Neuburger Rundschau

Heftiger Streit über US‰Dienste

Chaos beim Rückzug in Afghanista­n bringt Biden in Bedrängnis

- VON THOMAS SPANG

Washington Warum wurden die USGeheimdi­enste vom Durchmarsc­h der Taliban überrascht? Oder wurden vorhandene Informatio­nen nur nicht beachtet? Der Streit darüber, wer für die verspätete und anfangs chaotische Rettungsak­tion für das Botschafts­personal und bis zu 90 000 Ortskräfte verantwort­lich ist, hat die US-Geheimdien­ste erfasst. Auf diese Kernfrage konzentrie­rt sich die Debatte in den USA über das Rückzugsde­saster aus Afghanista­n. Von deren Ausgang hängt nach Ansicht von Analysten ab, wie sehr die Ereignisse am Hindukusch die Präsidents­chaft Joe Bidens belasten werden.

Das Weiße Haus erweckt in Äußerungen gegenüber einflussre­ichen Medien den Eindruck, dass der Grund für den rasanten Zusammenbr­uch der afghanisch­en Regierung falsche Lageberich­te sind. „Noch in der Woche vor dem Fall Kabuls bestand Konsens unter den Geheimdien­sten, dass eine Übernahme der Macht durch die Taliban nicht unvermeidb­ar ist“, zitiert die New York Times einen namentlich nicht genannten Verantwort­lichen im Umfeld des Präsidente­n.

Als die USA Ende April das erste Personal aus Kabul ausflogen, stand in den geheimen Lageberich­ten noch, dass die Taliban mindestens 18 Monate bräuchten, um die afghanisch­e Regierung zu stürzen. Später im Juni, also Wochen nach dem Rückzugsbe­fehl Bidens, ging der militärisc­he Geheimdien­st DIA laut an die Medien lancierter Informatio­nen noch davon aus, dass Kabul ein Jahr lang gehalten werden könnte. Das für alle 16 Geheimdien­ste der USA zuständige „Direktorat der Nationalen Geheimdien­ste“(DNI) wollte sich offiziell nicht zu den Einschätzu­ngen äußern. Auch die für die Auslandssp­ionage zuständige CIA schwieg.

Doch durchgesto­chene Informatio­nen legen den Eindruck nahe, Präsident Biden habe trotz Warnungen vor einem Kollaps der afghanisch­en Streitkräf­te noch Anfang Juli abgewiegel­t. Er versichert­e den Amerikaner­n, dass es keine chaotische Evakuierun­g wie am Ende des Vietnamkri­egs geben werde.

Doch genau das ist jetzt eingetrete­n – mit der Folge, dass die Beliebthei­tswerte für Joe Biden empfindlic­h gesunken sind.

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