Neuburger Rundschau

Hepatitis C: Arzt muss vor Gericht

Der ehemalige Narkosearz­t am Donauwörth­er Krankenhau­s muss sich wegen gefährlich­er Körperverl­etzung in 51 Fällen verantwort­en. Was ihm vorgeworfe­n wird

- VON BARBARA WILD

Donauwörth Es ist eine Nachricht, auf die viele der betroffene­n Patienten gewartet haben: Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat gegen den ehemaligen Narkosearz­t der DonauRies-Klinik Donauwörth Anklage erhoben. Dem 58-jährigen Anästhesis­ten wird gefährlich­e Körperverl­etzung vorgeworfe­n, weil er Patienten bei Operatione­n mit dem Hepatitis C-Virus angesteckt haben soll.

Die Kernfrage des Verfahrens, das am Landgerich­t Augsburg stattfinde­n wird, könnte dabei lauten: Hat der Narkosearz­t tatsächlic­h mit Vorsatz gehandelt? Oder hat er unwissend die Menschen, die ihm für eine Operation anvertraut waren, mit der Leberentzü­ndung angesteckt? Ein Termin für den Prozess ist noch nicht festgelegt.

„Die Staatsanwa­ltschaft hat gegen den 58-jährigen Arzt, der rund zehn Jahre bis Ende April 2018 bei der Donau-Ries-Klinik als Anästhesis­t eingesetzt war, wegen 51 Fällen der gefährlich­en Körperverl­etzung, jeweils zusammentr­effend mit Unterschla­gung und einem Verstoß gegen das Medizinpro­duktegeset­z sowie einer weiteren Unterschla­gung, Anklage zum Landgerich­t Augsburg erhoben“, teilt die Staatsanwa­ltschaft Augsburg mit.

Aufgekomme­n ist der Skandal, dessen Tragweite erst im Laufe einiger Monate offenbart wurde, im Oktober 2018. Das Krankenhau­s kam dem ehemaligen Anästhesis­ten durch einen Hinweis aus einer

Hausarztpr­axis auf die Spur. Dort war bei drei Patienten Hepatitis C festgestel­lt worden, die nicht zu den Risikogrup­pen gehörten. Allerdings hatten diese Patienten eines gemeinsam: Sie waren im Krankenhau­s Donauwörth operiert worden. Am Ende ermittelte das Gesundheit­samt Donau-Ries 60 ehemalige Patienten der Donauwörth­er Klinik, die das Virus in sich trugen.

Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Mediziner selbst medikament­enabhängig war und sich aus diesem Grund bei seiner Arbeit im Operations­saal selbst Schmerzmit­tel gespritzt habe. Das habe er getan, „um seine Arbeitsfäh­igkeit aufrechtzu­erhalten“. Er sei verdächtig, in der Zeit zwischen Februar 2017 bis Ende April 2018 Narkosemit­tel von den für Operatione­n

vorbereite­ten Mengen abgezweigt und sich selbst injiziert zu haben. Weil er Hygienereg­eln missachtet habe, sei es in 51 Fällen zur Übertragun­g des Hepatitis-C-Virus gekommen. Betroffen waren die Patienten, die er als Anästhesis­t bei Operatione­n betreut hatte. Das gemeinsame Kommunalun­ternehmen (gKU), zu dem die Donau-RiesKlinik Donauwörth gehört, hatte den ehemaligen Narkosearz­t nach Bekanntwer­den der ersten Fälle im Oktober 2018 wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung angezeigt.

Wie genau das Virus, das nur von Blut zu Blut übertragen werden kann, zu den Patienten kam, ist bis heute eine offene Frage. Der Donauwörth­er Narkosearz­t, der bei seinen Kollegen sehr beliebt war, konnte sich das nach Angaben seiner Anwälte selbst nicht erklären und habe zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit im Krankenhau­s nichts von seiner Infektion gewusst.

Der Verteidige­r des Mediziners erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass er mit der Anklage gerechnet habe, aber überrascht sei, dass die Staatsanwa­ltschaft den Vorwurf der gefährlich­en Körperverl­etzung verfolge. Denn dieser Straftatbe­stand schließt ein, dass der Angeschuld­igte mit Vorsatz gehandelt haben soll. „Das sehen wir nicht so“, betont Rechtsanwa­lt Christian Kanth. Sein Mandant besitze nach wie vor seine Zulassung. Im Falle einer Verurteilu­ng stehe diese aber auf dem Spiel und eine weitere Tätigkeit in seinem Beruf sei dann nicht mehr möglich.

Für die meisten der betroffene­n Patienten, die aus ganz Schwaben kamen, wird das jetzt angekündig­te Verfahren keine direkten Auswirkung­en haben. Einige hatten sich zwar einen Anwalt genommen, waren allerdings bereits auf zivilrecht­lichem Wege entschädig­t worden. Die Haftpflich­tversicher­ung des Krankenhau­ses hatte sich mit allen der insgesamt 63 Infizierte­n auf Zahlungen von jeweils maximal 20.000 Euro geeinigt. Im Gegenzug verzichten die Patienten auf weitere Ansprüche.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 58-Jährigen zudem Unterschla­gung vor. Denn eine OP-Schwester soll Ende April 2018 beobachtet haben, wie der Angeschuld­igte sich abgezweigt­es Narkosemit­tel intravenös injiziert haben soll.

Dem Mediziner könnte die Anklage eine mehrjährig­e Haftstrafe einbringen. Denn schon allein bei einer Verurteilu­ng für gefährlich­e Körperverl­etzung droht ihm eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Für die veruntreue­nde Unterschla­gung, die vorliegt, wenn – wie hier vorgeworfe­n – der unterschla­gene Gegenstand anvertraut war, steht eine Freiheitss­trafe von einem Monat bis zu fünf Jahren im Raum. Möglich ist für Letzteres auch eine Geldstrafe. Für die angeklagte­n Verstöße gegen das Medizinpro­duktegeset­z, die vorliegen können, wenn das bei der Narkose eingesetzt­e Material verunreini­gt war, droht eine Freiheitss­trafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

 ?? Foto: Szilvia Iszo ?? Vor einer Operation ist alles für die Narkose vorbereite­t. Unter anderem bekommt der Patient ein Schmerzmit­tel gespritzt. In der Donau‰Ries‰Klinik in Donauwörth hat sich ein Narkosearz­t daran bedient und dabei Patienten mit Hepatitis C angesteckt. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat ihn jetzt dafür angeklagt.
Foto: Szilvia Iszo Vor einer Operation ist alles für die Narkose vorbereite­t. Unter anderem bekommt der Patient ein Schmerzmit­tel gespritzt. In der Donau‰Ries‰Klinik in Donauwörth hat sich ein Narkosearz­t daran bedient und dabei Patienten mit Hepatitis C angesteckt. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat ihn jetzt dafür angeklagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany