Heftiger Streit über USDienste
Chaos beim Rückzug in Afghanistan bringt Biden in Bedrängnis
Washington Warum wurden die USGeheimdienste vom Durchmarsch der Taliban überrascht? Oder wurden vorhandene Informationen nur nicht beachtet? Der Streit darüber, wer für die verspätete und anfangs chaotische Rettungsaktion für das Botschaftspersonal und bis zu 90 000 Ortskräfte verantwortlich ist, hat die US-Geheimdienste erfasst. Auf diese Kernfrage konzentriert sich die Debatte in den USA über das Rückzugsdesaster aus Afghanistan. Von deren Ausgang hängt nach Ansicht von Analysten ab, wie sehr die Ereignisse am Hindukusch die Präsidentschaft Joe Bidens belasten werden.
Das Weiße Haus erweckt in Äußerungen gegenüber einflussreichen Medien den Eindruck, dass der Grund für den rasanten Zusammenbruch der afghanischen Regierung falsche Lageberichte sind. „Noch in der Woche vor dem Fall Kabuls bestand Konsens unter den Geheimdiensten, dass eine Übernahme der Macht durch die Taliban nicht unvermeidbar ist“, zitiert die New York Times einen namentlich nicht genannten Verantwortlichen im Umfeld des Präsidenten.
Als die USA Ende April das erste Personal aus Kabul ausflogen, stand in den geheimen Lageberichten noch, dass die Taliban mindestens 18 Monate bräuchten, um die afghanische Regierung zu stürzen. Später im Juni, also Wochen nach dem Rückzugsbefehl Bidens, ging der militärische Geheimdienst DIA laut an die Medien lancierter Informationen noch davon aus, dass Kabul ein Jahr lang gehalten werden könnte. Das für alle 16 Geheimdienste der USA zuständige „Direktorat der Nationalen Geheimdienste“(DNI) wollte sich offiziell nicht zu den Einschätzungen äußern. Auch die für die Auslandsspionage zuständige CIA schwieg.
Doch durchgestochene Informationen legen den Eindruck nahe, Präsident Biden habe trotz Warnungen vor einem Kollaps der afghanischen Streitkräfte noch Anfang Juli abgewiegelt. Er versicherte den Amerikanern, dass es keine chaotische Evakuierung wie am Ende des Vietnamkriegs geben werde.
Doch genau das ist jetzt eingetreten – mit der Folge, dass die Beliebtheitswerte für Joe Biden empfindlich gesunken sind.