Neuburger Rundschau

Bäckerei Kaltenstad­ler muss vorerst schließen

Die Quarantäne­bestimmung­en ziehen mitunter so weite Kreise, dass ein Betrieb seine Produktion nicht aufrecht erhalten kann. Das musste die Bäckerei Kaltenstad­ler jetzt erfahren. Doch es könnte mehr systemrele­vante Bereiche treffen

- VON CLAUDIA STEGMANN

Neuburg/Nassenfels Die CoronaPand­emie hat in Neuburg erstmals Auswirkung­en auf einen systemrele­vanten Betrieb. Die Bäckerei Kaltenstad­ler wird diese Woche geschlosse­n bleiben, weil sie ihren Produktion­sbetrieb in der Backstube nicht aufrecht erhalten kann. Grund: Die Quarantäne­bestimmung­en ließen die Mannschaft zuletzt auf eine Handvoll Bäcker schrumpfen. Als Ende vergangene­r Woche dann ein Verdachtsf­all innerhalb des Bäckerei-Teams auftrat, mussten die Kaltenstad­lers reagieren.

„Leider müssen wir aufgrund vermehrter Quarantäne-Ausfälle unser Geschäft vom 12.04.17.04.2021 schließen“steht auf einem Zettel an der Ladentüre. Die Entscheidu­ng haben sich Ernst und Sonja Kaltenstad­ler nicht leicht gemacht, wie sie betonen. Doch nachdem ihre Bäckermann­schaft bereits von 13 auf fünf Mitarbeite­r geschrumpf­t war und für diese Woche ein kompletter Totalausfa­ll in der Backstube drohte, mussten sie die Notbremse ziehen. Die Bäckerei bleibt deshalb diese Woche komplett geschlosse­n, die Stimmung bei den Kaltenstad­lers und ihren Mitarbeite­rn ist entspreche­nd gedämpft. Nach dem Hochwasser 1999 ist es nun das zweite Mal in 30 Jahren, dass Ernst Kaltenstad­ler seine Bäckerei schließen muss.

Die personelle­n Probleme begannen, als ein Mitarbeite­r das Virus in den Betrieb brachte. Sechs Mitarbeite­r wurden daraufhin als direkte Kontaktper­sonen ermittelt und in Quarantäne geschickt, was bedeutet, dass die Hälfte der Backmannsc­haft auf einen Schlag ausfiel. Die Bäckerei reduzierte daraufhin ihr Sortiment und machte weiter. „Alle unsere Mitarbeite­r zogen an einem Strang und halfen mit, damit wir den Ausfall irgendwie auffangen können“, loben Sonja und Ernst Kaltenstad­ler ihr Team.

Sieben Arbeitstag­e hatten sie bereits überstande­n und das Ende der Quarantäne­zeit ihrer Kollegen im Blick, als sie jedoch ein weiterer Rückschlag traf: Ende vergangene­r Woche vermutete einer der verblieben­en Bäcker Corona-Symptome an sich, ein zuhause durchgefüh­rter Schnelltes­t war entspreche­nd positiv ausgefalle­n. Er informiert­e daErnst Kaltenstad­ler, der nicht lange auf ein offizielle­s Laborergeb­nis warten wollte. „Wir haben gegenüber unseren Mitarbeite­rn eine Fürsorgepf­licht und deshalb entschiede­n, dass der Mitarbeite­r zuhause bleiben muss“, sagt er. Die Konsequenz war aber auch, dass der Produktion­sbetrieb mit den verblieben­en Mitarbeite­rn nun nicht mehr möglich war. Die Bäckerei musste deshalb vorübergeh­end schließen.

Das Problem an der Situation war nicht nur, dass die Backmannsc­haft aufgrund der Quarantäne­fälle drastisch reduziert worden war, sondern dass es seit dem 1. April auch neue Quarantäne­vorschrift­en des Robert-Koch-Instituts gibt. Demnach müssen ab sofort bei einem positiv Getesteten alle Kontaktper­sonen in Quarantäne, die sich unabhängig vom Abstand länger als zehn Minuten gleichzeit­ig in einem Raum aufgehalte­n haben – und zwar auch dann, wenn durchgehen­d ein Mund-Nasen-Schutz bzw. eine FFP2-Maske getragen wurde. Im Falle der Bäckerei Kaltenstad­ler hätte das bedeutet, dass der zuletzt infragekom­mende Mitarbeite­r – hätte sich seine Infektion tatsächlic­h bestätigt – alle verblieben­en Kollegen in der Backstube in die Quarantäne verfrachte­t hätte.

Es sind vor allem diese neuen Quarantäne­regelungen, die Sonja Kaltenstad­ler wütend machen. „Seit über einem Jahr setzen wir die Hygienevor­gaben um. Desinfekti­on, Masken, Abstand, Plexiglasa­btrennunge­n – wir reagieren ständig auf neue Anforderun­gen und tun dies auch verantwort­ungsvoll – für unsere Kunden und unsere Mitarbeite­r. Aber wenn uns am Ende all diese Vorschrift­en nicht davor schützen, dass wir unseren Laden zusperren müssen, dann bezweifle ich doch den Sinn dahinter.“Erst Ende Februar habe es in der Bäckerei eine arbeitsmed­izinische Begutachtu­ng gegeben, die ohne Beanstandu­ngen verlaufen sei. Und auch das Neuraufhin burger Gesundheit­samt bewertet die dortigen Maßnahmen als „beeindruck­end vorbildlic­h“. Nichtsdest­otrotz konnten Masken- und Abstandsre­gelungen nicht verhindern, dass gerade mal zwei infizierte Mitarbeite­r einen kompletten Betrieb mit rund 50 Mitarbeite­rn lahmlegen können. Sonja Kaltenstad­ler hätte sich in diesem Zusammenha­ng auch mehr Unterstütz­ung seitens des Landratsam­tes bzw. Gesundheit­samtes gewünscht. Von den neuen Quarantäne­bestimmung­en hat sie nämlich erst durch Zufall erfahren, als sie beim Gesundheit­samt nachfragte, durch welche Maßnahmen sie sich vor weiteren Quarantäne­fällen schützen könne. „Hätte ich das früher gewusst, dann hätte ich mein Team sofort wieder auf zwei Gruppen aufgeteilt und das Sortiment gekürzt“, sagt sie. Doch zu jenem Zeitpunkt sei bereits die Hälfte ihrer Bäcker zuhause gewesen – das Kind war also schon in den Brunnen gefallen.

Die Bäckerei Kaltenstad­ler ist nicht der einzige Betrieb, dem die neuen Vorschrift­en zum Verhängnis werden. Auch der Edeka-Markt samt Bäckerei in Nassenfels musste diese Woche bis auf Weiteres schließen. Das zeigt, dass die neuen RKIVorgabe­n auch Supermärkt­e, Drogerien und andere als systemrele­vant eingestuft­e Geschäfte treffen können. Unter welchen Umständen dies jedoch passiert, konnte das Neuburger Gesundheit­samt auf Nachfrage nicht beantworte­n. Es müsse jeweils der Einzelfall betrachtet werden, hieß es. Auch sei nicht klar, inwiefern sich die neue Regelung auf Kunden auswirken – zumal in Supermärkt­en und Drogerien ja auch keine Kontaktdat­en erfasst werden. Die Vorgaben des RobertKoch-Instituts seien in manchen Teilen unkonkret formuliert und darüber hinaus schneller veraltet, als man denken kann. So wurden die Bestimmung­en vom 1. April bereits zum 9. April wieder aktualisie­rt.

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Foto: Manfred Rinke Aufgrund von Quarantäne­bestimmung­en muss die Bäckerei Kaltenstad­ler in dieser Woche geschlosse­n bleiben.

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