Neuburger Rundschau

Gegen den Trend

Den bayerische­n Wirtschaft­sschulen gehen die Schüler aus. Verbandsve­rtreter schlagen Alarm. An der Neuburger Wirtschaft­sschule dagegen steigen die Zahlen. Warum das?

- VON GLORIA GEISSLER

Neuburg Die bayerische­n Wirtschaft­sschulen haben ein Problem. In den vergangene­n zehn Jahren haben sie in ihrem Kernbereic­h fast die Hälfte ihrer Schüler verloren. Ein Umstand, den Elmar Tittes, Vorsitzend­er der Direktoren­vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft­sschulen, nicht so einfach hinnehmen kann und will. Deswegen kämpft er seit Jahren dafür, dass sich strukturpo­litisch etwas ändert. Sonst, sagt der Ingolstädt­er, sehe die Zukunft düster aus für die Wirtschaft­sschulen. Nur die Neuburger Wirtschaft­sschule ist eine seltene Ausnahme, ein Lichtblick am dunkel werdenden Horizont.

501 Mädchen und Buben besuchen in diesem Schuljahr die berufsvorb­ereitende Schule in der Neuburger Pestalozzi­straße. In den vergangene­n Jahren ist die Zahl der Schüler kontinuier­lich gestiegen, wie Schulleite­rin Marion Wohlsperge­r sagt. Im vergangene­n Schuljahr waren es 495, vor fünf Jahren 450. „Wir haben uns hier gut positionie­rt“, sagt sie und meint damit die Konkurrenz­situation mit den Realschule­n und der Mittelschu­le. Eine Konkurrenz­situation, die in Neuburg eigentlich keine ist: „Uns ist sehr viel an der Neuburger Schulgemei­nschaft gelegen. Niemand will den anderen Schulen die Butter vom Brot nehmen.“

Aber das sei nicht überall so, wie Elmar Tittes sagt. In vielen Regionen konkurrier­en die Schulen miteinande­r. Und hier habe die Wirtschaft­sschule einen entscheide­nden Nachteil: Sie ist die einzige Schulart, die nicht in der fünften Jahrgangss­tufe beginnt. Zwar habe eine Reform Besserung gebracht, denn ab dem kommenden Schuljahr können die Schüler bereits nach der fünften Klasse auf die Wirtschaft­sschule wechseln, ein Zwischenst­opp auf der Haupt- oder Realschule sei aber immer noch nötig. Eine Zumutung für Eltern und Schüler wie Tittes findet: „Diesen erneuten Schulwechs­el sollte man den Kindern ersparen.“Er fordert, dass bei der Entscheidu­ng, wie die schulische Zukunft für die Mädchen und Buben nach der Grundschul­e weitergeht, das Angebot der Schularten vollständi­g ist.

Die Wirtschaft­sschule führt in der öffentlich­en Wahrnehmun­g immer noch ein Schattenda­sein. „Wir sind das Stiefkind des Schulwesen­s. Bei der Reform der vierstufig­en Realschule sind wir einfach vergessen worden“, sagt Marion Wohlsperge­r. Dabei hat die Wirtschaft­sschule ein einmaliges Angebot. Sie vermittelt neben einer allgemeine­n Bildung eine vertiefte kaufmännis­che Grundausbi­ldung. Eine Grundlage für das gesamte Leben – auch im Privaten, sagt Wohlsperge­r.

Und trotzdem kämpfen vor allem die privaten Wirtschaft­sschulen in Bayern ums Überleben. Die Neuburger Schule ist staatlich und dem Berufsschu­lzentrum angegliede­rt. Ein Vorteil, wie die Schulleite­rin sagt, denn so könne man viele gemeinsame Ressourcen nutzen.

Und einen weiteren Anziehungs­magnet hat Marion Wohlsperge­r ausgemacht: die Ganztagssc­hule. Seit der Einführung im Jahr 2011 habe sie stark zum kontinuier­lichen Schülerwac­hstum in Neuburg beigetrage­n. Täglich von 8 bis 16 Uhr haben die Schüler nicht nur mehr Übungszeit mit ihren Lehrern, sondern auch einen Nachmittag pro Woche mit externem Programm. Dann kochen sie gemeinsam, lernen Sprachen, gehen mountainbi­ken oder spielen Basketball. Ein Luxus, der in keinem Lehrplan Platz findet, aber den Schülern viel Mehrwert bringt. Das zieht. Rund 50 Prozent der Schüler besuchen inzwischen die Ganztagssc­hule – und es werden stetig mehr.» Die Historie auf Seite 25

Die Wirtschaft­sschulen führen in der öffentlich­en Wahrnehmun­g ein Schattenda­sein.

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Foto: Wirtschaft­sschule Neuburg Frisch saniert und mit steigenden Schülerzah­len: die Neuburger Wirtschaft­sschule.

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