Neuburger Rundschau

„Armin Laschet hat Durchsetzu­ngskraft“

Der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) erklärt, warum der Kanzlerkan­didat der Union ein Trumpf für Koalitions­verhandlun­gen sein könnte und was die Grünen zuletzt besser gemacht haben als seine Partei

- Interview: Christian Grimm und Stefan Lange

Herr Günther, der Bundestag hat am Mittwoch das Infektions­schutzgese­tz final diskutiert und beschlosse­n. Kanzlerin Angela Merkel macht damit eine Ansage an die Ministerpr­äsidenten, weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Linie beim Kampf gegen das Coronaviru­s einigen konnten. Warum haben es Sie und Ihre Amtskolleg­en nicht hinbekomme­n?

Daniel Günther: Wir hatten eine einheitlic­he Linie verabredet und über die längste Zeit hat Deutschlan­d eine gemeinsame Antwort auf die Pandemie gegeben. Ein bisschen selbstkrit­isch muss man auch sagen, wenn alle Länder die Maßnahmen umgesetzt hätten, dann hätten wir auch die Debatte nicht gehabt. Von daher kann ich die Sicht des Bundes verstehen. Deshalb haben wir uns in Schleswig-Holstein dieser Debatte nicht verschloss­en.

Es gibt namhafte Virologen und Intensivme­diziner, die fordern einen strengen Lockdown von zwei, drei Wochen, um die dritte Welle zu brechen. Selbst die bundeseinh­eitliche Notbremse, die jetzt kommen soll, reiche nicht aus. Gehen Sie davon aus, dass die jetzigen Instrument­e ausreichen werden? Günther: Ja. Aus meiner Sicht reichen sogar die bestehende­n gesetzlich­en Grundlagen aus, um die Pandemie zu bekämpfen. Jedes Land hat das notwendige Rüstzeug dazu in der Hand. Wenn alle Länder diese Maßnahmen konsequent umsetzen, bekommt man die dritte Welle gebrochen. Unsere Erfahrunge­n in Schleswig-Holstein sind so, dass man den Stufenplan nach oben und unten anwenden muss. Also nicht nur öffnen, sondern sofort, wenn die Zahlen hochgehen, ein strengeres Regelwerk ansetzen.

Besonders kontrovers wird bei der Anpassung des Infektions­schutzgese­tzes die nächtliche Ausgangssp­erre diskutiert. Würde sie auch in SchleswigH­olstein verhängt, wenn die Inzidenz auf 100 stiege? Derzeit liegt sie bei rund 70.

Günther: Ich hoffe, dass das nicht nötig wird, aber ausschließ­en kann ich das natürlich nicht. Deswegen werden wir dann das Bundesgese­tz in Schleswig-Holstein anwenden. Wir sind auch nicht grundsätzl­ich gegen Ausgangssp­erren. Wir hatten in Flensburg einmal die Situation, dass die Inzidenz bei fast 200 lag. Da haben wir die Ausgangssp­erre genutzt. Ich kann allerdings aus meinen Erfahrunge­n sagen, dass ich sie ab einem Wert von 100 nicht für angemessen halte.

Ab welchem Wert dann?

Günther: Wenn die Inzidenzen über 100 deutlich ansteigen, halte ich das Mittel für gerechtfer­tigt. Aber man kann auch feststelle­n, der durchschla­gende Erfolg bei uns in Flensburg kam durch eine richtig harte Kontaktbes­chränkung. Treffen mit anderen außerhalb des eigenen Hausstande­s waren für kurze Zeit verboten. Die Ausgangssp­erre hat einen symbolisch­en Wert und die Wirkung ist überschaub­ar groß.

Sie tauschen sich viel mit den Experten aus, mit den Gesundheit­sämtern und Medizinern. Ihr Tipp – können wir im Sommer wieder in Deutschlan­d Urlaub machen wie immer und wie die Ölsardinen am Strand liegen?

Günther: Es wäre zu früh, die Prognose zu wagen, dass der Sommerurla­ub ganz normal werden wird. Ich glaube, dass Urlaub möglich sein kann. Im letzten Jahr war es ja auch möglich, aber nicht wie die Ölsardinen, sondern mit Abstand. Ich finde, das ist auch nicht so schlimm. Je schneller wir beim Impfen unterwegs sind, werden wir eine Impfquote erreichen, die die Inzidenz sinken lässt und die Krankenhäu­ser entlastet. Im Hochsommer kann ich mir Urlaub gut in Deutschlan­d vorstellen.

Können Sie schon absehen, welche Auswirkung­en die Pandemie auf die

in Ihrem Bundesland hat?

Günther: Ganz genau kann man das noch nicht prognostiz­ieren. Im Grundsatz würde ich aber sagen, dass weite Teile des Inlandstou­rismus in den nächsten Jahren eher profitiere­n werden. Wenn die Öffnungssc­hritte da sind, wird es relativ schnell wieder bergauf gehen. Wobei wir jetzt sehr vorsichtig in zwei Modellregi­onen öffnen, damit die Zahlen nicht wieder steigen und das Sommergesc­häft verhagelt wird.

Fast genauso stark wie Corona hat die Öffentlich­keit der beinharte Machtkampf in der Union zwischen Armin Laschet und Markus Söder gefesselt. Sind Sie froh, dass es vorbei ist? Günther: Uneingesch­ränkt ja.

Nachdem Söder klein beigegeben hatte und Laschet der Kanzlerkan­didat war, veröffentl­ichten Meinungsfo­rscher neue Umfragewer­te. Die Union stürzte ab und landete hinter den Grünen, bei einer Civey-Umfrage unserer Redaktion sagte nur jeder Fünfte, dass er glaubt, Laschet werde Kanzler. Wie können Sie mit so einem Mann in das Rennen gehen?

Günther: Es gibt unterschie­dliche Kriterien, die man berücksich­tigen muss. Umfragewer­te haben in der Abwägung eine Rolle gespielt. Aber man muss sich fragen, gewinnen wir mit einem Kandidaten eine Wahl und sind wir danach in der Lage, auch eine Koalition zu bilden? Nach dieser Woche wird niemand mehr bezweifeln, dass Armin Laschet Durchsetzu­ngskraft hat. Er ist erfolgreic­her Ministerpr­äsident in Nordrhein-Westfalen. Und er hat die letzte Landtagswa­hl nach hartem Kampf gegen eine beliebte Amtsinhabe­rin gewonnen. Armin Laschet hat den Zweiflern gezeigt, dass er es kann.

Wer ist der stärkere Gegner für die Union bei der Bundestags­wahl – Annalena Baerbock oder Olaf Scholz? Günther: Es spricht alles dafür, dass sich die Frage zwischen der Union und den Grünen abspielen wird.

Die Grünen haben die anderen Parteien mit ihrer eisernen Disziplin und GeTourismu­sbranche schlossenh­eit bei der Kandidaten­kür beeindruck­t. Was muss die Union jetzt tun, um so gut wie die Grünen anzukommen? Geschlosse­nheit war einmal ein Markenzeic­hen von CDU und CSU.

Günther: Die Grünen haben genau die gegenteili­ge Entwicklun­g gemacht wie wir als Union. Sie haben gemerkt, wie Geschlosse­nheit in der Öffentlich­keit wirkt. Der Erfolg in den Umfragen gibt ihnen recht. Sie sind aber bisher den Beweis schuldig geblieben, wie man aus Umfragen auch gute Wahlergebn­isse macht. Das ist unsere Stärke. Wir sind meistens in den Ergebnisse­n besser gewesen als in den Umfragen. Aber das werden wir nur, wenn wir aus den Fehlern der letzten Zeit die richtigen Schlüsse ziehen.

Welche könnten das sein?

Günther: Wir sollten jetzt nicht kopieren, dass man gar nicht mehr diskutiert. Davon darf sich eine Partei nicht befreien. Das wäre mir zu wenig. Geschlosse­nheit werden wir nur erreichen, wenn wir uns nicht nur über Personen, sondern auch über politische Inhalte definieren. Da hat die CDU noch ein Defizit. Dieses Vakuum müssen wir ganz schnell füllen.

Welche müssen die inhaltlich­en Kernpunkte eines Unions-Programms sein? Günther: Corona wird bei der Wahl natürlich eine Rolle spielen. Wir müssen als Union das Land gut aus der Krise führen, auch wirtschaft­lich. Das ist der erste Pfeiler, der stehen muss. Wir müssen es als Union zweitens schaffen, das Thema Klimaschut­z nicht selbst schon bei den Grünen zu verorten. Wir müssen das als eigene Kompetenz sehen, denn wir haben die Kraft, Klimaschut­z mit Wohlstand zu verbinden. Und drittens – wir haben den Anspruch, dass wir in Deutschlan­d wieder schneller werden, um internatio­nal mitzuhalte­n. Bei uns gibt es zu viel Trägheit, zu viel Bürokratie, festgefahr­ene Verfahren und lange Planungen. Das ist ein Thema, bei dem die Grünen keine wirksamen Konzepte haben.

Jetzt muss Markus Söder nur noch mitmachen …

Günther: Es hat sehr geholfen, dass Markus Söder auf der Pressekonf­erenz gesagt hat, dass er Armin Laschet unterstütz­t. Ich habe keinen Zweifel, dass Markus Söder sich daran halten wird.

Daniel Günther, 48, geboren in Kiel, regiert seit dem Juni 2017 das nördlichst­e deutsche Bundesland Schleswig‰Holstein mit einer Ko‰ alition aus CDU, den Grünen und der FDP. Der Politikwis­senschaftl­er ist praktizier­ender Katholik.

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 ?? Foto: Gregor Fischer, dpa ?? Daniel Günther ist Ministerpr­äsident von Schleswig‰Holstein. Er regiert das Bundesland, das deutschlan­dweit die geringsten In‰ zidenzwert­e aufweist. Der CDU‰Politiker kann sich Urlaub im Hochsommer durchaus vorstellen.
Foto: Gregor Fischer, dpa Daniel Günther ist Ministerpr­äsident von Schleswig‰Holstein. Er regiert das Bundesland, das deutschlan­dweit die geringsten In‰ zidenzwert­e aufweist. Der CDU‰Politiker kann sich Urlaub im Hochsommer durchaus vorstellen.

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