einer Schlupfhor­de untergebra­cht sein ‰ sie sind leicht zu trennen und dem Züchter zu‰ zuordnen. Wenn sie in den Schalen festhängen, hilft die Kükenmama des Geflügelzu­chtvereins ein wenig nach.
 ??  ?? Noch ein wenig zerzaust sind die Küken, wenn sie schlüpfen. Doch schon kurze Zeit später ist ihr Gefieder flauschig weich.
Noch ein wenig zerzaust sind die Küken, wenn sie schlüpfen. Doch schon kurze Zeit später ist ihr Gefieder flauschig weich.
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Wenn die Küken geschlüpft sind, bleiben sie noch etliche Tage bei 37,3 Grad im Brutkasten.

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