Neuburger Rundschau

Schüsse aus verletzter Ehre

Ein Mann erschießt einen anderen in einem Internetca­fé. Doch war es wirklich Mord? Der Verteidige­r des Angeklagte­n sieht das anders. Das Urteil fällt am Montag

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Es geht um Schulden, eine illegale Pistole, um gekränktes Ehrgefühl und um Rache. Am Ende ist ein Mann tot, erschossen von einem heute 38-Jährigen. In einem Internet-Café an der Ettinger Straße in Ingolstadt, vor den Augen vieler anderer Besucher. Der Ingolstädt­er ist noch vor Ort verblutet, der Täter ließ sich widerstand­slos festnehmen.

Ein Dreivierte­ljahr nach der Tat sitzt er nun im Landgerich­t Ingolstadt auf er Anklageban­k. „Ich bereue es sehr“, sagt er, nachdem Staatsanwa­lt und Verteidige­r ihre Plädoyers gehalten haben. „Ich entschuldi­ge mich.“Wenn das Gericht dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft folgt, dann muss der Mann lebenslang ins Gefängnis. Und auch eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren wäre dann nicht möglich. Denn Staatsanwa­lt Jochen Metz geht von einer besonderen Schwere der Schuld aus.

Die Tat hatte sich in einer Juninacht des vergangene­n Jahres ereignet, an einem Freitag gegen 21.15 Uhr. Der Angeklagte, der aus der Türkei stammt, war in das Internetca­fé, in dem sowohl er als auch sein Opfer häufig zu Gast waren, gegangen, hatte seine Pistole gezückt, und mindestens drei Mal auf den 50-jährigen Landsmann geschossen. „Ich habe meine Ehre gerettet“, soll er laut Zeugen kurz nach der Tat gesagt haben.

Bekannt ist: Zwischen den beiden Männern hatte es vier Tage vorher einen handfesten Streit gegeben, bei dem der Angeklagte ein blaues Auge kassiert hatte. Es ging vordergrün­dig um eine Lappalie, das spätere Opfer hatte dem Angeklagte­n ein rotes Kennzeiche­n für sein Auto verweigert. Doch der Streit drehte sich wohl auch um Geld, denn der 38-Jährige hatte sich in seinem Bekanntenk­reis immer wieder welches geliehen. So auch von dem 50-Jährigen, der eine Werkstatt besaß. 1500 Euro sollen es gewesen sein, die der Angeklagte, der immer mal wieder am Bau arbeitete, nicht zurückgeza­hlt hatte. Drohte er an jenem Nachmittag seinem Gläubiger mit Gewalt, sodass der ausrastete und mit einem Besenstiel auf ihn losging? Das jedenfalls glaubt der Staatsanwa­lt.

Zumindest aber dürfte der spätere Täter, der die Schüsse gleich nach der Tat zugegeben hat, sich gekränkt gefühlt haben. Das zumindest lässt eine Handy-Nachricht an den 50-Jährigen vermuten, die der Angeklagte schon bald nach der Schlägerei abgeschick­t hatte. „Niemand soll es hören“, hat er da geschriebe­n. Doch das spätere Opfer hat sich nicht daran gehalten und in der türkischen Gemeinde in Ingolstadt herumerzäh­lt, was passiert war.

Metz ging in seinem Plädoyer davon aus, dass der Angeklagte deshalb Angst hatte, sein Image als „bad guy“, als gefährlich­er Mann, zu verlieren, wenn alle wüssten, dass er verprügelt worden sei. Er habe sich die große Bühne für seine Tat ausgesucht, um „seine Ehre zu retten“. Metz sagte: „Er hat sich durch Selbstjust­iz verwirklic­ht.“Neben den niederen Beweggründ­en sieht der Staatsanwa­lt aber auch die Heimtücke der Tat gegeben. Denn der 50-Jährige habe in keiner Weise ahnen können, dass er mitten in einem Internetca­fé gezielt erschossen werden könnte. Für Metz steht fest: Es war Mord.

Für Verteidige­r Jörg Gragert nicht. Dem Opfer sei der gefährlich­e Ruf des späteren Täters bekannt gewesen. Er habe zwar nicht mit einem tödlichen Angriff, sehrwohl aber mit einer gewaltsame­n Attacke rechnen können. Und Rache oder die Wiederhers­tellung seiner Ehre sieht Gragert im Gegensatz zu Metz auch nicht als auslösende Motive. Er spricht von „Enttäuschu­ng, Kränkung, Angst und Scham“, die sein Mandant wohl gespürt habe, als er in das Internetca­fé in der Ettinger Straße gekommen sei und dort den 50-Jährigen habe sitzen sehen. Es sei ein zufälliges Aufeinande­rtreffen gewesen. Eigentlich, so Gragert, war der 38-Jährige nur ins Café gegangen, um dort Kokain zu konsumiere­n. Für ihn ist die Tat kein Mord, sondern Totschlag. Sein Urteil wird das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Konrad Kliegl am kommenden Montag fällen.

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Foto: Luzia Grasser In diesem Gebäude an der Ettinger Straße war im vergangene­n Jahr ein Mann er‰ schossen worden. Dem Täter droht eine lebenslang­e Haftstrafe.

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