Bäckerei Kaltenstadler muss vorerst schließen
Die Quarantänebestimmungen ziehen mitunter so weite Kreise, dass ein Betrieb seine Produktion nicht aufrecht erhalten kann. Das musste die Bäckerei Kaltenstadler jetzt erfahren. Doch es könnte mehr systemrelevante Bereiche treffen
Neuburg/Nassenfels Die CoronaPandemie hat in Neuburg erstmals Auswirkungen auf einen systemrelevanten Betrieb. Die Bäckerei Kaltenstadler wird diese Woche geschlossen bleiben, weil sie ihren Produktionsbetrieb in der Backstube nicht aufrecht erhalten kann. Grund: Die Quarantänebestimmungen ließen die Mannschaft zuletzt auf eine Handvoll Bäcker schrumpfen. Als Ende vergangener Woche dann ein Verdachtsfall innerhalb des Bäckerei-Teams auftrat, mussten die Kaltenstadlers reagieren.
„Leider müssen wir aufgrund vermehrter Quarantäne-Ausfälle unser Geschäft vom 12.04.17.04.2021 schließen“steht auf einem Zettel an der Ladentüre. Die Entscheidung haben sich Ernst und Sonja Kaltenstadler nicht leicht gemacht, wie sie betonen. Doch nachdem ihre Bäckermannschaft bereits von 13 auf fünf Mitarbeiter geschrumpft war und für diese Woche ein kompletter Totalausfall in der Backstube drohte, mussten sie die Notbremse ziehen. Die Bäckerei bleibt deshalb diese Woche komplett geschlossen, die Stimmung bei den Kaltenstadlers und ihren Mitarbeitern ist entsprechend gedämpft. Nach dem Hochwasser 1999 ist es nun das zweite Mal in 30 Jahren, dass Ernst Kaltenstadler seine Bäckerei schließen muss.
Die personellen Probleme begannen, als ein Mitarbeiter das Virus in den Betrieb brachte. Sechs Mitarbeiter wurden daraufhin als direkte Kontaktpersonen ermittelt und in Quarantäne geschickt, was bedeutet, dass die Hälfte der Backmannschaft auf einen Schlag ausfiel. Die Bäckerei reduzierte daraufhin ihr Sortiment und machte weiter. „Alle unsere Mitarbeiter zogen an einem Strang und halfen mit, damit wir den Ausfall irgendwie auffangen können“, loben Sonja und Ernst Kaltenstadler ihr Team.
Sieben Arbeitstage hatten sie bereits überstanden und das Ende der Quarantänezeit ihrer Kollegen im Blick, als sie jedoch ein weiterer Rückschlag traf: Ende vergangener Woche vermutete einer der verbliebenen Bäcker Corona-Symptome an sich, ein zuhause durchgeführter Schnelltest war entsprechend positiv ausgefallen. Er informierte daErnst Kaltenstadler, der nicht lange auf ein offizielles Laborergebnis warten wollte. „Wir haben gegenüber unseren Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht und deshalb entschieden, dass der Mitarbeiter zuhause bleiben muss“, sagt er. Die Konsequenz war aber auch, dass der Produktionsbetrieb mit den verbliebenen Mitarbeitern nun nicht mehr möglich war. Die Bäckerei musste deshalb vorübergehend schließen.
Das Problem an der Situation war nicht nur, dass die Backmannschaft aufgrund der Quarantänefälle drastisch reduziert worden war, sondern dass es seit dem 1. April auch neue Quarantänevorschriften des Robert-Koch-Instituts gibt. Demnach müssen ab sofort bei einem positiv Getesteten alle Kontaktpersonen in Quarantäne, die sich unabhängig vom Abstand länger als zehn Minuten gleichzeitig in einem Raum aufgehalten haben – und zwar auch dann, wenn durchgehend ein Mund-Nasen-Schutz bzw. eine FFP2-Maske getragen wurde. Im Falle der Bäckerei Kaltenstadler hätte das bedeutet, dass der zuletzt infragekommende Mitarbeiter – hätte sich seine Infektion tatsächlich bestätigt – alle verbliebenen Kollegen in der Backstube in die Quarantäne verfrachtet hätte.
Es sind vor allem diese neuen Quarantäneregelungen, die Sonja Kaltenstadler wütend machen. „Seit über einem Jahr setzen wir die Hygienevorgaben um. Desinfektion, Masken, Abstand, Plexiglasabtrennungen – wir reagieren ständig auf neue Anforderungen und tun dies auch verantwortungsvoll – für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter. Aber wenn uns am Ende all diese Vorschriften nicht davor schützen, dass wir unseren Laden zusperren müssen, dann bezweifle ich doch den Sinn dahinter.“Erst Ende Februar habe es in der Bäckerei eine arbeitsmedizinische Begutachtung gegeben, die ohne Beanstandungen verlaufen sei. Und auch das Neuraufhin burger Gesundheitsamt bewertet die dortigen Maßnahmen als „beeindruckend vorbildlich“. Nichtsdestotrotz konnten Masken- und Abstandsregelungen nicht verhindern, dass gerade mal zwei infizierte Mitarbeiter einen kompletten Betrieb mit rund 50 Mitarbeitern lahmlegen können. Sonja Kaltenstadler hätte sich in diesem Zusammenhang auch mehr Unterstützung seitens des Landratsamtes bzw. Gesundheitsamtes gewünscht. Von den neuen Quarantänebestimmungen hat sie nämlich erst durch Zufall erfahren, als sie beim Gesundheitsamt nachfragte, durch welche Maßnahmen sie sich vor weiteren Quarantänefällen schützen könne. „Hätte ich das früher gewusst, dann hätte ich mein Team sofort wieder auf zwei Gruppen aufgeteilt und das Sortiment gekürzt“, sagt sie. Doch zu jenem Zeitpunkt sei bereits die Hälfte ihrer Bäcker zuhause gewesen – das Kind war also schon in den Brunnen gefallen.
Die Bäckerei Kaltenstadler ist nicht der einzige Betrieb, dem die neuen Vorschriften zum Verhängnis werden. Auch der Edeka-Markt samt Bäckerei in Nassenfels musste diese Woche bis auf Weiteres schließen. Das zeigt, dass die neuen RKIVorgaben auch Supermärkte, Drogerien und andere als systemrelevant eingestufte Geschäfte treffen können. Unter welchen Umständen dies jedoch passiert, konnte das Neuburger Gesundheitsamt auf Nachfrage nicht beantworten. Es müsse jeweils der Einzelfall betrachtet werden, hieß es. Auch sei nicht klar, inwiefern sich die neue Regelung auf Kunden auswirken – zumal in Supermärkten und Drogerien ja auch keine Kontaktdaten erfasst werden. Die Vorgaben des RobertKoch-Instituts seien in manchen Teilen unkonkret formuliert und darüber hinaus schneller veraltet, als man denken kann. So wurden die Bestimmungen vom 1. April bereits zum 9. April wieder aktualisiert.