Durch Wind und Regen
Sie zählen zu den Helden im Lockdown: Was einen Fahrradkurier zu seiner Arbeit motiviert
Augsburg Sein Arbeitsgerät ist eine Box, gut isoliert, rund 50 auf 50 Zentimeter groß. Dazu ein Fahrrad, schwarz-rot, gebraucht gekauft und äußerst robust. Sein Einsatzgebiet ist die Stadt Augsburg, dazu die Städte im Umland, Stadtbergen, Neusäß – alles, was in einem Radius von zehn Kilometern rund um das Stadtzentrum liegt. Maximilian Rank, 25, ist einer von rund 70 Fahrern des Fahrradboten-Dienstes Boxbote, der in der Corona-Krise mehr Menschen denn je mit Essen und anderen wichtigen Dingen beliefert und plötzlich praktisch systemrelevant geworden ist. Häufig sieht man die Boten heute durch die Stadt radeln, sie gehören zum Straßenbild dazu. Was motiviert die Menschen, die – egal, wie das Wetter gerade aussieht, ob es regnet oder ob die Sonne scheint – ihren Dienst auf zwei Rädern verrichten?
Maximilian Rank fährt seit dem Corona-Sommer 2020 für den Lieferdienst Boxbote. Er beginnt seinen Dienst um 10 Uhr am Vormittag, denn um die Mittagszeit ist viel zu tun. Nach 14 Uhr hat er Pause. Ab 17 Uhr bis 21.30 Uhr schließt sich an manchen Tagen der Spätdienst an, hier gibt es ebenfalls eine Menge auszuliefern. 30 Stunden in der Woche kommen so zusammen. Der 25-Jährige war im Sommer auf der Suche nach einem Nebenjob. Ein Nachbar, Stammkunde bei Boxbote, hat ihn auf die Idee gebracht, sich dort zu bewerben. „Ich fahre gerne Fahrrad und habe gar kein Auto“, sagt er. In Augsburg, davon ist er seit jeher überzeugt, lässt sich alles schnell per Rad erreichen. „So habe ich beschlossen, mein Hobby zum Beruf zu machen.“
Rank arbeitet auch als Moderator bei dem Internetradiosender „Stayfm“, moderiert dort die „redmic musicshow“. Eine feste Einnahmequelle ist dies aber nicht, so kam der Job bei Boxbote recht. „Die Anstrengung auf dem Rad war weniger groß wie gedacht“, sagt er. „Wer jeden Tag fährt, gewöhnt sich daran. Ich mache gerne Sport und werden nun auch dafür bezahlt.“
Den Lieferdiensten ist es gelungen, in der Krise Arbeit zu bieten, wo andere Unternehmen entlassen oder Kurzarbeit anmelden mussten. Viele klassische Studenten-Jobs sind durch Corona weggefallen. Hier waren die Lieferdienste eine Chance. Es sind zudem häufig auch FahrradVerrückte, die hier arbeiten und die sich lange über Karbon- und AluRäder unterhalten können. Für manche Kollegen, berichtet Rank, ist die Arbeit auch eine Abwechslung, eine Gelegenheit, in der Krise oder im Lockdown draußen zu sein.
Die Gewerkschaften indes haben zuletzt die Lieferdienste kritisiert – darunter den Boxboten-Konkurrenten Lieferando. „In Zeiten geschlossener Restaurants bestellen immer mehr Menschen auch in Augsburg ihr Essen im Internet. Das führt zu glänzenden Geschäften beim Marktführer Lieferando. Aber die Fahrerinnen und Fahrer, die bei jedem Wetter unterwegs sind, arbeiten zu Niedriglöhnen und teils am Rand der Belastungsgrenze“, teilte dazu kürzlich Tim Lubecki von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Schwaben mit.
Auch das Unternehmen Boxbote ist wie viele andere Lieferdienste in der Corona-Krise stark expandiert. „Man kann uns wohl als CoronaGewinner bezeichnen“, sagte jüngst Boxbote-Chef Raimund Seibold im Gespräch mit unserer Redaktion. Boxbote habe den Umsatz 2020 von einer Million Euro im Vorjahr stark gesteigert. „Wir haben einige fest angestellte Boxboten und 60 bis 70 Minijobber, die Zahlen variieren. Klar, auch bei uns verdienen die
Die Palette ist breit: Essen, Blumen, Arzneien und mehr
nicht großartig – wir als Unternehmen erwirtschaften bisher eine schwarze Null“, sagte Seibold. Daher versuche man den Kurieren mit Snacks und Getränken entgegenzukommen, zudem gebe es einen Fahrradpool, den die Kuriere nutzen können.
Wie aber sieht die Arbeit in der Praxis aus? Was ist den Fahrern wichtig und wen treffen sie jeden Tag? Seine Kunden, sagt Rank, seien häufiger jüngere Leute, die sich mit Zahlungsdiensten wie Paypal auskennen. Weil die Boxboten auch Medikamente ausliefern, trifft er auch die höheren Jahrgänge. Stellt sein Unternehmen für das Stadttheater Augsburg wiederum 3D-Brillen zu, mit denen sich Theateraufführungen zu Hause ansehen lassen, hat er es mit Kulturbegeisterten zu tun. Andere freuen sich über Blumen, die er ausliefert. „Die Gespräche mit den Kunden an der Haustüre sind erfüllend, man bekommt es mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun“, meint der gebürtige Augsburger. „Dies war der besten Job, den ich in der Corona-Pandemie hätte machen können, wir machen in der Krise das Leben der Kunden besser.“
Das schlechte Wetter an manchen Tagen stört ihn nicht, meint Maximilian Rank. Ob Regen oder Schnee im Winter, die Kuriere sind unterwegs. „Ich freue mich zwar, wenn das Wetter jetzt im Frühjahr besser wird, aber sonst gilt die generelle Regel, dass es für einen Fahrradkurier kein schlechtes Wetter gibt, nur schlechte Kleidung.“Hier schwöre jeder Fahrer auf ein anderes Outfit, der eine auf Funktionskleidung, der andere auf einen Wollpullover. Trinkgeld ist keine Pflicht, die Fahrer freuen sich aber darüber. Es ist eine Anerkennung für ihre Arbeit.
Maximilian Rank jedenfalls will auch in der nächsten Zeit weiter als Fahrradkurier unterwegs sein. Manchen Trick hat er inzwischen gelernt. Wer eine warme Pizza transportiert, muss zum Beispiel auf die Körperhaltung achten – „sonst verrutscht der Belag“.
Für heute aber ist Feierabend, morgen ist Maximilian Rank wieder unterwegs in den Straßen von Augsburg, die er inzwischen besser kennt als viele andere.