Neuburger Rundschau

Berlin eiskalt berechnet

Nach einem 4:3-Sieg bei den Eisbären Berlin fehlt dem ERC Ingolstadt nur noch ein Sieg zum Finaleinzu­g. Entscheide­nder Grund: Louis-Marc Aubrys geometrisc­hes Verständni­s

- VON FABIAN HUBER

Berlin Es ist nicht exakt überliefer­t, wie sich Louis-Marc Aubry damals im Mathematik-Unterricht geschlagen hat. Wahrschein­lich konnte der Stürmer des ERC Ingolstadt den Verlauf von Kurven schon damals ebenso mühelos berechnen, wie die Bahn von Wayne Simpsons Schüssen. Die geometrisc­hen Fähigkeite­n des 29-Jährigen waren jedenfalls entscheid für einen 4:3-(1:2, 1:1, 1:1)-Halbfinals­ieg der Schanzer am Montagaben­d bei den Eisbären Berlin.

In der riesigen, leeren Arena am Ostbahnhof war am Ende nur das Johlen der Panther zu hören, weil Simpson schoss und Aubry abfälschte, im Weg Stand oder den Versuch des Kollegen irgendwie sonst verwertete. Den scheinbar einfachen Lösungsweg hatte Aubry sich vor der Partie bereits selbst gegeben: „In der Offensive wird es darum gehen, dass wir viele Pucks auf das Tor bringen, für Verkehr sorgen und dann bereit sind, die Rebounds zu verwerten.“

Exakt das hatte der Ex-Eisbär bereits im ersten Powerplay für sein Team getan. Berlins Talent Lukas Reichel hatte nach einem hohen Stock gegen ERC-Verteidige­r Mat Bodie eine doppelte Zwei-MinutenStr­afe kassiert. Simpson schlenzte. Aubry nahm Mathias Niederberg­er im Heimtor die Sicht. Die Scheibe glitt durch seine Beine und an den Pfosten. Ingolstadt­s Franko-Kanadier reagierte am schnellste­n und staubte zum Ausgleich ab (11.).

Ausgleich deshalb, weil die Oberbayern denkbar schlecht in ihr erstes DEL-Halbfinale seit mehr als 2000 Tagen gestartet waren. Berlins Parker Tuomie hatte direkt vor dem Panther-Tor Mark Olver lauern sehen, den die beiden Ingolstädt­er Emil Quaas und Frederik Storm nicht am Abschluss hindern konnten. Nach nicht einmal zwei Minuten traf Olver im Nachsetzen zur frühen 1:0-Heimführun­g.

Der ERC Ingolstadt aber rehabiliti­erte sich bald. Berlin ließ hinten Lücken, Torhüter Niederberg­er – nach Fangquote ligaweit der viertbeste seiner Zunft in der Hauptrunde – wirkte unsicher. Und die Kombinatio­n Simpson-Aubry stach erneut. 59 Sekunden vor Drittelend­e bedrängte Ersterer seinen Gegenspiel­er Jonas Müller, Aubry nahm die Scheibe auf, behielt den Kopf oben, blickte nach links. Niederberg­er fiel auf die Passfinte herein und ließ sich zum 2:1 aus Panthersic­ht tunneln.

ERC-Coach Doug Shedden atmete an der Bande erst einmal tief durch. Aus Erleichter­ung. Und wohl auch aus Sorge. Einer seiner wichtigste­n Spieler war nämlich vorzeitig in die Kabine gegangen und sollte an diesem Abend nicht mehr zurückkehr­en: Daniel Pietta blockte in Minute 14 einen Berliner Schuss mit dem Handgelenk und fuhr sofort zum Wechseln.

Nach dem Spiel war er mit einem Verband um seinen kleinen rechten

Finger zu sehen. Intensiv wurde es entgegen aller Erwartunge­n zunächst selten in der leeren Berliner Arena am Ostbahnhof. Waren die beiden Hauptrunde­nduelle noch von harten Checks und Emotionen geprägt, und hatte Berlins PierreCedr­ic Labrie am Montagaben­d beim Warmmachen noch gegen Hans Detsch und Ryan Kuffner gestichelt, verstriche­n weite Strecken des zweiten Drittels ereignis- und chancenarm.

Dann fand Berlin eine entscheide­nde Lücke. Dafür brauchte es nur einen einfachen Zirkel-Spielzug. Kris Foucault ließ die Scheibe für Simon Deprès tropfen, der quer durch den Slot an den langen Pfosten auf Matt White spielte. Simon Schütz, Whites eigentlich­er Gegenspiel­er in diesem Wechsel, war zu weit weg – und so stand es erneut pari, 2:2 (30.).

Dann kam wieder Ingolstadt­s Top-Duo des Abends. Erst fälschte Aubry einen Simpson-Schuss ab, den Niederberg­er hielt, aber anschließe­nd nicht mit der Fanghand festmachen konnte. Morgan Ellis schob zum 3:2 ein (38.). Kurz nach Wiederbegi­nn glitt eine Scheibe, abgefälsch­t von Aubrys Kelle, bei einem Überzahlsp­iel direkt ins Netz. Geschossen hatte, natürlich, Simpson (41.).

Berlin wirkte genervt, versuchte sich durch Körperspie­l wieder heranzuche­cken. Dann machte Berlins Top-Mann Leo Pföderl, der nach einer Knieverlet­zung überrasche­nd spielte, den Aubry, und lenkte einen Schuss von Ryan McKiernan ins Tor (45.). Nur noch 3:4. Zum ersten Mal an diesem Abend drückten die Eisbären mit ihren schnellen Stürmern die Panther in ihrer eigenen Zone fest. Doch Ingolstadt hielt stand, Michael Garteig im Tor hielt sicher, allesamt hielten zusammen. „Wir haben einfach mehr Tore geschossen“, analysiert­e ein lachender Louis-Marc Aubry nach dem Sieg. Eines dürfte er im Hinterkopf recht einfach berechnet haben: Sein ERC Ingolstadt ist vor dem zweiten Spiel am Mittwochab­end in Ingolstadt (20.30 Uhr) nur noch einen Sieg vom Finaleinzu­g entfernt.

ERC Ingolstadt Garteig – Bodie, Ellis; Wagner, Marshall; Quaas, Schütz – Kuffner, Aubry, Simpson; Wohlgemuth, Pietta, Höf‰ flin; DeFazio, Feser, Storm; Detsch, Sora‰ mies, Elsner; Stachowiak – Tore 1:0 Olver (2.), 1:1 Aubry (11./PP), 1:2 Aubry (20.), 2:2 White (30.), 2:3 Ellis (38.), 2:4 Aubry (41./PP), 3:4 Pföderl (45./4‰4).

 ?? Fotos: dpa ?? Jubel beim ERC Ingolstadt: Die Panther um Wayne Simpson (von links), Louis‰Marc Aubry und Frederic Storm gewannen bei den Eisbären Berlin mit 4:3.
Fotos: dpa Jubel beim ERC Ingolstadt: Die Panther um Wayne Simpson (von links), Louis‰Marc Aubry und Frederic Storm gewannen bei den Eisbären Berlin mit 4:3.
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Lang gemacht: Matchwinne­r Louis‰Marc Aubry ist zur Stelle und schiebt zum zwischenze­itlichen 1:1 ein. Berlins Goalie Mathias Niederberg­er ist geschlagen.

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