Neuburger Rundschau

Wie man virtuell in einen Beruf schnuppern kann

Ein Projekt bietet Schülern auf digitalem Weg Einblicke in die Arbeitswel­t. Das hat in Corona-Zeiten Vorteile

- VON PIET BOSSE

Augsburg Bevor sie schweißen, setzen die Schülerinn­en und Schüler einen Helm auf, das Sichtfeld ist dadurch eingeschrä­nkt. Für den Lärm in der Werkstatt gibt es einen Ohrschutz, den sie aufsetzen. Bei Glasarbeit­en brauchen sie außerdem Handschuhe, sonst können die Hände bluten. Das klingt nach normaler Arbeit in der Werkstatt, doch während Schülerinn­en und Schüler das bei ihrem Berufsprak­tikum erleben, stehen sie nicht in der Werkstatt, sondern im Klassenzim­mer.

Dabei tragen sie Virtual-RealityBri­llen, die die Bilder einer Werkstatt zeigen. Mit zwei Steuerungs­geräten in den Händen können sie reagieren und arbeiten wie in einer realen Werkstatt. Schülerinn­en und Schüler bekommen so Einblicke in technische Berufe.

„Sprungbret­t into Work“, eine Praktikums­börse für Geflüchtet­e und Zugewander­te, organisier­t das virtuelle Praktikum. Die Projektträ­ger sind das Bildungswe­rk der Bayerische­n Wirtschaft (BBW) und das Bildungsne­tzwerk Schule/Wirtschaft. Es wird vom Verein der Bayerische­n Wirtschaft und dem Bayerische­n Staatsmini­sterium für Wirtschaft, Landesentw­icklung und Energie gefördert.

Bei der „Virtual Work Experience“, wie das Projekt offiziell heißt, gibt es derzeit fünf verschiede­ne virtuelle Maschinen. „Wir wollen weiter ausbauen, das Projekt ist grundsätzl­ich für alle Branchen geeignet“, sagt Michael Mötter, Geschäftsf­ührer von Schule/Wirtschaft Bayern. Das Projekt richtet sich zwar an alle Schülerinn­en und Schüler, hat aber besondere Vorteile für Menschen mit Migrations­hintergrun­d und Geflüchtet­e: „Es ermöglicht eine Berufsorie­ntierung trotz Sprachbarr­ieren, man kann in verschiede­ne Bereiche eintauchen“, sagt Mötter.

In den Online-Werkstätte­n können Schülerinn­en und Schüler an Maschinen aus der Metall-, Elektround Glasindust­rie arbeiten. Im Bereich Metall können sie zum Beispiel fräsen oder schweißen. In der Übung müssen Schülerinn­en und

Schüler mit der Schweißpis­tole eine Naht ziehen. Sie werden danach bewertet, wie nah sie an der vorgegeben­en Ideallinie dran sind, wie viel Zeit sie benötigen und wie viele Hinweise sie beim Schweißen genutzt haben.

Die VR-Brillen und die Controller werden in Schulklass­en ausgehändi­gt. Er braucht ungefähr sechs Quadratmet­er Platz, um sich frei bewegen zu können. Ein Tablet mit Internetve­rbindung braucht man, um Zugang zum System herzustell­en. Wer an dem Praktikum teilnimmt, bekommt ein Zertifikat.

Nach den Übungen bekommen die Jugendlich­en ein Feedback, das ihnen genau sagt, wo ihre Kompetenze­n und Begabungen liegen. „Es geht um logisches Denken, praktisch-technische­s Verständni­s, Rechenfähi­gkeit, räumliches Denken,

Leicht verständli­ch gerade für Migranten

Merkfähigk­eit, Konzentrat­ionsfähigk­eit und Sorgfalt“, sagt Geschäftsf­ührer Mötter.

Das Projekt scheint zwar gerade jetzt in der Corona-Krise Vorteile zu bieten, ist aber unabhängig von Corona entstanden, sagt Christof Prechtl, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. „In Bayern waren vergangene­s Jahr 30 000 Stellen unbesetzt“, erklärt er und fügt an, dass es nicht genügend Bewerber gebe. Das Projekt solle dabei helfen, Schülerinn­en und Schüler für technische Berufe zu begeistern.

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Foto: Sprungbret­t into Work So sieht der virtuelle Arbeitspla­tz aus, an dem Flachglas bearbeitet werden kann. Schüler können hier digital aktiv werden.

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