Hausarzt wird zum „Impfluencer“
Ein Facebook-Beitrag machte den Neu-Ulmer Mediziner Christian Kröner berühmt. Vor Millionenpublikum beklagt er nun: „Das Impfversagen geht weiter“
NeuUlm Dr. Christian Kröner ist eigentlich nur einer von über 40000 Hausärzten in Deutschland. Seit einer eher ungewollten Reaktion auf immer wiederkehrende Nachfragen zur Corona-Impfung in seiner Praxis im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl ist der Allgemeinmediziner allerdings bundesweit in aller Munde. Am Mittwochabend war er in der ZDFTalkshow von Markus Lanz zu sehen. Er stichelte – mit besonderem Wissen, anschaulich, manchmal etwas provokativ, aber gezielt. Das macht er gerne und immer wieder. Begeistert ist davon aber nicht jeder. „Ich gebe alles“, sagt Kröner nach der Aufzeichnung seines Auftritts auf der großen TV-Bühne, muss aber gleichzeitig eingestehen: „Derzeit ist es echt viel.“
Dem Facharzt für Innere Medizin, der noch dazu als Notarzt im Einsatz ist, geht es um nicht weniger, als so vielen Menschen wie möglich das Leben zu retten. Dafür kämpft er unermüdlich – in seiner Praxis als Hausarzt, im Impfzentrum und im Netz als selbst ernannter „Impfluencer“. Um diesen Titel hat er sich verdient gemacht, nachdem er kurz vor Weihnachten – als Corona-Impfungen für viele ein unbeschriebenes Blatt waren – leicht genervt und auf die Schnelle einen Infozettel mit zehn Punkten zur Impfung niedergeschrieben hatte. Ein Foto davon postete er bei Facebook, und das schlug derart hohe Wellen, dass seither eine Medienanfrage nach der anderen bei ihm hereinschwappt.
Diese Flut der Aufmerksamkeit nutzt er, um seine Ansichten und Erfahrungen im täglichen Umgang mit dem Virus kundzutun. Das machte er auch jetzt scheinbar ganz unaufgeregt im TV-Studio. „Ganz zufällig“zog er zwei unterschiedliche Spritzen aus seinem Jackett und erklärte, warum es für ihn immer noch ein „Skandal“sei, dass in Bayerns Impfzentren tagtäglich Impfstoff im Müll landet. Aus den Biontech-Ampullen könnten eigentlich mit entsprechenden Spritzen in den meisten Fällen sieben statt der vorgeschriebenen sechs Dosen entnommen werden. Auch bei AstraZeneca wäre mehr möglich.
Hochgerechnet auf die bislang in Deutschland verwendeten Ampullen hätte so die ganze Stadt Hannover geimpft werden können, rechnet Kröner vor. Aus rein juristischen Gründen sei dieses Vorgehen aber zumindest in Bayern tabu. Mit einer Petition wollte er die Staatsregierung zum Umdenken bringen. Doch die wurde abgelehnt. Und so konnte sich Lanz am Mittwoch einen Seitenhieb auf den ja sonst „mega-innovativen“Markus Söder nicht verkneifen. Denn nicht nur in Niedersachsen ist die siebte Spritze erlaubt, auch in dem vom Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geführten Nordrhein-Westfalen.
Das hörte der ebenfalls anwesende niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil natürlich gerne. Große Ohren, aber keine Erklärung liefern konnte er aber auf ein ebenfalls von Kröner geschildertes massives „Daten-Problem“in Bezug auf den digitalen Impfpass: Nach seinen Informationen, und so liest es sich laut Kröner auch aus der „Datenschutzinformation zur Digitalen Impfverwaltung Bayern“heraus, gehen quasi so gut wie alle Daten, die in das eigentlich digitale bayernweite Anmeldetool BayImco eingegeben werden, verloren beziehungsweise werden laut Kröner „zwangsanalogisiert“und „in LeitzOrdnern im Keller versteckt“, dass damit ein digitaler Impfpass auf die Schnelle gar nicht zu realisieren sei.
Stephan Weil, laut Lanz ja schließlich auch Chef eines großen Bundeslandes und Teil der Ministerpräsidentenkonferenzen, hob die Hände und verwies an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Kröner sagte klar: „Das Impfversagen geht weiter.“
Diese Art und Weise, wie der Hausarzt die Themen angeht, kommt in weiten Teilen zwar gut an. Kollegen in der Region stehen hinter ihm, wenn es um „die Sache“geht. Hinter vorgehaltener Hand wird ihm aber auch vereinzelt vorgeworfen, er würde seine Aufmerksamkeit dafür nutzen, um seine Patientenkartei aufzufüllen, wenngleich er das gar nicht notwendig habe. „Die rennen mir die Tür ein“, sagt er selbst. Vergangene Woche sollen Menschen aus Berlin, Köln und Marburg zu ihm gekommen sein, um sich immunisieren zu lassen. Eine Folge seiner mittlerweile großen Fangemeinde im Internet, wo sich der „Impfluencer“ein Netzwerk aufgebaut hat.
Allerdings musste Kröner sich im Netz vor allem nach seinem ZettelPost auch wüste Beschimpfungen gefallen lassen. So wurde gedroht, seine Praxis in Brand zu setzen. Manche nannten ihn Volksverräter. Doch auch davon ließ er sich nicht aufhalten und ging zur Polizei. Gut 50 Verfahren diesbezüglich laufen. Um die 20 Täter konnten bereits ermittelt worden.