ElektroautoWende: Wie Jobs gerettet werden können
Studien zeigen, dass es entscheidend darauf ankommt, Beschäftigte rechtzeitig auf die neue Technologie umzuschulen. Mit welchen Konzepten der Volkswagen-Konzern die Zukunft sichern will
Berlin Anfang 2020 alarmierte ein Bericht die Beschäftigten der deutschen Autoindustrie. Denn nach Darstellung der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität sind durch die Umstellung von Verbrennungsautos auf die Elektromobilität bis zum Jahr 2030 rund 410 000 Arbeitsplätze, davon 240000 direkt im Fahrzeugbau gefährdet. Dabei könnten allein, was den Antriebsstrang, also die Fertigung von Motoren und Getrieben betrifft, maximal 88000 Jobs wegfallen. Wenn das Horrorszenario des ExpertenGremiums Wirklichkeit würde, wäre das ein herber Rückschlag für die deutsche Volkswirtschaft, hängt doch etwa jeder siebte Arbeitsplatz direkt und indirekt von der Autoindustrie ab.
Dabei wurde in dem Bericht darauf abgehoben, dass ein Verbrennungsmotor aus mindestens 1200 Teilen bestehe, während es bei einem elektrischen Motor nur rund 200 seien. Die simple und in vielen Untersuchungen im Vordergrund stehende Gleichung lautet also: weniger Teile, weniger Arbeitsplätze. Elektromobilität ist gut fürs Klima, aber ein Job-Killer. Doch auch die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität hat auf ältere Studien von Fraunhofer-Forschern und Experten des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung zurückgegriffen. Neuere Untersuchungen legen aber die Vermutung nahe, dass am Ende nicht 410000 Arbeitsplätze durch den radikalen Wandel der Branche verschwinden, sondern deutlich weniger. So haben wiederum Fraunhofer-Spezialisten intensiv die Transformation bei Volkswagen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis weckt große Hoffnungen, dass der Wirtschaftszweig doch, was die Entwicklung der Arbeitsplätze betrifft, glimpflicher davonkommt. Die Kernaussage der Studie lautet: „Durch E-Mobilität und Digitalisierung wird der Beschäftigtenbedarf bei Volkswagen weniger stark sinken, als wissenschaftliche Studien für die Automobilindustrie bisher nahelegten.“Um also möglichst viele Mitarbeiter zu halten – und das ist die zweite wesentliche Botschaft der Wissenschaftler –, muss ein Autokonzern den Wandel „nachhaltig steuern“. Dahinter verbirgt sich aus Beschäftigtensicht das Schlüsselwort auf dem Weg vom Verbrenner hin zum Elektromotor: Es lautet Qualifizierung. Wenn also Mitarbeiter, die bisher Diesel- oder Benzinmotoren gebaut haben, auf Elektroantriebe umgeschult werden, bleiben ihre Arbeitsplätze erhalten.
Dabei investiert etwa der VWKonzern enorme Summen, damit sich Beschäftigte neue Qualifikationen aneignen können. Auftraggeber der Studie ist der unabhängige Nachhaltigkeitsbeirat des Volkswagen-Konzerns. So sagte Ex-DGBChef Michael Sommer als Beiratsmitglied und Schirmherr der Studie: „Unsere Ergebnisse zeigen: Die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung werden nicht so dramatisch sein wie befürchtet. Wir können das steuern.“Wenn also ein Autokonzern Geld in die Hand nimmt, muss Elektro-Mobilität nicht zum massenhaften Job-Killer werden. Dabei geht auch aus der VW-Studie hervor, dass die trotz Qualifikation nicht zu verhindernden Beschäftigungsverluste in der Komponentenfertigung höher als im reinen Fahrzeugbau ausfallen. Die VW-Verantwortlichen haben hier aber, wie sie betonten, „frühzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen, um negative Effekte
abzufedern“. Daher werden neue Jobs in der Entwicklung und Herstellung von Batteriezellen geschaffen. Die Fraunhofer-VW-Studie zeigt zudem, dass die Digitalisierung zunächst sogar zusätzliche Stellen schaffen wird. Doch Motorenbauer lassen sich nur schwer zu IT-Experten umschulen. Dass also unterm Strich bis 2030 in der Branche Arbeitsplätze wegfallen, bestätigen alle Experten. Dabei zeigt eine neue Ifo-Studie für den Automobilverband VDA interessante Zusammenhänge auf: Die Forscher stellen die Zahl der in den Ruhestand gehenden Beschäftigten den noch im Bereich Verbrennungsmotor arbeitenden Menschen gegenüber. Demnach gehen bis 2030 immerhin 147 000 Mitarbeiter aus der Produktion in Rente. Doch 215000 Beschäftigte werden noch Jobs haben, die von Benzin und Diesel abhängen. Es sind also deutlich mehr Arbeitsplätze gefährdet, als Mitarbeiter in Ruhestand gehen. Doch auch Ifo-Experte Oliver Falck sagt: „Da die Lücke jetzt schon bekannt ist, haben Unternehmen die Möglichkeit, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel Umschulungen und Weiterbildungen.“