Das Neuburger Geschwader wird 60 Jahre alt
74 – diese Zahl steht seit nun sechs Jahrzehnten für das Luftwaffengeschwader mit seiner Basis in Zell. Am 5. Mai hat der Verband 60. Geburtstag. Grund genug, um einen Blick auf seine Geschichte zu werfen
Das Taktische Luftwaffengeschwader 74 feiert Geburtstag. Am 5. Mai 1961 wurde der Luftwaffenverband in Neuburg offiziell in Dienst gestellt. Seit seiner Geburtsstunde ist auf dem Fliegerhorst Neuburg-Zell und in der dazugehörenden Wilhelm-Frankl-Kaserne viel passiert. Nicht nur der Name des Geschwaders hat sich mehrfach geändert, sondern auch die Aufgaben und die Flugzeugmuster, die geflogen wurden und werden. Und, wie in allen Lebensbereichen, begleiten das Geschwader nicht nur Erfolge. Neben Bestpreisen und erfolgreichen Einsätzen gab es auch Flugunfälle und Todesfälle. Ein Überblick über 60 Jahre bei einem der größten Arbeitgeber Neuburgs und der Region.
Als im Mai 1961 der damalige Kommodore Fritz Wegner mit seinen Geschwaderangehörigen auf dem Neuburger Fliegerhorst einzog, wurde in der Garnisonsstadt eine lange Fliegerhistorie wiederbelebt. Wegner prägte das Geschwader als erster Kommodore maßgeblich. Nicht nur, weil er in Leipheim ein halbes Jahr zuvor den Verband aus der eigentlichen Taufe gehoben hatte. Er war auch der Kommodore mit der bei weitem längsten Dienstzeit. Exakt acht Jahre lang lenkte er die Geschicke des Jagdgeschwaders 74, dem einzigen Luftverteidigungsverband mit lufthoheitlichem Sicherungsauftrag in Süddeutschland.
Bis heute folgten auf Fritz Wegner weitere 21 Kommodore. Zieht man Wegners acht Dienstjahre ab, kommt man auf eine durchschnittliche Stehzeit der Geschwaderchefs von 2,5 Jahren. Und obwohl es Fritz Wegner in seiner weiteren Laufbahn bis hin auf die Stelle des Kommandierenden Generals Luftflotte verschlug und er damit Chef aller Einsatzverbände der Luftwaffe war, blieb er Neuburg treu und verlebte dort ab 1983 seinen „Un-Ruhestand“. Als Vorsitzender der Mölders-Vereinigung, einem Zusammenschluss von Freunden des Geschwaders, setzte er sich weiterhin für den Luftwaffenverband ein.
Den Traditionsnamen Mölders hatte das Geschwader 1973 verliehen bekommen. Aber die Zeiten änderten sich. Und mit ihnen die Ansichten. Der Traditionsname wurde dem Verband 2005 nach einem Bundestagsbeschluss wieder entzogen. Die Möldersvereinigung ist nichtsdestotrotz weiterhin aktiv.
Leider blieb das Geschwader von Unfällen nicht verschont. Bereits 1962 stießen zwei F-86 im Landeanflug zusammen und stürzten ab. Die beiden Piloten kamen bei dem ersten schweren Unfall des Neuburger Verbandes ums Leben. Als das Geschwader 1964 mit der F-104 das Überschallzeitalter betrat, blieben auch mit diesem Flugzeugmuster die Abstürze nicht aus. In zehn Jahren Starfighter-Betrieb verloren bis
1974 bei zwölf Unfällen drei Piloten ihr Leben. Andere Geschwader hingegen mussten in der StarfighterÄra noch größere Verluste hinnehmen. 1974 dann stieg der Verband auf die robustere F-4F Phantom um. 34 Jahre lang flogen die Besatzungen diesen Typ. Traurige Bilanz dieser langen Zeitspanne: Sechs F-4 stürzten ab, wobei neun Besatzungsmitglieder ums Leben kamen.
Nicht nur die Flugzeugmuster wechselten, auch das Geschwader und der Fliegerhorst passten sich immer wieder neuen Begebenheiten an. Mit Einführung der Phantom wurden die Flugzeugschutzbauten errichtet. Viele Male verlegte sich das Geschwader nonstop mit Luft
betankung über den Atlantik, um in Kanada den Tiefflug zu trainieren. Und vor der Westküste Sardiniens übten die Besatzungen über dem Mittelmeer regelmäßig den Luftkampf.
Mit dem Eurofighter kam nicht nur ein zeitgemäßes Kampfflugzeug in den Verband. Auch ein hochmoderner Simulator wurde am Fliegerhorst installiert, der weit näher an der Realität Einsätze und Notfälle üben lässt als sein Vorgänger. Eine wichtige Basis für einen unfallfreien Flugbetrieb. Der letzte Absturz einer Neuburger Maschine liegt inzwischen über 25 Jahre zurück. Piloten müssen nun kräftig auf Holz klopfen. Denn bei aller Technik,
versetzt nicht zuletzt auch der Glaube Berge.
In den vergangenen Jahren herrschte auf dem Fliegerhorst eine rege Bautätigkeit. Neben einer neuen Feuerwehrwache und dem weithin sichtbaren Kontrollturm wurde auch eine moderne Werfthalle für die Instandsetzung des Eurofighter errichtet und die Infrastruktur modernisiert. Der Standort scheint auch in Zukunft gesichert. Was für die Region auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Denn die 1030 Soldaten und 120 zivilen Mitarbeiter wohnen größtenteils mit ihren Familien in der Region. Zudem generiert der Verband selbst Aufträge.
Mit dem modernen Jagdflugzeug
kamen auch neue Aufgaben auf die Soldaten und Mitarbeiter zu. Ob in Europa, in Israel oder in Alaska, das Geschwader nimmt weltweit an Übungen teil. Im Baltikum unterstützt es seit Jahren regelmäßig die Luftraumüberwachung. Für die Soldaten bedeutet das zum Teil lange Abwesenheitsraten der Soldaten vom Standort und damit auch von ihren Familien.
Altlasten, wie etwa das Thema PFC, beschäftigen die Region und auch das Geschwader. Und auch der Fluglärm wird immer wieder diskutiert. Ja, dieser Nachbar ist spürbar. Er ist aber auch einer der Garanten für 60 Jahre ohne Krieg im Heimatland.