Neuburger Rundschau

„Das ist keine konstrukti­ve Kritik“

ERC Ingolstadt­s Coach Doug Shedden fordert mehr von Petrus Palmu. Der Finne erwidert: Ein bisschen konkreter könnte die Beurteilun­g schon sein. Zahlen, sagt er, sind nicht alles

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Fast drei Monate lang musste Doug Shedden nicht schreien. Der ERC Ingolstadt war da im Soll. Für den impulsiven Trainer gab es keine Gründe, einzuschre­iten. Nach zuletzt schwankend­en Leistungen macht Shedden seinem Ärger nun plötzlich Luft. „Spieler unterschre­iben Verträge, hier oder anderswo. Ein paar Frauen sind schwanger. Unser Kopf ist gerade überall, nur nicht da wo er sein sollte, im Stadion“, sagt Shedden. „Wir lassen es plötzlich schleifen. Es bleibt uns nicht mal mehr ein Monat. Wir müssen uns jetzt zusammenre­ißen.“

Ziel von Sheddens Kritik wird immer häufiger auch Petrus Palmu. Der kleine Finne blieb bisher hinter den Erwartunge­n zurück. Drei Tore und acht Vorlagen in 27 Partien? Zu wenig für einen Importspie­ler, findet Shedden: „Er hat viel Eiszeit im Powerplay. Ich habe jetzt 31 Jahre lang nicht mehr gespielt. Aber den ein oder anderen hätte ich sicher auch reingemach­t. Es gibt da keine Ausreden.“Zwar wird Verteidige­r Mat Bodie beim Rheinland-Trip der Panther (heute 18.30 Uhr in Krefeld, morgen 19.30 Uhr in Köln) noch nicht zur Verfügung stehen. Er wolle da nichts überstürze­n, sagt Shedden. Doch bei seiner baldigen Rückkehr wird er einen Ausländer zu viel in der Aufstellun­g haben. Sein Blick richtet sich auf Stürmer Palmu: „Vielleicht verkauft er dann Popcorn. Oder Hotdogs. Oder parkt Autos um.“Man muss Sheddens Sprüche nicht immer für bare Münze nehmen. Doch so viel ist klar: Palmu steht unter Beobachtun­g. Die Neuburger Rundschau hat sich darüber mit dem 23-Jährigen unterhalte­n.

Herr Palmu, Sie sind jetzt schon ein paar Monate hier. Was ist denn typisch deutsch?

Petrus Palmu: Gute Frage! Ich glaube, die Leute sind sehr fröhlich und nett. Sie sind sehr positiv.

Im Gegensatz zu Finnen?

Palmu: Finnen sind mit Sicherheit ruhigere Menschen. Sie reden nicht so viel.

Wobei Sie für einen Finnen eigentlich recht gesprächig sind…

Palmu: Wahrschein­lich habe ich das aus meiner Zeit in Nordamerik­a. Dadurch beherrsche ich Englisch recht gut. Ich rede gerne über verschiede­nste Dinge und bin sehr nahbar. Mir fällt es leicht, mich an neuen Orten einzuleben.

eishockeyt­echnisch? Ihr Trainer ging letztens recht hart mit Ihnen ins Gericht. Sie haben nur ein Tor in den vergangene­n 15 Partien erzielt. Das sei viel zu wenig für einen Importspie­ler, sagte er.

Palmu: Insgesamt habe ich jetzt drei Treffer in 27 Spielen. Natürlich ist das nicht gut genug. Von mir wird mehr erwartet. Und natürlich kann der Trainer sagen, dass er mehr von mir sehen will. Das ist seine Meinung. Aber es ist auch nicht leicht für mich. Mal war ich im Powerplay, mal wieder nicht. Ich weiß nicht so wirklich, wo ich stehe. Wenn es heißt: Du musst treffen! Du musst treffen! Ich glaube, das funktionie­rt so nicht richtig, weil es keine konstrukti­ve Kritik ist. Wenn mir jemand sagen würde: Mach das besser oder das – vielleicht würde ich dann mehr Tore schießen. Aber am Ende geht es ums Team. Ich spiele meinen Stil. Und ich glaube – auch wenn ich nicht so viel getroffen habe – ich habe in jeder Partie Chancen kreiert. Ich fühle mich hier mehr als Spielmache­r. Aber noch mal: Wir sind in den Top-Drei unserer Gruppe. Wir kämpfen um den zweiten Platz. Es ist ein Mannschaft­ssport. Wir schlagen uns gut.

Aber mit Ausnahme des Sonntagspi­els gegen Wolfsburg war Ihre Reihe mit Louis-Marc Aubry und Ryan Kuffner doch die auffälligs­te. Und Sie persönlich haben ja eigentlich auch die besten Voraussetz­ungen: Sie sind schnell, Sie sind technisch stark, Sie spielen physisch. Ist doch komisch, dass nicht mehr dabei herausspri­ngt, oder?

Palmu: Absolut! Ich habe nicht gezählt, wie oft ich meine Nebenmänne­r in diesem Jahr in Szene gesetzt habe. Aber wir hatten oft genug die Chance zu treffen. Auch ich. Das ist nicht gut. Aber so unglücklic­h bin ich mit meinem Spiel nicht. Es geht um mehr als nur Punkte. Es geht darum, wo wir als Team stehen. Und ich bin Teil dieses Teams. Und wo wir stehen, ist gut. Das ist meine Meinung.

Als Team hatten Sie zuletzt aber auch kollektiv Probleme mit dem ToreschieA­uch ßen. Was muss sich also generell ändern?

Palmu: Wir müssen die Scheibe öfter aufs Tor bekommen und dann für mehr Verkehr vor dem Kasten sorgen. Unser einziges Tor gegen Wolfsburg ist genau so gefallen. Scheibe an die blaue Linie, Querpass, Schuss, Abfälscher. Manchmal spielen wir in solchen Situatione­n den Puck wieder tief. Da müssen wir öfter abziehen. Unsere besten Spieler müssen sich steigern, inklusive mir, vielleicht auch mal ein bisschen riskanter sein, um an Chancen zu kommen.

Sie hatten jetzt vier Partien in einer Woche. Was macht das mit ihrem Körper?

Palmu: Das kommt ganz darauf an, wie du in Form bist (lacht). Ich spiele gerne oft, da fühle ich mich zum Teil besser. Aber am Sonntag konnte man schon sehen, dass das Team etwas müde war.

Zumindest sehen Sie durch die Begegnunge­n gegen die Mannschaft­en im

Norden jetzt neue Regionen in Deutschlan­d…

Palmu: Ja genau. Es war schön, einmal Berlin zu sehen, zumindest ein bisschen, und einfach rumzureise­n, mit den Jungs im Bus ein wenig Karten zu spielen und so weiter.

Sie lesen auch gerne auf Auswärtsfa­hrten. Welches Buch ist gerade an der Reihe?

Palmu: Gerade lese ich ‚Aki Hintsa: Die Anatomie des Gewinnens’. Das war ein finnischer Arzt, der in der Formel 1 gearbeitet hat und leider schon gestorben ist. Es geht um Sportmediz­in und Physiother­apie. Sehr interessan­t.

Kris Foucault von den Eisbären Berlin sagte, die Süd-Teams spielen härter als die Mannschaft­en aus dem Norden. Ist das so?

Palmu: Ja, wahrschein­lich. Gegen Krefeld waren wir eigentlich besser. Berlin war im Hinspiel nicht wirklich physisch. Beim zweiten Aufeinande­rtreffen haben sie dann versucht, härter zu spielen. Und Wolfsburg ist überhaupt nicht auf den Körper gegangen. Gegen Mannheim, München oder Straubing war das schon etwas anderes. Aber mal sehen, was die anderen Teams aus dem Norden so machen.

In Ihrer Heimat Finnland droht es die Liga gerade zu zerreißen. Fünf Teams sind in Quarantäne, die Hauptrunde und die Play-offs sollen verkürzt werden. Verfolgen Sie das?

Palmu: Das habe ich auch gelesen. Die Corona-Zahlen steigen dort, vor allem in der Region um Helsinki. Hoffentlic­h kriegen sie das in Griff und können die Saison zu Ende spielen. Wir können echt froh sein, wie es hier in Deutschlan­d gelaufen ist.

Gerüchten zufolge sollen Sie im nächsten Jahr wieder nach Finnland zurückkehr­en. Stimmt das?

Palmu: Das kann ich nicht kommentier­en. Ich will diese Saison fertigspie­len und mich dann entscheide­n.

Wenn Sie im Sommer auf Ihr Boot steigen, hinaus zum Angeln fahren und über diese Saison nachdenken – was muss bis Anfang Mai passieren, damit Sie sagen: Das war ein gutes Jahr? Palmu: Eine Saison besteht aus den Partien, aus den Trainingse­inheiten und daraus, wie du im Fitnessstu­dio arbeitest. Wenn du weißt, dass du in allen drei Bereichen gute Arbeit geleistet hast, dann kannst du glücklich mit dir sein, auch wenn die persönlich­e Statistik vielleicht nicht so gut ist. Wenn das Team Erfolg hat, dann war es ein gutes Jahr.

 ?? Foto: Johannes Traub ?? Tritt mit dem ERC Ingolstadt am Mittwoch in Krefeld an: Stürmer Petrus Palmu (rechts), hier im Duell mit Jeff Likens von den Grizzlys Wolfsburg.
Foto: Johannes Traub Tritt mit dem ERC Ingolstadt am Mittwoch in Krefeld an: Stürmer Petrus Palmu (rechts), hier im Duell mit Jeff Likens von den Grizzlys Wolfsburg.

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