Was uns die Corona-Krise für die Klimapolitik lehrt
Die schlechten Umfragewerte der Union bringen Schwung in das Thema Umweltschutz. Doch mit Wahlkampf-Taktik wird es diesmal nicht getan sein
Die Hektik ist deutlich zu spüren in diesen Tagen. Plötzlich soll alles, was über Jahre liegen geblieben ist, nachgeholt werden. Hehre Umweltziele, entschiedene CO2-Reduzierung, Klimaneutralität. Möglich macht das allerdings weniger die Erkenntnis, dass die Klimapolitik der Bundesregierung in den vergangenen Jahren eher halbherzig war, sondern vielmehr der Druck aus den Umfragen. Die Grünen ziehen an der Union vorbei und geben der sonst so selbstbewussten Machtpartei eine Ahnung davon, dass sie die nächsten Jahre auf der Oppositionsbank verbringen könnte. Das treibt an. Die Strategie, die hinter den Versprechen von Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Markus Söder steckt, ist freilich leicht zu durchschauen: Besser selbst das Thema besetzen, damit die Wähler gar keinen Grund haben, für die Grünen zu stimmen. Ob dies aufgeht, wird sich zeigen. Denn der Union fehlt auf diesem Feld vor allem eines: Glaubwürdigkeit.
Nur durch das Coronavirus, das die Welt zu einer regelrechten Vollbremsung gezwungen hat, ist es Deutschland überhaupt gelungen, die eigenen Klimaziele im Jahr 2020 doch noch knapp zu erreichen. Wenn die Wirtschaft aber wieder anzieht und womöglich sogar Nachholeffekte entstehen, braucht es konkrete Schritte – und Mut. Doch auch den könnte ausgerechnet die Corona-Krise stärken. Denn in den vergangenen Monaten hat sich mehr als eindringlich gezeigt, wie fatal es ist, wenn die Politik Problemen hinterherrennt, anstatt vorauszuschauen. Als der damalige Innenminister Thomas de Maizière vor einigen Jahren empfahl, sich auf nationale Krisen vorzubereiten, erntete er Gelächter und wurde als Angstmacher beschimpft. Ähnlich ging es lange jenen, die vor den massiven Folgen des Klimawandels warnen und doch ein „weiter so“beobachten mussten.
Die Pole verlaufen dabei keineswegs nur zwischen Umweltschutz und Wirtschaft. Es wird ganz stark darauf ankommen, aus der Klimafrage kein soziales Desaster erwachsen zu lassen. Denn alleine technische Errungenschaften werden den Klimawandeln nicht aufhalten können. Umso wichtiger ist es, die Lasten so zu verteilen, dass nicht am Ende die Schwächsten abgehängt werden. Jene, die sich kein E-Auto leisten können oder sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben, sondern im Zweifel dem Vermieter ausgeliefert sind, der die Kosten direkt weiterreicht. Damit wird Klimaschutz auch zu einer enormen Herausforderung für die Demokratie. So euphorisch Biden jetzt dafür trommelt, so eindrucksvoll hat sein Land bewiesen, wie anfällig Menschen sind für Anführer, die vermeintlich bequeme Lösungen präsentieren. Daher ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat: Wer regiert, muss über den nächsten Tag hinausblicken, Verantwortung übernehmen für die Zukunft kommender Generationen. Dadurch wird Klimaschutz zum zentralen Bestandteil der Politik.
Natürlich: Der Klimawandel wird sich kaum von Deutschland alleine aufhalten lassen. China, Russland, Indien – viele Supermächte lassen es an Ehrgeiz vermissen. Und doch gilt umgekehrt auch: Ohne Deutschland wird sich der Klimawandel nicht aufhalten lassen. Eine hoch entwickelte Volkswirtschaft hat die Pflicht voranzuschreiten. Fortschritt lebt von Mut. Der könnte sich nach der Wahl etwa in einem eigenen Klimaministerium manifestieren – ein Zeichen, dass die Politik das Thema ernst nimmt und wir so etwas wie einen Kipp-Punkt erreicht haben: einen Punkt, hinter den wir nicht mehr zurückfallen dürfen. Vieles deutet darauf hin, dass sich zumindest in der Gesellschaft dieses Gefühl verfestigt hat.
Ohne Deutschland ist Klimaschutz aussichtslos