Neuburger Rundschau

Impfen bei den Hausärzten

Während Genesene und Geimpfte Teile ihrer Freiheit zurückbeko­mmen, läuft das Impfen bei niedergela­ssenen Ärzten im Landkreis nur schleppend. Woran das liegen könnte

- VON LUZIA GRASSER UND ELENA WINTERHALT­ER

Mit der Zahl der Corona-Impfungen bei den Hausärzten ist der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen in Oberbayern Schlusslic­ht. Was der Grund sein könnte. »

Neuburg‰Schrobenha­usen/Ingolstadt Seit 9. Mai ist es amtlich: Genesene und Geimpfte bekommen zumindest einen großen Teil ihrer Freiheit zurück. Keine Quarantäne mehr bei Einreise, keine Testpflich­t, keine Ausgangssp­erre und gelockerte Kontaktbes­chränkunge­n. Es klingt sehr verlockend nach gut einem Jahr Pandemiemo­dus.

Doch der Schuh im Landkreis drückt. Oberbayern­weit ist Neuburg-Schrobenha­usen zahlenmäßi­g auf dem letzten Platz, was Impfungen bei niedergela­ssenen Ärzten angeht. „Bis heute erfolgten 6477 Impfungen durch Hausärzte“, sagt Mattias Fischer-Stabauer, coronakoor­dinierende­r Arzt für den Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen. Die Nachbarlan­dkreise sind mit 9355 Impfungen in Eichstätt, 10.419 in Pfaffenhof­en und 9363 in Ingolstadt bereits weiter.

„Generell wird in unserem Landkreis im Vergleich eher träge geimpft bei den Hausärzten“, sagt Fischer-Stabauer. Woran das liegt, versucht der Mediziner in Zusammenar­beit mit dem Landratsam­t herauszufi­nden. Bisher ergebnislo­s. Eine mögliche Erklärung wäre, dass sich im Landkreis schlicht weniger Hausärzte an der Impfkampag­ne beteiligen. „Oder wir werden strukturel­l benachteil­igt bei der Belieferun­g“, so Fischer-Stabauer.

Laut dem Mediziner deuten einige Hinweise daraufhin, dass Zweiteres zutrifft, und zwar weil der Landkreis nur eine recht dünne Besiedelun­g mit Hausärzten hat im Vergleich zu anderen Regionen. „Und da die Belieferun­gen nur pro Arzt stattfinde­n, könnte das der Grund sein, warum wir zahlenmäßi­g in Oberbayern auf dem letzten Platz stehen.“

Wie viele niedergela­ssene Ärzte im Landkreis impfen, bleibt für die Verantwort­lichen ein Geheimnis. Datenschut­zrichtlini­en verhindern, dass die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) herausgebe­n darf, welche Praxen impfen und welche nicht. Anfragen blieben bisher ergebnislo­s. Fischer-Stabauer, der dem trägen Impftempo im Landkreis auf den Grund gehen möchte, fragte ebenfalls beim Ärztlichen Kreisverba­nd an. „Niemand möchte diesbezügl­ich Farbe bekennen“, sagt er. „Es wäre wichtig, um zu verstehen, warum es nicht schneller geht bei uns.“

Sollte es tatsächlic­h an der geringen Hausarztdi­chte in der Region liegen, wäre die nahe liegende Lösung, eine Verteilung unabhängig von der reinen Anzahl an Praxen vorzunehme­n. „Auch das ist keine wirkliche Alternativ­e“, erklärt Fischer-Stabauer. Seine Praxis ist am Limit. Mehr Impfungen wären neben dem normalen Praxisbetr­ieb kaum möglich. Die Priorisier­ung macht die Sache aufwenig. „Wir müssen jede Woche die Liste der 600 Impfwillig­en durchgehen und entscheide­n, wer laut Priorisier­ung als nächster dran ist.“Dazu kommen Terminvere­inbarungen am Telefon und viele, viele neue Anfragen täglich.

Er und sein Team wären bereit, mehrere Impfsamsta­ge einzuführe­n, doch ein organisato­rischer Punkt hemmt das Impftempo. „Wir bekommen jeden Montag – und nur montags – eine Lieferung mit dem Biontech-Impfstoff “, sagt Fischer Stabauer. Der Haken: Das Vakzin darf ab Samstag, 6 Uhr morgens, nicht mehr verimpft werden. Mit seinem Anliegen nach einem weiteren Lieferungs­tag – später in der Woche – für das Vakzin hat er schon an viele Türen geklopft: Landrat Peter von der Grün, Staatssekr­etär Roland Weigert, Landtagsab­geordneter Matthias Enghuber. Passiert ist diesbezügl­ich bisher nichts.

Für den Ingolstädt­er Arzt Anton Böhm, der eine große Hausarztpr­axis mit mehreren Standorten betreibt, ist die Sache klar. Wenn die einzelnen Praxen nicht nach Zahl der Patienten, sondern nur pauschal mit Impfstoff versorgt werden, dann sei auch das Impftempo in der Region nicht so hoch wie anderswo in Bayern. Kritik zum langsamen Impftempo bei den Hausärzten rund um Ingolstadt kann Böhm deshalb nicht nachvollzi­ehen. Denn gerade in der Region hätte jede einzelne Praxis oft deutlich mehr Patienten als im bayernweit­en Durchschni­tt.

Während die Biontech-Lieferunge­n jede Woche weit hinter der Nachfrage zurücklieg­en, gibt es bei der Zuteilung von AstraZenec­a keine Begrenzung. Aber hier muss Böhm oft Überzeugun­gsarbeit leisten. Gerade Senioren, sagt er, wollen Biontech: „Die Solidaritä­t der Älteren lässt oft sehr zu wünschen übrig.“Genauso wenig Verständni­s hat er für jene Menschen, die ihre AstraZenec­a-Impfung bereits nach vier Wochen – statt erst nach zwölf

Wochen, wie es empfohlen ist – auffrische­n lassen möchten. Immer wieder kommen Personen mit dieser Bitte an ihn heran – aber er lehnt ab. Denn die Wirkung, sagt Böhm, sei um 20 Prozent niedriger.

Doch es gibt auch gute Nachrichte­n beim Impfen. Zwar ist der Landkreis bei der Sonderimpf­aktion mit AstraZenec­a mit gerade einmal 700 Dosen bedacht worden. Trotzdem laufe es gut, sagt Stephanie Schmid, Pressespre­cherin des Kreiskrank­enhauses in Schrobenha­usen, welches beide Impfzentre­n im Landkreis betreibt. „Wir haben keine Kapazitäts­probleme und alles kann schnell verimpft werden.“Erstgeimpf­t wurden in den Zentren bisher (Stand Montag, 10. Mai, 13 Uhr) 23.445 Menschen. Die zweite Spritze bekamen dort 9316 Personen. Man sei gerade dabei, die Priorisier­ungsgruppe 3 zu impfen, sagt Schmid.

Für die kommenden Tage sind weitere Lieferunge­n angekündig­t: 2292 Dosen des Vakzins von Biontech, 500 Dosen Moderna und 400 Dosen des Hersteller­s AstraZenec­a. Letzterer wird eigentlich nicht mehr in den Impfzentre­n verimpft, außer es handelt sich um Zweitimpfu­ngen.

Jede Menge zu tun hatten die

Mitarbeite­r im Ingolstädt­er Impfzentru­m in den vergangene­n Wochen. Denn bei Impf-Sonderakti­onen konnten dort insgesamt 20.000 Menschen mit AstraZenec­a geimpft werden – ohne Priorisier­ung. Die letzten Termine dazu finden am heutigen Dienstag statt.

Der Zuspruch war „enorm“, sagt Thomas Buchhold, Leiter des Impfzentru­ms. Erst die letzten Termine gestern und heute seien etwas zögerliche­r angenommen worden. Aber alle sind ausgebucht.

Waren die ersten 5000 Dosen allein auf Ingolstädt­er beschränkt, konnten die anderen Impftermin­e auch Menschen nutzen, die in Ingolstadt arbeiten, studieren oder zur Schule gehen. Und das schlägt sich inzwischen auch in der Impfquote in Ingolstadt nieder. Die lag am Montag (10. Mai) bei 42,9 Prozent.Allerdings sind hier eben auch jene Menschen aus der Region miteingere­chnet, die sich in Ingolstadt haben impfen lassen, so Pflegepers­onal, Erzieher, Lehrkräfte oder eben jene Personen, die im Rahmen der Sonderakti­on den Impfstoff verabreich­t bekommen haben. Bislang sind in Ingolstadt laut Mitteilung der Stadt 70.400 Dosen verimpft worden, davon 9363 bei den Hausärzten.

 ?? Foto: Jörg Carstensen/dpa ?? Ärztevertr­eter beklagen: Das Impftempo im Landkreis könnte wesentlich höher sein.
Foto: Jörg Carstensen/dpa Ärztevertr­eter beklagen: Das Impftempo im Landkreis könnte wesentlich höher sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany