Gemischte Gefühle
Daniel Piettas Jubelschrei am Montagabend beim 6:3-Erfolg gegen seinen Ex-Klub aus Krefeld war kaum verhallt, da wurde bereits klar: Um am heutigen Mittwoch gegen die Eisbären Berlin zu bestehen, muss der ERC Ingolstadt einiges ändern
Ingolstadt So ganz wollte Daniel Pietta ja nicht zugeben, dass da noch etwas in ihm schwelte. Nach 792 Partien für die Krefeld Pinguine, nach 17 Jahren, nach einem Rausschmiss aus Kostengründen, einem Rechtsstreit, einem Neuanfang beim ERC Ingolstadt. „Man hat ja innerhalb eines Jahres geschafft, dass da nicht mehr allzu viele Spieler sind, die ich kenne“, wiegelte Pietta die Frage nach der Emotionslage vor dem ersten Wiedersehen mit seinem Ex-Klub ab.
Natürlich traf Pietta dann am Montag gegen die Pinguine. Kein besonders schönes Tor. Er stand richtig, am langen Pfosten, und drosch den Puck in den leeren Kasten. Und dann drehte er sich in Richtung Gästebank, schmetterte ihr – das konnten auch unerfahrene Lippenleser erkennen – das „F-Wort“entgegen, grinste und legte den Zeigefinger auf den Mund. Keine Animositäten mehr? Nichts Besonderes? Wirklich? „Ich habe davor länger nicht getroffen. Ich bin ein emotionaler Mensch. Und wie alles damals abgelaufen ist, hat natürlich schon was mit mir gemacht“, gestand Pietta dann doch.
Ob der Zeigefinger jemandem speziell gegolten habe? „Nö, das war einfach so, dass die viel gequatscht haben und mal ein bisschen ruhiger sein sollten. Diejenigen, die meinen Abgang zu verantworten hatten, waren ja nicht da.“Krefelds Ex-Geschäftsführer Roger Nicholas ist inzwischen arbeitslos. Sein damaliger Assistent und jetziger Nachfolger Sergey Saveljev schaute das Spiel am Niederrhein.
Dafür war Ivan Petrakov in Ingolstadt. Mit dem KEV-Stürmer beharkte sich Pietta während des gesamten Spiels („Er fährt mir gegen den Kopf. Das muss nicht sein.“). Kurz vor Schluss checkte der Nummer-eins-Center der Panther den Russen in die Bande, musste vorzeitig zum Duschen und grinste nochmals spöttisch Richtung Gegnerbank. Es stand da schon 6:3 für den ERCI. Das klang nach einer klaren Sache. Und vielleicht war es auch etwas Genugtuung für Pietta. Aber am Ende löste der im Schlussabschnitt durch drei Treffer mühsam erzwungene Sieg gegen das statistisch schlechteste Team der Liga vor allem eine Emotion aus: Ernüchterung!
„Man schaut sich die Tabelle an, die Statistiken, ihre Aufstellung. Die Zahlen haben heute definitiv nicht für Krefeld gesprochen. Wir haben es dann schon ein wenig schleifen lassen und Zeit gebraucht, bis wir verstanden haben, dass es heute nicht um den Einzelnen geht, sondern dass wir das große Ganze, die drei Punkte, betrachten müssen“, fand Tim Wohlgemuth.
Ingolstadt agierte hinten fehleranfällig. Immer wieder fingen sie sich Konter der engagierten, kämpferischen, aber technisch limitierten Krefelder ein – vor allem von Lucas Lessio, der wie ein Fußballstürmer an der Abseitsgrenze stets auf den schnellen Gegenstoß, den tödlichen Pass lauerte – und einmal genau so traf.
ERCI-Coach Doug Shedden hatte Lessios Namen in seinem ScoutingBericht noch extra eingekreist, hatte sein Team kurz vor der Partie auf diese eigenwillige Taktik eingeschworen. „Aber manchmal hören wir nicht so gut zu“, sagte Shedden. Es war ohnehin eine merkwürdige Pressekonferenz gewesen. Sheddens Gegenüber, der Amerikaner Clark Donatelli, plauderte über Führungsspieler in der Kabine, die Trainingsleistung, die Steuerung von Wechselzeiten, das Umschalten, das Stellungsspiel in der Abwehr,
lobte sein Team neunmal in drei Minuten. Ein rekordverdächtiger Monolog im Ostküsten-Slang. Shedden, der im Vorfeld den erst 18-jährigen Goalie Nikita Quapp und die fehlende Tiefe des Kaders als Krefelder Schwachstelle ausgemacht hatte, sagte nur: „Es soll keine Ausrede sein, aber das erste Spiel nach einer Pause ist immer schwer. Clarks Team hat gut gekämpft. Ihr junger Torwart hat gut gehalten. Wir hatten Probleme im zweiten Drittel. Aber ich kann keinen Sieg kritisieren.“
Am nächsten Tag klang Shedden da schon anders: Sein Team müsse die Kampfbereitschaft wieder hochfahren, sagte er da, müsse hinten wieder enger stehen, auch wenn der zumindest noch dieswöchige Ausfall von Top-Verteidiger Mat Bodie natürlich schmerze. Und, trotz zweier Überzahltore gegen Krefeld: „Die Statistiken unseres Powerplays sehen besser aus, als es in Wirklichkeit ist.“Tatsächlich gelten 20 Prozent Erfolgsquote als ordentlich. Doch gemessen an ihrem spielerischen Potenzial, fehlen den Panther-Reihen aktuell Beweglichkeit und Ideenreichtum.
Dinge, die man eigentlich Wohlgemuth zuschreibt. Doch der 21-Jährige darf aktuell nicht in Überzahl ran. „Timmy hatte einen schlechten Monat, seit sein Wechsel nach Mannheim feststeht. Er war bei vielen Gegentoren auf dem Eis. Ich habe ihm gesagt, dass er sein Spiel bei Fünf-gegen-Fünf in den Griff kriegen muss, bevor ich ihn ins
Powerplay stelle“, begründet Shedden. Wohlgemuth, Ingolstadts drittbester Scorer, traf am Montag erstmals seit sechs torlosen Partien. „Ich habe das schon sehr gebraucht“, sagt er. „Er war auf jeden Fall wieder besser“, findet auch Shedden.
In den nächsten Tagen braucht es aber mehr als nur einen besseren Wohlgemuth. Am Mittwochabend (18.30 Uhr) treffen die Schanzer zu Hause auf die Eisbären Berlin, unangefochtener Spitzenreiter der Nord-Gruppe. Am Freitag geht es zum Rückspiel in die Hauptstadt.
„Ihre ersten drei Reihen sind schon extrem stark“, analysiert Shedden. „Aber das Papier gewinnt nicht immer.“Die Wiedervereinigung der beiden DEL-Divisionen will es, dass Ingolstadt zunächst auf den vermeintlich schwächsten (Krefeld) und nun auf den vermutlich stärksten Gegner (Berlin) trifft. „Ich habe persönlich sehr viel Respekt vor Berlin in diesem Jahr. Wir brauchen da eine 180-Grad-Wendung“, fordert Wohlgemuth.
„Wir müssen defensiv wieder solider und ruhiger spielen, die Scheiben schneller nach vorne bringen und nicht so viele Puckverluste an der blauen Linie zulassen. Gute Teams bestrafen das. Wir müssen auf jeden Fall zwei Schippen drauflegen“, sagt Pietta. Einen letzten Gruß an das Ex-Team kann er sich nicht verkneifen: „Berlin ist auf jeden Fall ein, zwei Klassen besser als Krefeld. Das zeigt auch die Tabelle.“