Wie geht’s weiter nach der Schule?
Die Pandemie macht es für Abschlussschüler nicht gerade leichter herauszufinden, welche Berufe zu ihnen passen. Auch die Betriebe tun sich schwer in der Auswahl geeigneter Azubis. Wie Beteiligte mit der Situation umgehen
Die Pandemie macht es für Abschlussschüler nicht gerade leichter herauszufinden, welche Berufe zu ihnen passen.
NeuburgSchrobenhausen Abschlussschüler haben es nicht leicht in diesen Tagen. Zum einen müssen sie sich im Dschungel von Wechsel-, Distanz-, und Präsenzunterricht auf ihre Prüfungen vorbereiten. Zum anderen ist die Frage, wie es nach der Schule weitergehen soll, nicht gerade einfacher zu beantworten geworden. Wie sollen Schüler auch herausfinden, welcher Job der richtige für sie ist, wenn es kaum Ausbildungsmessen oder Möglichkeiten zum Probearbeiten gibt? Zudem sind die Betriebe bei neuen Anstellungen zurückhaltender geworden.
Weniger auszubildende Industriekaufleute als sonst hat zum Beispiel die Firma Sonax eingestellt. Gerade in diesem Bereich seien viele Betreuer im Homeoffice und es sei nicht klar, wie es ab September weitergeht. „Wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber den Auszubildenden“, sagt Claudia Ruthardt, Personalreferentin beim Chemiehersteller. Eine angemessene Betreuung könne so schlecht gewährleistet werden.
Bereits im vergangenen Jahr haben die Betriebe laut Industrie- und Handelskammer deutlich weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als gewohnt. Während es in Oberbayern im Jahr 2019 noch 16.557 waren, sank dieser Wert 2020 auf 14.706 – ein ungewöhnlich starker Rückgang um 11,2 Prozent. Der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ist etwas besser aufgestellt, aber auch hier gibt es eine „abwartende Haltung“, sagt Peter Kundinger von der Arbeitsagentur Ingolstadt. „Es dauert einfach alles länger als gewohnt.“Stand März 2021 sind von den insgesamt 510 Ausbildungsstellen im Landkreis noch 258 unbesetzt. Im vergangenen Beratungsjahr, das immer von Oktober bis September geht, waren 589 Stellen zu vergeben. „Zudem gibt es kein Praktikum, keine Schnupperlehre und keine Messen.“
Betriebe klagen laut Kundinger aber auch, dass sie niemanden fänden, weil immer mehr junge Leute Abitur und Hochschule dem Ausbildungsbetrieb vorziehen würden. „Das hat schon eine gewisse Dramatik“, sagt Kundinger. Dass die Unsicherheit unter Abschlussschülern in der Pandemie diesen allgemeinen Trend noch einmal stark befeuert hat, weiß auch Marina Kiesel. Laut der Koordinatorin für Berufsorientierung an der Paul-Winter-Schule wollen momentan rund die Hälfte ihrer Schüler nach der Mittleren die Hochschulreife erreichen und dafür die Fachoberschule besuchen. „Bisher war das immer eher ein Drittel“, sagt Kiesel. Das könnte ein Grund sein für die ebenfalls zurückgegangene Zahl der von der Arbeitsagentur registrierten Bewerber. Derzeit sind es laut Kundinger 413, im vergangenen Beratungsjahr waren es 455, davor 592.
Ein noch größeres Problem ist aber die Frage, wie die Schüler für fit gemacht und wie sie geeignete Ausbildungsbetriebe kennenlernen können. An der PaulWinter-Schule trifft das vor allem die Neuntklässler. „Für sie ist das Bewerbertraining komplett ausgefallen“, sagt Kießel. „Die hängen momentan in der Luft.“Sie hoffe aber, dass sich die Situation in den Pfingst- oder Sommerferien bessert.
Ähnlich ist die Lage an den Mittelschulen. Eigentlich sind in der achten Klasse zwei Praktikumswochen obligatorisch. Jetzt bestehe die Gefahr, dass manche Schüler gar keines machen, sagt Philipp Voitle von der Neuburger Mittelschule. „Das ist ein großes Problem, nicht zuletzt auch für das Selbstbewusstsein und die Motivation der Schüler.“Wenn die Jugendlichen merken, dass sie im Betrieb gut ankommen, seien sie auch in der Schule motivierter.
In vielen Branchen ist das Probearbeiten dafür ein gängiges Instrument. Beispielsweise in der Gastronomie, die wohl zu den von der Pandemie mit am stärksten betroffenen Branchen zählt. Karl Deiml ist stellBewerbungen vertretender Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Er und seine Frau Anke Deiml vom Hotel und Brauerei-Gasthof Neuwirt in Neuburg bilden jedes Jahr jeweils einen Hotelfachmann und einen Koch aus. Beide Stellen sind aktuell noch unbesetzt. „Wir können auch niemanden zum Probearbeiten kommen lassen, um uns zum Beispiel die Teamfähigkeit des Bewerbers anzuschauen“, sagt Karl Deiml. Es fehle einfach eine Perspektive.
Besetzt sind die Ausbildungsplätze dagegen beim Hotel Klosterbräu in Neuburg – und das schon seit dem vergangenen Herbst. Aber auch hier fehlt für die jungen Menschen die Möglichkeit, den Beruf einmal praktisch zu testen, wie Inhaber Otto Böhm auf Nachfrage mitteilt.
Für die Auszubildenden birgt die aktuelle Situation somit die Gefahr, dass sie im gewählten Job nicht zurechtkommen, weil er doch nicht ihren Interessen entspricht. Das sieht auch Claudia Ruthardt vom Chemiehersteller Sonax so. „Die jungen Leute haben im Vorfeld kaum Möglichkeiten, sich über die Berufe zu informieren. Das macht alles viel schwieriger.“Deswegen hat sie mit einer Azubiprojektgruppe die Schülersprechstunde ins Leben gerufen, in der interessierte Schüler jeden Donnerstag für eine Stunde über die Videoplattform Zoom mit aktuellen Azubis sprechen und Eindrücke sammeln können.
Beim Automobilzulieferer Faurecia in Neuburg hat die Krise keine Auswirkungen auf die Vergabe der Ausbildungsplätze. „Wir haben normal eingestellt“, so Ausbildungsleiter Dominik Appe. Normal heißt in dem Fall jeweils einen Kaufmann für Bürokommunikation und einen Fachinformatiker. „Beide Stellen sind schon länger besetzt – die Vorstellungsgespräche liefen erstmals virtuell ab.“Allerdings konnten auch hier die Schülerpraktika nicht wie gewohnt stattfinden. „Einen Tod muss man wohl sterben“, sagt Appe.
Kleine und mittlere Unternehmen, die trotz Corona nicht weniger Lehrlinge einstellen als in den Jahren zuvor, bekommen dafür eine Prämie vom Bund. Im Landkreis haben laut Kundinger bis Februar 22 Unternehmen 2000 Euro bekommen, 28 Betriebe haben sogar 3000 Euro Prämie je Ausbildungsvertrag erhalten, weil sie mehr Azubis als im Vorjahr eingestellt haben.