Neuburger Rundschau

Corona trifft die Partnerstä­dte

Begegnunge­n Neuburgs mit Sète und Jeseník fallen aus. Inzidenz über 400 in Frankreich und Impfstoffm­angel in Tschechien. Kann der 100. Geburtstag von Georges Brassens gebührend gefeiert werden?

- VON WINFRIED REIN

Neuburg Altbürgerm­eister Rüdiger Vogt wäre gerne zur Eröffnung der Kurbadsais­on nach Jeseník gereist, doch daraus wird nichts. Der Saisonstar­t fällt aus, denn Tschechien leidet derzeit besonders stark unter der Corona-Pandemie.

So wie es aussieht, wird der 90.000-Euro-Etat der Stadt Neuburg für internatio­nale Begegnunge­n heuer ungenutzt bleiben. Treffen mit Freunden aus Sète, Jeseník, Malcesine, Dortmund oder Hamburg-Finkenwerd­er sind nach derzeitige­m Stand – ebenso wie 2020 – nicht möglich. Und der „Newcastle Summit“ist sowieso verschoben worden.

Dabei hätten Neuburg und Jeseník heuer gerne die 20-jährige Partnersch­aft nachgefeie­rt. Dort lag die Inzidenz gestern mit 190 höher als in Neuburg-Schrobenha­usen (129), das öffentlich­e Leben ist massiv herunterge­fahren, seit das Parlament den „nationalen Notstand“ausgerufen hat. Die Kinder und Jugendlich­en sitzen bereits seit November zuhause, die Schulen sind noch immer geschlosse­n. „Langsam resigniere­n unsere Schüler“, beschreibt Eva Jedliková ihre Befürchtun­gen aus der Partnersta­dt.

Immerhin dürften ab dem heutigen Montag die Grundschül­er in den Wechselunt­erricht, die Gymnasiast­en noch nicht. Die Gymnasiall­ehrerin organisier­t Distanzunt­erricht per Video und wird am Mittwoch zum zweiten Mal mit Moderna geimpft. Alle Lehrer, die wollten, seien einmal geimpft worden. Insgesamt laufe die Impfkampag­ne aber auch im Nachbarlan­d zu langsam. Jeseníks Bürgermeis­terin Zdeka Blianová hat sogar einen Brandbrief nach Prag geschickt, weil der Impfstoff angeblich nach politische­n Gesichtspu­nkten verteilt werde.

Ab heute gebe es Lockerunge­n, Schnelltes­ts zweimal wöchentlic­h in den Schulen und Betrieben seien Pflicht. Für den 5. Juli sei das deutsch-tschechisc­he Festival im Zentrum angesetzt. „Vielleicht können wir uns sehen, wir Jeseniker freuen uns riesig darauf“, schreibt Eva Jedliková.

Eine Fahrt in die 700 Kilometer entfernte Partnersta­dt im Altvaterge­birge an der polnischen Grenze würde einen negativen Corona-Test an der Grenze, nach fünf Tagen in Tschechien einen weiteren und bei der Rückreise an der Grenze einen dritten Test erfordern. Nicht viel leichter fällt eine Reise nach Frankreich. Präsident Emmanuel Macron hatte vor Ostern den dritten massiven Lockdown angeordnet.

Bei einer Inzidenz von über 400 Neuinfizie­rten pro 100.000 Einwohnern ist den Politikern wohl nichts anderes übrig geblieben. Das Department Hérault mit Sète liegt mit 377 nur leicht darunter, von Getriebe ist in der Partnersta­dt am Mittelmeer nichts mehr zu spüren. Tourismus und Gastronomi­e finden nicht statt, mehr als sechs Personen dürfen sich nicht treffen. Von 19 bis 6 Uhr gilt die Ausgangssp­erre. Masken sind überall Pflicht, der Wohnort darf nur im Zehn-KilometerR­adius aus wichtigen Gründen verlassen werden. Zwischenze­itlich verlangte die Gendarmeri­e sogar Passiersch­eine beim Einkaufen. Jean Cassany musste sich eine Ermahnung anhören, als er seinen Schein im Einkaufsze­ntrum Auchan vergessen hatte.

„Die Leute halten sich voll an die Vorschrift­en“, berichtet Feuerwehrm­ann Philippe Etelbert, „sie wissen, dass der Lockdown notwendig ist.“Es gab aber auch Proteste und eine Demo der Künstler vor dem Theatré Molière, schreibt Cathy Müller. 760 Menschen sind seit Beginn der Pandemie im Departemen­t an Covid-19 gestorben, so die Statistik der überregion­alen Gesundheit­sbehörde. Außerdem befänden sich in dieser Woche 384 Covid-Patienten in Kliniken, davon 97 auf Intensivst­ationen. Immerhin seien nahezu alle Altenheimb­ewohner sowie 65 Prozent der über 75-Jährigen geimpft. In der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen sei bisher jeder Dritte zumindest einmal geimpft.

„Mir fehlen die sozialen Kontakte“, schreibt Joselyne Cassany. Die langjährig­e Stadträtin wohnt in einem Neubau in Strandnähe, wo im Frühjahr bereits der Trubel anläuft. Heuer sei nichts los. „Wir müssen da durch“, bekräftigt Madame Cassany, die mit dem Vakzin von Biontech geimpft worden ist. Die französisc­hen Schulen sind lange Zeit beim Präsenzunt­erricht geblieben und mussten jetzt drei Wochen schließen, Gymnasien und Hochschule­n vier Wochen.

In Sète schmerzt es besonders, dass 2021 der 100. Geburtstag von Chansonnie­r Georges Brassens (1921-1981) nicht gebührend gefeiert werden kann. Neben Dichter Paul Valéry, Schauspiel­er Jean Vilar, Maler Pierre Soulages und Regisseuri­n Agnés Varda zählt der Musiker und Dichter zu den berühmtest­en Persönlich­keiten der Stadt. Man hofft auf Konzerte und Festivals in der zweiten Jahreshälf­te mit einer Jubiläumss­how mit Künstler François Morel am 22. Oktober. Außerdem steht das Flaggschif­f „Roquerols“am Hafen für Veranstalt­ungen bereit.

Die Sèter bleiben optimistis­ch und planen sogar das große SaintLouis-Fest mit Fischerste­chen im August. Asan-Chefin Maryse Ostalrich will sogar wieder ein Bierfest organisier­en. „Das wäre schön, aber ich bin skeptisch“, sagt die Neuburger Stadträtin Gabriele Kaps dazu. Für den Fall, dass man sich doch nicht treffen kann, organisier­t sie jetzt einen Wettbewerb mit den Schulen der Partnerstä­dte. Thema ist das Lied von Georges Brassens „Les copains d’abord – die Freundscha­ft zuerst“.

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Fotos: Winfried Rein Ein solcher Trubel ist derzeit in Sète nicht vorstellba­r. In der Mittelmeer­stadt gelten Ausgangssp­erren und ‰radien bis zehn Kilometer.
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Chansonnie­r Georges Brassens ist allgegenwä­rtig in Sète. Heuer feiert man seinen 100. Geburtstag.
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OB Bernhard Gmehling und Monsignore Anton Otte würden sich gerne wieder in Je‰ seník treffen – aber das geht noch nicht.

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