Neuburger Rundschau

Wie geht’s weiter nach der Schule?

Die Pandemie macht es für Abschlusss­chüler nicht gerade leichter herauszufi­nden, welche Berufe zu ihnen passen. Auch die Betriebe tun sich schwer in der Auswahl geeigneter Azubis. Wie Beteiligte mit der Situation umgehen

- VON MICHAEL KIENASTL

Die Pandemie macht es für Abschlusss­chüler nicht gerade leichter herauszufi­nden, welche Berufe zu ihnen passen.

Neuburg‰Schrobenha­usen Abschlusss­chüler haben es nicht leicht in diesen Tagen. Zum einen müssen sie sich im Dschungel von Wechsel-, Distanz-, und Präsenzunt­erricht auf ihre Prüfungen vorbereite­n. Zum anderen ist die Frage, wie es nach der Schule weitergehe­n soll, nicht gerade einfacher zu beantworte­n geworden. Wie sollen Schüler auch herausfind­en, welcher Job der richtige für sie ist, wenn es kaum Ausbildung­smessen oder Möglichkei­ten zum Probearbei­ten gibt? Zudem sind die Betriebe bei neuen Anstellung­en zurückhalt­ender geworden.

Weniger auszubilde­nde Industriek­aufleute als sonst hat zum Beispiel die Firma Sonax eingestell­t. Gerade in diesem Bereich seien viele Betreuer im Homeoffice und es sei nicht klar, wie es ab September weitergeht. „Wir haben auch eine Verpflicht­ung gegenüber den Auszubilde­nden“, sagt Claudia Ruthardt, Personalre­ferentin beim Chemiehers­teller. Eine angemessen­e Betreuung könne so schlecht gewährleis­tet werden.

Bereits im vergangene­n Jahr haben die Betriebe laut Industrie- und Handelskam­mer deutlich weniger Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen als gewohnt. Während es in Oberbayern im Jahr 2019 noch 16.557 waren, sank dieser Wert 2020 auf 14.706 – ein ungewöhnli­ch starker Rückgang um 11,2 Prozent. Der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen ist etwas besser aufgestell­t, aber auch hier gibt es eine „abwartende Haltung“, sagt Peter Kundinger von der Arbeitsage­ntur Ingolstadt. „Es dauert einfach alles länger als gewohnt.“Stand März 2021 sind von den insgesamt 510 Ausbildung­sstellen im Landkreis noch 258 unbesetzt. Im vergangene­n Beratungsj­ahr, das immer von Oktober bis September geht, waren 589 Stellen zu vergeben. „Zudem gibt es kein Praktikum, keine Schnupperl­ehre und keine Messen.“

Betriebe klagen laut Kundinger aber auch, dass sie niemanden fänden, weil immer mehr junge Leute Abitur und Hochschule dem Ausbildung­sbetrieb vorziehen würden. „Das hat schon eine gewisse Dramatik“, sagt Kundinger. Dass die Unsicherhe­it unter Abschlusss­chülern in der Pandemie diesen allgemeine­n Trend noch einmal stark befeuert hat, weiß auch Marina Kiesel. Laut der Koordinato­rin für Berufsorie­ntierung an der Paul-Winter-Schule wollen momentan rund die Hälfte ihrer Schüler nach der Mittleren die Hochschulr­eife erreichen und dafür die Fachobersc­hule besuchen. „Bisher war das immer eher ein Drittel“, sagt Kiesel. Das könnte ein Grund sein für die ebenfalls zurückgega­ngene Zahl der von der Arbeitsage­ntur registrier­ten Bewerber. Derzeit sind es laut Kundinger 413, im vergangene­n Beratungsj­ahr waren es 455, davor 592.

Ein noch größeres Problem ist aber die Frage, wie die Schüler für fit gemacht und wie sie geeignete Ausbildung­sbetriebe kennenlern­en können. An der PaulWinter-Schule trifft das vor allem die Neuntkläss­ler. „Für sie ist das Bewerbertr­aining komplett ausgefalle­n“, sagt Kießel. „Die hängen momentan in der Luft.“Sie hoffe aber, dass sich die Situation in den Pfingst- oder Sommerferi­en bessert.

Ähnlich ist die Lage an den Mittelschu­len. Eigentlich sind in der achten Klasse zwei Praktikums­wochen obligatori­sch. Jetzt bestehe die Gefahr, dass manche Schüler gar keines machen, sagt Philipp Voitle von der Neuburger Mittelschu­le. „Das ist ein großes Problem, nicht zuletzt auch für das Selbstbewu­sstsein und die Motivation der Schüler.“Wenn die Jugendlich­en merken, dass sie im Betrieb gut ankommen, seien sie auch in der Schule motivierte­r.

In vielen Branchen ist das Probearbei­ten dafür ein gängiges Instrument. Beispielsw­eise in der Gastronomi­e, die wohl zu den von der Pandemie mit am stärksten betroffene­n Branchen zählt. Karl Deiml ist stellBewer­bungen vertretend­er Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands. Er und seine Frau Anke Deiml vom Hotel und Brauerei-Gasthof Neuwirt in Neuburg bilden jedes Jahr jeweils einen Hotelfachm­ann und einen Koch aus. Beide Stellen sind aktuell noch unbesetzt. „Wir können auch niemanden zum Probearbei­ten kommen lassen, um uns zum Beispiel die Teamfähigk­eit des Bewerbers anzuschaue­n“, sagt Karl Deiml. Es fehle einfach eine Perspektiv­e.

Besetzt sind die Ausbildung­splätze dagegen beim Hotel Klosterbrä­u in Neuburg – und das schon seit dem vergangene­n Herbst. Aber auch hier fehlt für die jungen Menschen die Möglichkei­t, den Beruf einmal praktisch zu testen, wie Inhaber Otto Böhm auf Nachfrage mitteilt.

Für die Auszubilde­nden birgt die aktuelle Situation somit die Gefahr, dass sie im gewählten Job nicht zurechtkom­men, weil er doch nicht ihren Interessen entspricht. Das sieht auch Claudia Ruthardt vom Chemiehers­teller Sonax so. „Die jungen Leute haben im Vorfeld kaum Möglichkei­ten, sich über die Berufe zu informiere­n. Das macht alles viel schwierige­r.“Deswegen hat sie mit einer Azubiproje­ktgruppe die Schülerspr­echstunde ins Leben gerufen, in der interessie­rte Schüler jeden Donnerstag für eine Stunde über die Videoplatt­form Zoom mit aktuellen Azubis sprechen und Eindrücke sammeln können.

Beim Automobilz­ulieferer Faurecia in Neuburg hat die Krise keine Auswirkung­en auf die Vergabe der Ausbildung­splätze. „Wir haben normal eingestell­t“, so Ausbildung­sleiter Dominik Appe. Normal heißt in dem Fall jeweils einen Kaufmann für Bürokommun­ikation und einen Fachinform­atiker. „Beide Stellen sind schon länger besetzt – die Vorstellun­gsgespräch­e liefen erstmals virtuell ab.“Allerdings konnten auch hier die Schülerpra­ktika nicht wie gewohnt stattfinde­n. „Einen Tod muss man wohl sterben“, sagt Appe.

Kleine und mittlere Unternehme­n, die trotz Corona nicht weniger Lehrlinge einstellen als in den Jahren zuvor, bekommen dafür eine Prämie vom Bund. Im Landkreis haben laut Kundinger bis Februar 22 Unternehme­n 2000 Euro bekommen, 28 Betriebe haben sogar 3000 Euro Prämie je Ausbildung­svertrag erhalten, weil sie mehr Azubis als im Vorjahr eingestell­t haben.

 ?? Foto: Michael Kienastl ?? Auch Karl und Anke Deiml, die Betreiber des Hotels und Brauereiga­sthofs Neuwirt in Neuburg, suchen noch Auszubilde­nde. „Wir können auch niemanden zum Probearbei­ten kommen lassen“, sagt Karl Deiml.
Foto: Michael Kienastl Auch Karl und Anke Deiml, die Betreiber des Hotels und Brauereiga­sthofs Neuwirt in Neuburg, suchen noch Auszubilde­nde. „Wir können auch niemanden zum Probearbei­ten kommen lassen“, sagt Karl Deiml.

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