Die Kükenmama aus dem Donaumoos
Karin Pallmann aus Untermaxfeld ist Brutmeisterin beim Geflügelzuchtverein Donaumoos. Sie brütet die Eier aus und hilft den Küken auf die Welt. Das macht sie besser, als es die Hennen selbst tun könnten
Königsmoos Struppig, die Federn verklebt und noch etwas benommen, schält sich das Küken aus dem Ei, und Karin Pallmann fischt geschickt die Eierschale aus der Schlupfhorde. Die 55-Jährige aus Untermaxfeld ist seit zehn Jahren Brutmeisterin beim Geflügelzuchtverein (GZV) Donaumoos und damit Kükenmama für unzählige Hühner. Tausende von Eiern hat sie in den vergangenen Jahren für die Geflügelzüchter im Donaumoos in die Brutkästen eingelegt und ausbrüten lassen. Da stellt sich doch die Frage: Warum machen das die Hennen nicht selbst?
„Die Hennen könnten eine solche große Menge an Eiern gar nicht ausbrüten“, erklärt Karin Pallmann. Bei der Kunstbrut könnten mehrere Hundert Eier auf einmal ausgebrütet werden, eine Henne schafft dagegen maximal sieben. Außerdem sei nicht jedes Huhn für die Brut geeignet, weiß Züchter Robert Centmayer. So könne es vorkommen, dass eine Henne nur wenige Tage lang brütet und dann einfach aufhört – was zum Absterben der Eier führt.
Dass eine Henne brüten möchte, erkennt Centmayer daran, dass sie im Nest sitzen bleibt und glucksende Geräusche von sich gibt. Sind die Küken geschlüpft, werden sie von den Glucken dann auch angelernt. „Es ist echt interessant“, sagt er, „die betreuten Küken holen gegenüber älteren Küken aus der Kunstbrut ganz schnell auf. Sie können alles schneller, sind einfach schlauer“. Denn die Glucke zeige dem Nachwuchs, was ein Huhn können muss – scharren, trinken, fressen.
Diese „Erziehung“übernimmt Karin Pallmann natürlich nicht. Sie ist quasi nur die „Hebamme“, die die Eier im Brutkasten ausbrüten lässt. Insgesamt müssen Hühnerküken circa 21 Tage lang bebrütet werden, ehe sie schlüpfen – die Zwergrassen zuerst, die größeren Rassen als Letzte. Am siebten und am 17. Tag werden die Eier jeweils mit einer Schierlampe durchleuchtet und unbefruchtete beziehungsweise Eier, in denen sich das Küken nicht weiterentwickelt hat, aussortiert. 18 Tage lang werden sie bei 37,8 Grad Celsius und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit bebrütet. Anschließend kommen die Eier zum Schlüpfen in sogenannte Schlupfhorden bei 37,3 Grad und langsam steigender Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 80 Prozent.
700 Hühnereier, die ihr mehrere Geflügelzüchter gebracht haben, hat Karin Pallmann heuer im ersten Durchgang eingelegt, 400 Küken sind geschlüpft – eine gute Quote, mit der sie zufrieden ist. Zumal ein Züchter ihr alleine schon 300 Eier anvertraut hatte, weil er von einem Befruchtungsergebnis von nur 25 Prozent ausgegangen war. Tatsächlich waren es 75 Prozent, was Florian Bühler nach der weniger erfolgreichen Probebrut positiv überrascht hat.
Für die Kükenmama bedeutete es, neben dem automatischen Brutschrank auch den Halbautomaten in Betrieb nehmen zu müssen. Der bewegt die Eier nicht automatisch wie sein technisch ausgereifteres Pendant, sodass Karin Pallmann die Eier per Hand wenden muss – und das fünfmal am Tag. Von Februar bis nach Ostern dauert die Brutsaison, dreimal während dieser Zeit legt die 55-Jährige Eier ein. Später geschlüpfte Tiere wären für die Hühnerzüchter uninteressant, weil sie zu jung für die im Herbst startenden Ausstellungen wären.
Zu ihrem Hobby als Brutmeisterin ist Karin Pallmann „ungebildeterweise“gekommen, erzählt sie lachend und unterschlägt dabei großzügig den 2010 absolvierten Lehrgang in Triesdorf, wo sie alles Wichtige erfuhr, was eine Kükenmama wissen muss. Der verstorbene Ehrenvorsitzende Karl Klink war es, der sie damals vorgeschlagen hatte. Besser gesagt, er hatte ihren Mann Leo in der Kirche angesprochen, ob seine Frau nicht vielleicht Interesse hätte, Nachfolgerin der damaligen Brutmeisterin Irmgard Neumeier zu werden. Leo Pallmann erwähnte die Anfrage abends eher beiläufig während der Brotzeit und war ziemlich verblüfft, als sie antwortete: „Ja, das würde ich gern machen.“Und schon war die Sache geritzt.
„Karin macht ihre Sache sehr gut, ich hoffe, sie bleibt uns noch lange erhalten“, sagt GZV-Vorsitzender Heinrich Brand, der es besonders zu schätzen weiß, dass die Brutmeisterin nicht nur zuverlässig arbeitet, sondern auch sehr kooperativ auf die Wünsche der Züchter eingeht.
Brutmeisterin zu sein ist eine Vertrauensstellung. Die Züchter müssen sich darauf verlassen können, dass die Küken nicht verwechselt werden. Ordentlich beschriftet werden die Eier zur Brutstation im
Die Küken dürfen nicht verwechselt werden
Keller der Familie Pallmann in Untermaxfeld gebracht. Die Schlupfhorden sind ebenfalls beschriftet, sodass nachvollziehbar ist, wem welche Küken gehören. Name des Züchters, Hühnerrasse und die Anzahl der Eier sind am Rande jeder Hordenabteilung vermerkt. Der Züchter seinerseits kennt die Elterntiere oder die Gruppe, von denen die Eier stammen, beringt die Küken nach dem Abholen und hat so die relevanten Informationen für seine weitere Zucht.
So munter wie die Küken in den Horden umeinander wuseln, grenzt es an ein kleines Wunder, dass sie nicht durcheinandergeraten. Immer wieder hüpft tatsächlich mal eines heraus oder in die Nachbarabteilung, während Karin Pallmann den Deckel geöffnet hat, um die leeren Eierschalen herauszuklauben. Dann greift sie blitzschnell zu und setzt den Ausreißer dorthin zurück, wo er herkam. In manchen Abteilungen sitzen Küken von mehreren Züchtern. Das funktioniert, wenn sie verschiedenen Rassen angehören oder sich in den Farbschlägen unterscheiden. So bieten schwarze Australorps, braune Italiener und wachtelfarbige beziehungsweise perlgraue Antwerper Bartzwerge ein buntes Bild, wie sie da so fröhlich übereinander purzeln.
Füttern muss die Kükenmama die Bibberle übrigens nicht, denn sie zehren noch mindestens drei bis fünf Tage vom Dotterrest. Bis dahin holen die Züchter sie wieder ab.