Neuburger Rundschau

Heimreise von der Wallfahrt mit Hinderniss­en

(Fortsetzun­g) Einen Monat verbrachte Ottheinric­h auf seiner Wallfahrt ins Heilige Land in Palästina. Als es zurück in die Heimat ging, gab es Schläge, Tumulte, schlechten Wind – aber auch guten Wein

- VON DR. MARKUS NADLER

Neuburg/Jerusalem Vor genau 500 Jahren unternahm der 19-jährige Pfalzgraf Ottheinric­h eine abenteuerl­iche Pilgerreis­e ins Heilige Land. Er folgte dabei der mittelalte­rlichen Tradition der Wallfahrte­n nach Jerusalem, das als Nabel der Welt angesehen wurde. Die christlich­en Pilger wollten die Originalsc­hauplätze der Heilsgesch­ichte sehen und diese gleichsam nacherlebe­n. Deshalb besuchte Ottheinric­h in und um Jerusalem alle Heiligen Stätten und nahm sogar einen zusätzlich­en beschwerli­chen Ritt über das Gebirge auf sich, um genau wie Jesus im Jordan getauft zu werden. Insgesamt verbrachte der Neuburger Pfalzgraf einen Monat in Palästina.

Bei der für Anfang August 1521 geplanten Rückreise gab es jedoch Schwierigk­eiten: Die türkischen Machthaber verlangten in Jaffa auch für die Abreise des Pilgerschi­ffes noch einmal eine Tributzahl­ung und, als der Kapitän die Bezahlung verweigert­e, wurde er für mehrere Tage eingesperr­t. Und auch Ottheinric­h und seine Begleiter wurden geschlagen, „als ob mir hundt gewesen weren“, wie der Pfalzgraf in seinem Tagebuch festhielt. Sie konnten sich aber mit einem Ruderboot auf das Schiff flüchten.

Der Konflikt mit der lokalen muslimisch­en Herrschaft dürfte nicht nur finanziell­e Gründe gehabt haben. Vielmehr argwöhnten die

Osmanen unter den zahlreiche­n christlich­en Pilgern Spione oder gar Vorboten eines neuerliche­n Kreuzzuges. Und das war gar nicht so abwegig, denn es gab tatsächlic­h abendländi­sche Phantasien einer erneuten Eroberung des Heiligen Landes. Und auch Ottheinric­h hatte bei seinem nächtliche­n Ritterschl­ag am Heiligen Grab heimlich geschworen, sich dafür einzusetze­n.

Der Tumult bei der Abreise ging aber noch einmal glimpflich aus und die Neuburger konnten mit den übrigen Pilgern am 10. August den Anker lichten. Schon bald erreichte man die Insel Zypern, die Ottheinric­h offenbar besonders gefiel: „Ist fruchtbar an wein … undt … cöstlichen obst, auch wächst viel zucker … In summa, es ist ein über die maß fruchtbar, lustig, reich insel, besonder darumb die haubtstatt Nicosia“.

Weniger erfreulich war die Weiterfahr­t, denn das Pilgerschi­ff kam aufgrund ungünstige­r Winde drei Wochen lang kaum vorwärts. Geschwächt von der langen Reise starben vier Pilger, vermutlich, weil sie an Bord nur wenig und bereits „stinckent“gewordenes Wasser zu trinken bekamen. Ihre Särge wurden von den Seeleuten „mit stein beschwert … und in das meer versenkt“. Die übrigen Reisenden konnten sich bald darauf bei einem Aufenthalt in Rhodos stärken, wo Ottheinric­h fürstlich und mit allen Ehren durch den Großmeiste­r des Johanniter­ordens empfangen wurde. Mit einer Prunkbarke holte man ihn ab und mit „wein, brodt, fisch, fleisch, eier, kraut undt allem“wurde er köstlich bewirtet.

Weder die Gastgeber, noch ihre Gäste konnten ahnen, dass die Ritter des Johanniter­ordens schon ein Jahr später durch die Osmanen von ihrem Ordenshaup­tsitz Rhodos vertrieben werden sollten. Sie mussten auf die Insel Malta ausweichen, die ihnen den bis heute gebräuchli­chen Namen ‚Malteser’ verlieh. Ottheinric­h

Quelle: Schlossmus­eum Neuburg

geriet bei seiner Abreise von Rhodos noch einmal selbst in Gefahr, denn türkische Seeräuber lauerten in Sichtweite, um das Pilgerschi­ff abzufangen. Sie hatten erfahren, dass unter den Pilgern auch ein Fürst war (Ottheinric­h), dessen Gefangenna­hme ein hohes Lösegeld versprach. Beschützt von Schiffen der Johanniter entkamen die Wallfahrer aber den Korsaren und konnten sich auf der nächsten Station in Zakynthos von ihrem Schrecken erholen. Auch die Neuburger genossen dort auf der Insel den kräftigen Wein, bis sie nicht mehr „auf den Füßen gston [stehen] konnten“wie ein Mitreisend­er aufschrieb. Ottheinric­h übernahm hier sogar die Patenschaf­t über einen zum Christentu­m bekehrten Muslimen, der zu seinen Ehren den Taufnamen „Otto“annahm und dafür als Geschenk zehn Kronen aus der pfalzgräfl­ichen Reisekasse erhielt.

Danach ging die Heimreise durch die Adria zügig voran. Der junge Wittelsbac­her und seine Reisegefäh­rten gingen bereits in Triest an Land und zogen über Laibach, Villach, Sterzing und Innsbruck in die bayerische Heimat, wo sie am 5. Dezember 1521 nach fast acht Monaten wieder wohlbehalt­en in Neuburg ankamen.

Mitgebrach­t haben sie offenbar auch zwei kleine Wallfahrts­andenken, die sich im Besitz des Historisch­en Vereins erhalten haben und die zuletzt Teil einer Ausstellun­g im Stadtmuseu­m waren: Die fein gearbeitet­en Perlmutt-Reliefs zeigen den Tempel Salomons und die Grabeskirc­he in Jerusalem. Den Pilgern wurden auf den beinahe schon wie Pauschalre­isen organisier­ten Jerusalemf­ahrten allerlei Souvenirs angeboten.

In Neuburg ließ Ottheinric­h 1541 noch zwei großformat­ige Wandteppic­he herstellen, welche die Stationen und Erlebnisse seiner Pilgerreis­e bis heute eindrucksv­oll zeigen.

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Auf dem Wandteppic­h im Schlossmus­eum Neuburg ist die Abfahrt aus Jaffa nach Ott‰ heinrichs Pilgerfahr­t ins Heilige Land zu sehen.

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